Identität 1

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Unsicher, was ich nun wirklich anziehen sollte, stand ich vor dem großen Spiegel in meinem Schlafzimmer, welches einem Schlachtfeld glich. In mitten meines kompletten Inhaltes meines Schrankes lag Rose vergnügt auf ihrer Krabbeldecke und entdeckte ihre kleine Welt. „Kleine Lady, nun sag doch auch mal was...  was soll ich heute Abend anziehen? Schau hier, das hat Emily vorgeschlagen... oder doch lieber das kleine Schwarze? Nicht? Oder vielleicht das dunkelgraue Strickkleid, dazu die Stiefel?" Rose war keine sonderliche Hilfe, aber ihr Lächeln verzauberte mich wieder. „Komm her Mäuschen!" Ich beugte mich zu ihr um sie auf den Arm zu nehmen, und vor Freude strampelte sie wie wild. „Still und heimlich hast du mein Herz erobert, weißt du das eigentlich? Wie Patrick damals... nur erkennt er mich nicht oder will es nicht... hast du denn keinen Rat für mich?" Mit großen Augen sah sie mich an, als es an der Tür klopfte. „Lilian?" „Komm rein Emily" „Ich hab geklingelt, aber als du nicht aufgemacht hast... wie sieht's denn hier aus?!" „Ich wusste nicht was ich anziehen sollte, Rose war auch keine Sonderliche Hilfe und..." „Du bist nervös!" „Emily, er bringt mich total der Fassung, wenn er in meiner Nähe ist. Vorhin... alleine... wir sind gemeinsam vom Friedhof zurück gelaufen... ich bekomm nicht einen klaren Satz hin... stottere rum oder meine Gedanken driften ab! Ich weiß wirklich nicht, ob es so eine gute Idee ist, nachher dahin zu gehen." „Und ob das eine gute Idee ist... So und was du anziehen sollst? Worin fühlst du dich denn am wohlsten?" „Naja am liebsten ein Kleid und Stiefel... aber das ist zu Ovetdressed!" „Sagt wer?" „Patrick... vorhin... ich war so...", dabei zeigte ich auf mich, „auf dem Friedhof, es hat angefangen zu gießen und..." „Also doch Jeans! Hier, was ist mit der? Dazu das schwarze Langshirt und die Lederjacke... die ist aber schön... Die war bestimmt teuer, nach der Qualität zu urteilen..." „Emily... die Jacke... sie gehörte Patrick... er hat sie mir damals zum Abschied geschenkt, weil ich sie oft anhatte... damit ich ihn nicht vergesse..." „Dann ist das noch ein Grund mehr, sie anzuziehen..., spätestens heute Abend solltest du ihm ins Auge fallen, wenn du es nicht längst schon getan hast." „Ach Emily... warum ist das alles so kompliziert... damals war es so einfach. Wir haben nicht groß gequatscht, sondern einfach gemacht... und jetzt?" „Jetzt mein Kind, sind Gefühle im Spiel.... tiefe Gefühle... da gibt es kein logisches Denken. Als junger Mensch nimmst du Dinge leichter hin... um so älter man wird, um so schwieriger wird es. Man muss mehr Verantwortung tragen...so wie du jetzt für Rose... und nun ab mit dir! In 30 min will ich dich fertig unten in der Küche sehen! Ich nehm die Lady und ihre Sachen schonmal mit runter."
Eine gute halbe Stunde später war ich dann auch wirklich fertig. Meine Brünetten langen Haare hatte ich etwas aufgedreht und nun vielen sie mir leicht lockig über die Schultern, dazu die Jeans mit Pumps, Shirt und seine Lederjacke, die gefühlt immer noch nach all den Jahren nach ihm roch. Dazu ein dezentes Makeup. „Wow Lilian, du siehst umwerfend aus... nicht zu under oder overdressed! Genau richtig!" „Findest du?", fragte ich unsicher nach. „Ja! So dann komm, ich fahr dich eben rum und zurück kannst du dir ja ein Taxi nehmen, oder vielleicht nimmt dich ja such jemand mit!" zwinkerte Emily mit verheißungsvoll zu. „Ach Quatsch, ich fahr mit dem Mini... alles gut!" „Neee... da wird heut im Pub das ein oder andere Guinness fließen... du fährst nicht!", bestimmte sie, setzte Rose in den Cosi, nahm die Tasche und schmiss mich aus meinem eigenen Haus.
Eine halbe Stunde zu früh stand ich nun vor dem Pub, der von außen noch relativ leer aus sah. Ich wollte nicht mich so auf dem Presentierteller zeigen, das Patrick sah, das ich schon da war, als ob ich es nicht abwarten konnte, also drehte ich mich um, um zum Café gegenüber zu gehen, damit ich mir noch schnell einen Coffee to Go holen konnte, als ich auf direktem Wege in Patricks Arme lief. „Wohin des Weges junge Frau? Zum Pub gehts in die andere Richtung!", grinste er mich frech an. Gut sah er aus. Die Haare gemacht, schwarze Jeans, Lederboots und ein Sakko . Seinen alten Gitarrenkoffer trug er in der rechten Hand.  „Coffee...", brachte ich nur heraus. „Coffee? Heut wird kein Kaffee getrunken... kommen Sie, ich hab noch etwas Zeit bis zu meinem Auftritt. Erst spielt noch ne Band aus Kilkenny... lassen Sie uns ein gutes Plätzchen suchen und dann wird erstmal ein Guinness getrunken." „Ok!", war das Einzige, was ich in dem Moment erwidern konnte.
Patrick nahm meine Hand und zog mich regelrecht in den Pub. Freundlich wurde er von allen begrüßt und steuerte direkt einen  Tisch direkt an der kleinen Bühne an. Das war so klar, bei meinem Glück. Wir setzten uns hin, naja erhebt gesagt ich, denn er stand sofort nochmal auf und ohne zu Fragen brachte er 2 Guinness und zwei Shots mit. „Auf einen wundervollen Abend! Cheers!", prostete er mir zu und ich tats ihm gleich. „Cheers!"
Nach und nach füllte sich der Pub. Die Band, die vor Patrick dran war und ca eine Stunde spielte, spielte typisch Irische Songs, etwas Riverdance und Folk. Patrick hatte uns bereits das nächste Guiness geholt und folgte der Band begeistert. Losgelôst lachte er viel, bewegte sich etwas zu Musik, klatschte und sang mit. So losgelöst hatte ich ihn auch gesehen, als wir damals gemeinsam ein Wochenendausflug nach Hamburg machten.

