Glendalough

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Wer bin ich? Wo bin ich? Was bin ich?... mit diesen Fragen wachte ich am nächste Morgen auf, setzte mich kurz aufrecht und lies mich sofort wieder zurück ins Bett fallen. Mist verdammt, was brummte mein Schädel und warum war ich im Bett, nicht auf der Couch, dazu nackt?! Mit einem Mal traf mich der Blitz. Fuck, dachte ich... das war doch nicht wirklich passiert... aber anscheinend doch..., die Bettseite neben mir war leer und ich hörte leise Geräuschen von unten nach oben dringen. Wie ein Straftäter schnappte ich mir meine Sachen und huschte erstmal ins Bad. Ich brauchte dringend eine heisse Dusche.
Am liebsten hätte ich mich, nachdem ich mich fertig gemacht hatte, einfach nur zur Tür rausgeschlichen, aber das konnte ich ja nun auch nicht bringen. Also atmete ich nochmal tief durch, bevor ich runter ging.
Patrick stand an die Terrassentür angelehnt und starrte gedankenverloren  in den Garten, während er sein Porridge löffelte. „Guten Morgen...", brachte ich gerade noch so über meine Lippen. Er sah auf und versuchte sich an einem Lächeln. „Hey... hast du gut geschlafen?", fragte er sanft. „Hmm... mein Kopf brummt ganz schön..." „Naja... ist ja auch kein Wunder. Kaffee steht in der Küche, ich hab dir Ibus hingelegt  und auch ne Portion hiervon, wenn du magst...", dabei hielt er kurz seine Schale hoch und widmete sich wieder dem Blick nach draußen. „Danke...", murmelte ich und ging in die Küche. Irgendwie war es eine komische Situation zwischen uns. Nach der Nacht... ich hatte fast mit einer anderen Reaktion von ihm gerechnet... entweder das er mich direkt drauf ansprach oder er direkt es falsch deutete... aber er war ganz ruhig, hielt Abstand und sagte einfach nichts. Ich nahm die Ibus, die Patrick mir hingelegt hatte und spülte sie sofort runter. Noch ne weitere halbe Stunde hätte ich die Schmerzen nicht ausgehalten, ich fühlte mich eh noch so matschig. Das Wetter war wie den Tag zuvor traumhaft, knapp über 20 Grad, die Sonne schien und nicht eine Wolke am Himmel. Ich nahm mir die Tasse Kaffee, so wie das Porridge, was Patrick mir gemacht hatte und ging raus in den Garten und setzte mich einfach mitten auf die Wiese in die Sonne.
Nach einer Weile kam Patrick raus und setzte sich neben mich. „Gehts deinem Kopf was besser?" „Ja... danke nochmal... auch hierfür...", dabei deutete ich auf die leere Müslischale. „Nicht dafür... du Lilly...", ok, jetzt war die Stunde der Wahrheit und er wollte über die vergangene Nacht sprechen, dachte ich, dem war aber nicht so. „Ja?" „Ich hab mir was überlegt... es ist ja recht gutes Wetter heut, es soll auch trocken bleiben. Es gibt hier in der Nähe eine alte Klosteranlage, die ich gerne besuchen würde. Ich war Ewigkeiten nicht mehr da... dazu gibt es einen Art Rundwanderweg, den ich gern laufen  würde..."   Glück gehabt, dachte ich. „Klingt doch gut, mach das!" „Would... would you accompany me?" „Muss ich?" „Nein... aber es wäre schön... ich denke es würde dir auch gut tun... einfach etwas durch die Natur laufen, den Kopf frei bekommen..." „Dir ist das wichtig, oder?" „Schon... ja... also?" „Gut... gib mir 10 Minuten, ok?", Patrick nickte und ich ging nach innen um mir jedenfalls festeres Schuhwerk anzuziehen, wobei fester übertrieben war, außer sneakers, Pumps und Ballerinas hatte ich nichts dabei, Parrick trug meist eh seine Boots, von daher musste er sich keine Gedanken darüber machen. Ich flitzte nochmal ins Bad, machte mich etwas zu recht und band meine Haare zusammen, die ich inzwischen meist offen trug... Patrick wartete bereits am Auto auf mich und so setzte ich mich nur auf den Beifahrersitz, sodass es losgehen konnte.
Bereits nach einer viertel Stunde parkte Patrick den SUV am Lower Lake, und wir stiegen aus. Patrick ging zum Kofferraum, nahm seine Jacke, sowie seinen Seesack heraus, was mich wunderte. „Willst du auswandern?!", fragte ich amüsiert. „Nein, aber ich hab uns was zu Essen, trinken und eine Decke eingepackt..." „Meinst du wir verhungern? Da vorne stand ein Schild mit Fußweg zu den Ruinen 20 min..." „Schon... aber den Weg, den ich kaufen möchte ist minimal Länger....", und ich wurde hellhörig. „Minimal... was heißt das im Klartext?" Ich war davon ausgegangen, das es sich maximal um einen Spaziergang gehandelt hätten von vielleicht einer Stunde, nun machte er mir Angst. „Naja, der Weg dauert schon so seine 3-4 Stunden, vielleicht auch etwas länger, das ist es ratsam, was mitzunehmen, meinste nicht?!" Ich schluckte nur... 3-4 Stunden zu laufen, war jetzt zwar nicht das Problem für mich, aber wir zwei... allein... und das nach den Vorkommnissen, gerade auch in Bezug auf die letzte Nacht... das konnte nur schief gehen. „Kommst du Lilly?"
Zunächst liefen wir hintereinander her. Es war so gut wie niemand anderes unterwegs, was mich bei solch einem traumhaften und verhältnismäßig seltenen Wetter in Irland wunderte. Patrick ging strammen Schrittes, seine Hände dabei tief in den Taschen vergraben, das ich kaum hinterher kam. „Biste auf der Flucht, oder warum rennst du so?", fragte ich Patrick, aber er reagierte nicht. „Patrick... warte doch mal!", wieder nichts. „Pat, bleib doch mal stehen!", nichts, also musste ich wirklich rennen, um überhaupt aufzuholen, überholte ihn und blieb vor ihm stehen. Verdutzt sah er mich an, wie ich aus der Puste nach Luft schnappte. „Alles ok?", fragte er nach. „Das frag ich dich!", schnaubte ich. „Ja warum?" „Und was rennste dann so und reagierst nicht auf mein Rufen?" „Oh sorry, war ich zu schnell, das hab ich nicht bemerkt..." „Hab ich bemerkt..." „Ich hab die IPods drin und Musik gehört... hab doch gesagt, will etwas den Koof frei bekommen... schön hier, oder?" „Ja... wenn man nicht gerade damit beschäftig ist, jemanden hinterher zu rennen, vielleicht...", murrte ich. „Ich geh was langsamer, versprochen... komm... wenn wir am Upper Lake vorbei sind, machen wir eine Pause..." „Und wann ist das?" „Round about 30-40 minutes... so let's go!"

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