„Die Wohnung war über zwei Etagen verteilt, in einem alten Schlösschen. Total schön und gemütlich. Im unteren Teil war das große helle Wohnzimmer, mit Balkon und Blick auf die Nordsee, einem Großen Bad und die Küche war offen gehalten. Oben gab es zwei gleich große Schlafzimmer und ein Bad mit Dusche. Es waren regelrechte Prinzessinnen Schlafzimmer, jedenfalls fühlte mich trotz der miserablen Gründe, weshalb ich da war, trotzdem so, denn es war ein Turmzimmer. In die Fenster waren Sitzbänke eingearbeitet, mit dicken Kissen bestückt und luden geradezu nur ein sich dort hin zu setzen und seinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Oft saß ich dort stundenlang und sah einfach aufs Meer raus, beobachte die Gezeiten, die Fussgänger, die am Strand entlang spazierten oder auch den Sonnenuntergang. Hier kam ich endlich zur Ruhe, konnte abschalten und ging zur Therapie... und dann kam er....
Wie gesagt rief mich eines Abends nach dem Essen die Heimleitung zu sich. Ich hatte richtig Angst vor dem Gespräch, dachte ich muss heim, dahin zurück, wo ich nicht hinwollte... aber es kam anders. Frau Dr. Wilke erklärte mir, das es einen jungen Mann geben würde, den sie ebenfalls wie mich gerne hier eine Art Zufluchtsort mit Therapie ermöglichen wollten. Da er aber auch schon über zwanzig war, konnte er ebenfalls wie ich nicht einfach in der Einrichtung gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen wohnen. Zudem sollte auch anonym bleiben, das er im Hause war. Weiter erklärte sie, das er seine Mahlzeiten wie ich auch in der Wohnung zu sich nehmen würde und auch ich Stillschweigen über seinen Aufenthalt bewahren musste. Begeistert, das ich nun meine Unterkunft teilen musste, war ich natürlich nicht, aber was anderes blieb mir nicht übrig. Zudem wäre es genauso in einer normalen Klinik gewesen, und da ich ja mein Turmzimmer hatte, indem ich mich eh hauptsächlich aufhielt, dort auch Ass, stimmte ich zu. Was anderes blieb mir ja auch gar nicht übrig.
Die ersten Tage gingen wir uns konsequent aus dem Weg, ich sah ihn kein einziges Mal, nur abends hörte ich ganz leise Musik aus seinem Zimmer, somit wusste ich, das ich nicht allein war. Auch zum Essen, sah ich ihn nie, was mir schon seltsam vor kam, aber ich erstmal keine weiterer Beachtung schenkte. Tagsüber ging ich zur Therapie, setzte mich bei guten Wetter an den Strand und sah einfach aufs Meer raus und abends auf meinem Lieblingsplatz im Turmzimmer. Endlich konnte ich zur Ruhe kommen, meine Gedanken ordnen, mich ordnen. Mir klar werden, wohin ich nach den drei Monaten gehen wollte, wie meine Zukunft aussehen sollte...
Zwei Wochen waren vergangen... ich wusste bisher nicht mal seinen Namen, nicht wie er aussah... ich wusste nur, das er abends leise Musik hörte...
Der Tag war aufwühlend gewesen... die Therapeutin hatte es geschafft, mein Innerstes mit vor Augen zu halten und mich damit auseinander zu setzen, das ich kaum in den Schlaf fand. Auch auf meinen Lieblingsplatz kam ich nicht zur Ruhe, fühlte mich plötzlich eingesperrt, brauchte Luft zum Atmen und musste dringend hier raus. Ich wollte zum Strand, laufen, den Kopf frei bekommen, schnappte mir meine Sachen, ging raus und hörte jemanden weinen. Dieses Weinen berührte mich, schmerzte aber auch... Im Flur hörte ich deutlich, das es aus seinem Zimmer kam. Ich dachte nicht großartig nach, ging zu seinem Zimmer und klopfte leise. Obwohl ich keine Zustimmung bekam, ging ich einfach rein. Die Nachttischlampe brannte nur, und durch trotz des winzigen Lichtkegels sah ich ihn. Mit angezogen Beinen saß er auf der Sitzbank am Fenster, den Kopf zwischen den Knien und weinte bitterlich. Ich weiß nicht mehr, was mich in dem Augenblick dazu führte, aber ich lies meine Jacke und Tasche fallen, ging zu ihm, und zog ohne was zu sagen ihn in meine Arme. Sofort zuckte er zusammen, als ich aber einfach nichts sagte, sondern nur sanft über seinen Rücken strich, entspannte er sich langsam. Ich weiß gar nicht mehr, wie lang ich ihn im Arm hielt, aber irgendwann beruhigte er sich und seine Tränen versiegten. Ohne etwas zu sagen stand ich auf und wollte gehen, doch er nahm meine Hand, hielt sie fest und bedankte sich. Er fragte nach meinen Namen, sah mich aber nicht an. „Lilly", erwiderte ich nur kurz, immer noch in der Absicht zu gehen. „Kannst du bleiben Lilly?", wisperte er voller Traurigkeit in seiner Stimme und ich stimmte zu. Warum ich das damals einfach so tat, ohne nachzufragen, wieso oder warum, weiß ich nicht. Er berührte mich damals schon. Total gebrochen, sensible und... ich weiß auch nicht. Er ruckte auf der Bank ein Stuck zu Seite, das ich mich nun richtig setzen konnte, richtete die Kissen in meinem Rücken und blickte wie er nur hinauf aufs Meer. Irgendwann nahm ich eine gleichmäßige Atmung von meinen mir immer noch unbekannten Gegenüber war... er war eingeschlafen. Ich stand auf, nahm seine Decke und deckte ihn zu, bevor ich auf leisen Sohlen das Zimmer verlies. Lange lag ich an diesem Abend noch wach, dachte über die surreale Begegnung nach und fand kaum zur Ruhe. Ich machte mir Sorgen um ihn, obwohl ich ihn weder kannte noch wusste wer er war. Irgendwann schlief ich dann doch ein und erwachte total gerädert am nächsten Morgen. Mit Schrecken stellte ich fest, das ich verschlafen hatte und zur Therapie musste. Schnell klaubte ich meine Kleidung vom Boden auf, die ich gestern Abend einfach nur unachtsam irgendwo hin geworfen hatte, zog mich an und fand plötzlich einen Brief auf dem Boden, der wohl unter der Türschwelle hindurch geschoben war. Lilly stand auf dem Kuvert. Obwohl ich doch schon viel zu spät war siegte meine Neugier.... also öffnete ich den Brief.Liebe Lilly,
Danke, das du gestern einfach da warst. Ohne mich zu kennen, ohne Fragen zu stellen...
Patrick
Er war ein Mysterium."
„Ok, die Person von der du erzählst... Patrick.... was hat die nun mit diesem Michael zu tun?", fragte Emily zu recht nach. „Willst du nun die ganze Geschichte hören, oder nicht?!"
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Kenmare... wo sich Zukunft mit Vergangenheit verbindet
FanfictionLilian ist Single, glücklicher Single und arbeitet in einer renommierten Spedition als Human Ressource Managerin. Ab und an verirrt sich mal ein Mann in ihr Leben, aber seit 18 Jahren hat sie nie wieder jemanden so nah an sich rangelassen wie ihn...