Zuerst führte mich Patrick schick zum Essen aus, und anschließend ging es zu einem Konzert in einen alten Pub. Dort spielte, man mochte es kaum glauben, Coldplay, und Patrick schien die Jungs sogar zu kennen, denn nach dem Gig wurde er von allem freundlich begrüßt und sie luden uns noch ein, mit ihnen den Abend zu verbringen. Patrick spielte auch zwei Songs gemeinsam mit ihnen und das Publikum flippte völlig aus. An dem Abend erfuhr ich endlich auch, wer er tatsächlich war, nachdem einige Mädels am Tisch hinter uns tuschelten, immer wieder der Name Paddy Kelly viel, und ganz auf den Kopf gefallen war ich auch nicht. Der Name sagte mir was... Frontmann der bekannten Kelly Family. Das konnte doch aber nicht sein... hatten die nicht alle lange Haare? Trotzdem... irgendwie passte es dennoch... er hatte erzählt, das er viele Geschwister hatte, seinen Bruder James und seine Schwester Tricia hatte ich kurz mal kennengelernt... dazu das er Coldplay persönlich kannte und so gut Gitarre spielte... Auf dem Weg zum Hotel liefen wir Händchenhaltend an der Binnenalster entlang. Ein fünf Sterne Hotel hatte er extra gebucht, wobei mir auch eine Jugendherberge gereicht hätte, es machte alles immer mehr Sinn das die Mädchen recht hatten und meine Neugier übermannte mich, denn bisher wusste er fast alles von mir, und ich nur Bruchteile von ihm, was mich aber bisher in keinster Weise gestört hatte. „Danke für den schönen Abend Patrick, oder soll ich lieber Paddy sagen?!" Unsicher blieb er stehen und starrte mich an. „You know who I am? Since?" „Jetzt ja... die Mädels hinter uns am Tisch haben die ganze Zeit getuschelt." „Na toll...", resignierte er und entzog mir seine Hand. „Patrick was ist los? Ist das so schlimm?" „Findest du nicht?! „Nein warum sollte ich? Aber warum hast du mir das nicht direkt gesagt?" „Well...  Ich wollte das du mich so kennenlernst wie ich bin... einfach als Patrick, und nicht als Paddy von der Kelly Family, der auf der Bühne steht, den Spaßvogel mimt und ganze Stadien füllt... einfach als ganz normalen Kerl... mit Ecken und Kanten..."  „Und das habe ich... und ich hab mich in diesen chaotischen, liebenswürdigen und gutausehenden jungen Mann verliebt...!", gab ich zu. Unsicher auf seine Reaktion sah ich ihn an. Er musterte mich genauso. „Patrick, mir ist egal wer du bist. Ob jetzt nun Patrick oder Paddy.., ich hab mich in dich verliebt..." Nicht ganz hatte ich die Worte wiederholt, schon spürte ich seine Lippen auf meinen, die mich tief küssten. „And I fall in love too..."

Kenmare... wo sich Zukunft mit Vergangenheit verbindetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt