Emilys Rat

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Eingekuschelt unter einer dicken Wolldecke saß ich auf meinem Sofa und starrte gedankenverloren vor mich hin, zu sehr hatte mich der Besuch von Patrick alias Michael aufgewühlt. Warum wühlte mich das gerade jetzt so auf. All die Jahre hatte es mir nichts ausgemacht. Mit der Abreise aus Friedrichskoog hatte ich damit abgeschlossen. Und nun... ein Blick, ein Wort und ich fühlte mich wie benebelt, schwelgte immer wieder in den Erinnerungen unseres kurzen aber intensiven Sommers...
„Lilian, wir sind wieder da!", rief Emily beim Eintreten. „Wohnzimmer... ich komm!" „Tom war noch einkaufen, ich pack's schonmal in den Kühlschrank. Rose ist auf der kurzen Fahrt eingeschlafen... sie hat eben noch ihre Milch getrunken, du kannst sie am besten direkt hoch bringen.... Mensch Kleines, wie siehst du denn aus? Was ist passiert? War das Gespräch mit deinem Chef so schlimm?" „Von allem etwas würd ich sagen. Ich bring die kleine Lady ins Bett..."
Als ich wieder runter kam, saß Emily bereits am Küchentresen, vor sich eine dampfende Tasse Tee und sah mich fragend an. „Du lässt eh nicht locker, bevor du nicht weißt, was los ist oder?" „Nein..." „Musst du nicht rüber zu Tom?" „Der ist Skat spielen bei Seamus Dunlay..." Emily war die herzensgütigste Person die ich kannte, immer um das Wohl der anderen bedacht, aber ihre Neugier würde mir noch zum Verhängnis werden. „Ok.. was willst du wissen?", gab ich leicht genervt von mir. „Ich mach mir Sorgen um dich Lilian. Ich will dich nicht aushorchen... nur... was belastet dich so. Ich seh es dir doch an, und ich glaube nicht, das es an der Arbeit liegt, oder das du zweifelst, es hier nicht schaffen zu können, ich glaube vielmehr, das Michael dahinter steckt... hast du ihn gesehen? Er ist wohl wieder da..." „Ja... er hat mich für morgen Abend in den Pub eingeladen... er spielt dort... und..." „Aber das ist doch gut oder? Kein Problem, du gehst aus, wir nehmen Rose. An den Abenden mit Live Acts sind immer viele da, vielleicht bekommst du dann mehr Anschluss, was dir auch gut tun würde...!" „Ich weiß nicht... unabhängig, das ich wegen Rose ein schlechtes Gewissen habe... weißt du, es ist viel zwischen Patrick und mich passiert... es war nicht nur eine Sommerromanze... für mich jedenfalls nicht und für ihn... bis heute dachte ich das auch nicht...." „Aber?" „Er tut so, als ob er beziehungsweise wir uns nicht kennen, nennt sich mit einem anderen Namen... müsste erkannt haben, das ich Deutsche bin, spricht aber nur Englisch mit mir... weißt du Emily, die drei Monate... ja ich weiß das das keine lange Zeit ist, aber das war damals sehr intensiv... ich hab ihn, also er hatte noch nicht... fuck... Emily, das ist peinlich..." „Es war für ihn sein erstes Mal mit dir, verstehe... stimmt, sowas vergisst man nicht... und du... du hast ihn sehr gern gehabt..." „Nicht nur gern Emily... ich war das erste Mal so richtig verliebt... hab Patrick geliebt... nie wieder hab ich sowas für jemanden empfunden wie für ihn, aber das war auch ok. Mir ging es gut damit... bis vor zwei Monaten... seitdem schleicht er sich andauernd in meine Gedanken, nachts Träume ich von ihm... ich hab ihm damals sehr verletzt, glaube ich jedenfalls... dabei wollte ich nur das Beste für ihn... ich hätte ihm im Weg gestanden... das wollte ich nicht..." „Du möchtest dich nach der Zeit mit ihm aussprechen..." „Ja irgendwie schon... aber vielleicht ist er auch immer noch sauer und enttäuscht... zurecht!" „Lilly, und warum lädt er dich dann ein?! Vielleicht hat er dich auch wirklich nicht erkannt... hast du dich denn sehr verändert?" „Naja um ehrlich zu sein schon irgendwie... früher hatte ich etwas mehr auf den Rippen, war eher blond, nun brünette, und vom Kleidungsstil... früher eher wild... Lederjacke, zerrissene Jeans... Metalshirts... und heute..." „Eher die Business Frau...", lachte Emily. „Ja irgendwie schon... na dann hilf deinem Patrick doch mal auf die Sprünge... anstatt Kostüm und Highheels... back to the roots... hast du ne alte Jeans? Tshits oder ne Lederjacke?" „Ja schon..." „Na dann weißt du ja was du morgen anziehst, und dann fragst du deine Haare offen, und nicht immer den strengen Dutt... und ich hab noch eine Idee... dafür bedarf es aber einen ruhigen Überraschungsmoment..." „Und die wäre?", Skepsis lag in meiner Stimme... „Wenn du die Möglichkeit hast, mit ihm alleine reden zu können, überrumple ihn, indem du Deutsch sprichst... wenn er dann antwortet, kann er sich nicht mehr raus reden." „Emily... das ist verrückt... das bin nicht ich... ich bin direkt, geradeheraus..." „Na das hab ich gesehen! Und warum hast du ihn dann nicht direkt drauf angesprochen, als er hier war?!" „Weil... weil..." „Kind, weil du immer noch Gefühle für ihn hast! Du hast nie wirklich mit ihm abgeschlossen, jetzt hast du eine zweite Chance! Du gehst morgen in den Pub, keine Widerrede! Ich nehm Rose mit zu uns. Du redest mit ihm... und entweder beginnt etwas wundervolles erneut oder du kannst endlich abschließen, was du aber eigentlich gar nicht willst oder?" „Nein..." Liebevoll nahm sie mich in den Arm. „Lilian, die Liebe ist nicht immer einfach, Gefühle können einem oft im Wege stehen... „Pffff Gefühle... völlig überbewertet... bisher bin ich immer gut damit gefahren..." „Natürlich ist es sicherer, aber auf Dauer?" „Tut es dann einfach nicht weh... mir gehts gut. Mach dir keine Sorgen. Und ja ich geh dann morgen Abend... hast ja recht, und wenn es sich ergibt, rede ich mit Patrick... danke fürs zuhören!" „Kind, doch nicht dafür! Genauso wie wir für Susan all die Jahre da waren, sind wir es auch für dich!" Feste umarmte mich Emily nochmal bevor sie sich verabschiedete und ging.
Auch ich ging dann relativ zügig ins Bett... doch wieder war es eine sehr unruhige Nacht, mit viele Erinnerungen...

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