Misstrauen

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Patrick und keine andere Frau... in 18 Jahren... das konnte ich kaum glauben und Skepsis machte sich breit. Das er sein Herz nicht einfach verschenkte, das konnte ich nachvollziehen, ging mir ja ähnlich, aber das er nicht einmal das Bedürfnis nach Nähe, Intimität und Sex hatte, war unvorstellbar. „You don't believe me...", stellte er nüchtern fest, löste seine Umarmung und stand auf. „Ich mach uns was zu essen..." „Patrick... bitte... das hat mit glauben nicht zu tun. Ich kann es mir nur kaum vorstellen... Gefühle... gar keine Frage... aber ganz ohne Sex... ich bitte dich... jeder hat Bedürfnisse..." „Also war das für dich gestern auch nur ein Bedürfnis, ja?" „Nein.. war es nicht, das solltest du aber langsam mal begriffen haben..." „Lilly... I am sorry... Themenwechsel... es ist eh vergangen... und die Vergangenheit kann man nicht ändern... oder hast du eine Zeitmaschine?!", lächelte er gequält und machte das Essen warm. Irgendwas schien ihn schwer zu beschäftigen, aber ich wollte nicht noch weiter nachbohren und hoffte, er würde sich mir irgendwann von selbst anvertrauen.
Nachdem Essen fuhr Patrick kurz zu sich rüber. Er wollte einige Sachen holen. Nur sein „kurz" war relativ. Es war spät geworden und mühselig war ich dabei gerade die Stufen nach oben zu nehmen, um ins Bad und anschließend ins Bett zu kommen, als er rein kam. „Lilly, was machst du denn da? Du kannst doch nicht allein die Treppen rauf!" „Siehst du doch, das ich das kann..." „Warte... ich helf dir!", sofort lies er seine Tasche fallen, stellte seinen Gitarrenkoffer zur Seite und kam zu mir. Durchdringend sah er mich an, leicht besorgt, leicht vorwurfsvoll. Und doch erkannte ich genau, das er geweint hatte. Eigentlich war ich sauer, aber sein Anblick, dessen Blick mir durch Mark und Bein ging, da konnte und wollte ich nichts sagen und lies mir helfen.
Als ich nach gefühlten Ewigkeiten endlich in meinem Bett lag, wollte Patrick gehen. Überrascht sah ich ihn an. „Du sage mal, wo willst du hin?" „Runter... auf die Couch..." „Und warum?", lächelte ich sanft. „Ich denke es ist vorerst besser..." „Vorerst besser?" „Nicht?" „Patrick... bleib bitte hier... bei mir... außer du willst es wirklich nicht, dann..." Auffordernd hob ich meine Decke an. Patrick zog sich aus und schlüpfte endlich zu mir hinzu. „Und was ist nun besser?", schmunzelte ich und kuschelte mich so gut es mit meinem Fuß es ging, an ihn und er schlag seine Arme um mich. „Das hier... aber die Frage die mich beschäftigt ist, ob wir das Richtige tun... damals ging es schon so schnell und endete dann genauso..." „Die Frage hättest du dir gestern bereits stellen müssen, bevor du mich verführt hast...", konterte ich, wobei ich seine Ängste natürlich verstand. „Wie war das mit den Bedürfnissen Lilly?!", grinste er frech. „Da hab ich ganz viele von..." Patrick kam näher. „Und wer verführt hier jetzt wen?", raunte er mir zu und schob seine Hand unter mein Shirt.

Trotz der Schmerzen war die gemeinsame Nacht wunderschön gewesen, genau wie die weiteren. Patrick kümmerte sich um mich, aber nicht nur um mich, er half mir auch mit Rose rührend. Da mein Sprunggelenk zwar Gott sei dank nicht operiert werden musste, sich aber die Heilung meiner Bänder  in die Länge zog, war ich auf Hilfe angewiesen. Auf Dauer konnte ich aber weder Emily, Tom, als auch Patrick alles abverlangen, dennoch ließen sic sich nicht davon abhalten.
Nach zwei Monaten hatte ich dann endlich Ruhe, keine Krücken mehr. Nur bei andauernder Belastung sollte ich noch die Aircastschiene weiterhin tragen. Die Zeit nutzte ich, konnte wieder vermehrt für die Spedition arbeiten und meinen Chef friedlich stimmen. Wenn Patrick abends nicht da war, schnappte ich mir Lernbücher, um mehr über die Pflanzen und Blumen zu erfahren, denn nach langem überlegen wollte ich Susans Laden dann doch nicht aufgeben. Rose würde größer werden, in den Kindergarzen gehen, mit der Spedition, den Geschäftsreisen, das wäre dauerhaft für die Kleine nicht mehr zumutbar. Und ich hatte ja abends Zeit zum lernen, zumal Patrick nun immer häufiger einige Tage nach Deutschland musste. Presse Promo, Konzerte... und sein Fernbleiben nahm nicht ab.
Was das zwischen uns beiden war, darüber hatten wir nie gesprochen auch nicht über unsere Gefühle. Wenn er in Kenmare war, verbrachte er viel Zeit bei mir, um ehrlich zu sein, war er nur bei mir und Rose, als aber sein Kumpel Mark ihn besuchte, bekam ich ihn bald gar nicht zu Gesicht. Kein Anruf, keine Nachricht, einfach nichts, was uns unseren ersten großen Streit in unserer Beziehung einfuhr. Oder eher in unserer nicht vorhandenen Beziehung, wie sich herausstellte.

Es war Ende Mai und Irlands Natur und Landschaft zeigte sich von seiner schönsten Seite. Nach und nach begann auch im Garten alles zu Blühen, und die kleine gemütliche Terrasse war inzwischen zu einem meiner Lieblingsplatze bei trockenem Wetter geworden. Langsam verstand ich, warum sich Susan hier so wohl gefühlt hatte und Deutschland den Rücken gekehrt hatte.
Rose lag auf ihrer Krabbeldecke, versuchte sich durchs drehen langsam vorwärts zu bewegen. Die Verrenkungen die sie dabei machte sahen zu ulkig aus, das ich lachen musste und vergnügt quietschte sie dabei, als jemand zum Tor herein kam. „Mit so einem Lachen begrüßt zu werden, da kommt man gerne heim. Na kleine Lady... entdeckst du die Welt?", sagte er liebevoll zu Rose, nahm sie auf den Arm nachdem sie schon aufgeregt ihre Ärmchen ihm entgegen streckte und herzte sie innig, während mein Puls auf 180 schnellte und ich vor Wut kurz vorm platzen war. „Hey...", begrüßte er auch mich und wollte mir gerade einen Kuss geben, als ich zurück wich. „Kein Kuss? Ich war zwei Wochen weg, komm direkt vom Flughafen und du scheinst ja anscheinend nicht so drauf erpischt zu sein mich zu sehen..." „Gerade vom Flughafen... ja ne ist klar! Wen willst du hier für dumm verkaufen?!" „Bitte?!" „Lass uns später reden... nicht vor Rose! Ich melde mich!" „Lilly?" Ich nahm ihm Rose ab, lies ihn stehen und ging einfach rein. Rose war darüber nicht sonderlich begeistert und meckerte lautstark vor sich hin. Inzwischen hatte sie sich sehr an Patrick gewöhnt, hing sehr an ihm und schlief am besten ein, wenn er sie zu Bett brachte und ihr ein Schlaflied sang.
Ich schnappte mir mein Handy und rief Emily an.

„Lilian, alles gut?", begrüßte sie mich freundlich.
„Nicht wirklich, um Ehrlich sein... Emily, kann Rose heute bei euch schlafen? Ich hab was zu erledigen."
„Natürlich, immer, das weißt du doch. Ist was schlimmes passiert? Du klingst so aufgebracht..."
„Ich muss das erst klären, dann kann ich vielleicht was dazu sagen, ok?"
„Gehts um Patrick?"
„Auch... Danke Emily... ich mach Rose jetzt fertig und bin in einer halben Stunde da. Danke dir!"
„Dafür doch nicht. Wir freuen uns doch, wenn die kleine Lady da ist. Bis gleich Lilian."

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