Escape

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Patrick stand leise auf, und ich hörte wie er runter ging. Zunächst überlegte ich noch ihm nachzugehen, beließ es aber dabei, denn ich spürte, das er Zeit für sich brauchte.
Lange lag ich wach, hing meinen Gedanken nach, während ich darauf wartete, das er zurück ins Bett kam. Natürlich machte ich mir Sorgen um ihn, um uns, wie es jetzt weitergehen sollte. Wir hatten wieder nicht die Finger von einander lassen können, ich hatte mich Patrick hingegeben und das voll und ganz, und diesmal bereute ich meine Entscheidung nicht, das ich seiner „Dessert Bitte" nachgekommen war. Ganz im Gegenteil. Es war wunderschön mit ihm gewesen, was ich nie vermutet hätte, hatte ihm dabei voll und ganz vertraut, trotz allem was passiert war und er getan hatte. Mir war auch bewusst, das er nicht nur aus puren Verlangen mit mir geschlafen hatte, sondern weil er mich liebte, bei mir war es ja nicht anders gewesen, sonst hätte ich mich ihm selber nicht so bedingungslos hingeben und vertrauen können. Aber wie zum Teufel sollte es weitergehen. Hier in Wicklow waren wir wie in einer kleinen Seifenblase, von der Realität, von unserer Realität vollkommen abgeschnitten, aber wie würde der Morgen aus sehen, wenn wir ins normale Leben zurückkehren würden. Wenn er bei mir war, so wie letzen Tage, dann verlor ich meine Angst, aber allein der Gedanke, was passieren könnte, wenn wir nicht zusammen wären, was er vielleicht tun könnte, wenn wir mehrere Wochen voneinander getrennt wären... die Angst gewann dabei die Oberhand. Wie sollte so eine Beziehung funktionieren können, geschweige denn eine Ehe, wenn die Angst eines erneuten Vertrauensbruches immer dazwischen stand und sich immer mehr in den Vordergrund drängte.
Vertrauen... das war das A und O... in jeder Beziehung... und ohne... dazu kam die Enttäuschung, die allgegenwärtig war. Ich war so unsicher, innerlich hin und her gerissen, Patrick wollte eine Chance, flehte mich die ganzen Wochen immer wieder über an, ihm diese allerletzte Chance zu geben, aber was würde danach kommen. Würde er sie nutzen? Würde er bei einer passenden Gelegenheit wieder seinen reinen Bedürfnis nachkommen? Oder gab es wirklich die Chance für uns, das wir einen Mittelweg finden würden, mit dem wir beide zurecht kämen, wo keiner von uns Höllenqualen leiden musste.
Mitten in meinem wirren Gedankenkarussell war ich irgendwann doch eingeschlafen und erwachte am nächsten Tag, als die Sonne schon stark ins Zimmer schien. Die Bettseite neben mir war leer. Ich schmunzelte. War Patrick, der sonst ein notorischer Langschläfer war, wieder vor mir aufgestanden, fragte ich mich, oder hatte er gar nicht erst den Weg ins Bett gefunden. Ich stand auf, mein Knie schmerzte noch stärker als den Tag zuvor und so humpelte ich erstmal ins Bad und machte mich fertig.
Als ich endlich halb die Treppe runter hüpfte, roch ich bereits frischen Kaffee aus der Küche und ein leichtes Lächeln legte sich auf mein Gesicht. Nachdem ich mir eine Tasse genommen hatte, sowie das Porridge, was er mir gemacht hatte, schaute ich nach, wo er steckte, aber ich fand ihn nicht. Auch im Garten war er nicht. Mit einem Mal fiel mein Blick auf den Couchtisch. Dort lag ein Zettel, wie ich von weiten erkennen konnte und humpelte hin.  Merkwürdig war das Ganze schon. Auf dem gefalteten Papier stand mein Name, darauf lag sein Diktiergerät, was er immer für seine spontanen Songeinfälle nutze. Ich griff nach dem Stück Papier und begann zu lesen.

For Lilly...

For all that you are, for all that you do, for all of your love, that carried me through, I know it's simple but true, I thank you
For all of your time and each sacrifices, and all of the miles, you stayed by my side, I know it's simple but true, I thank you ...

I will always love you Sunshine...

Dann startete ich die Aufzeichnung. Es war ein Song.. und die Zeilen, die ich zuvor gelesen hatte waren die Lyrics... er hatte einen Song geschrieben... allen Anschein nach für mich... ich war so berührt, das mir sofort die Tränen kamen. „Oh Patrick...", schluchzte ich...
Patrick, wo bist du?", rief ich.. bekam aber keine Antwort. Erst jetzt realisierte ich, das sowohl sein Gitarrenkoffer, als auch sein Seesack nicht mehr da waren. Ich stürzte die Treppe, soweit es mir möglich war hinauf. Seine Reisetasche und seine Kosmetikartikel waren ebenfalls nicht mehr da... er war nicht mehr da... panisch suchte ich nein Handy, und fand es schließlich im SUV, der noch vor der Haustür stand. Aber jeglicher Anrufversuch blieb erfolglos, sein Handy war aus und es ging noch nicht mal die Mailbox dran. In meiner Not, rief ich Pino an, aber auch er wusste von nichts, wollte aber über die Fluggesellschaft versuchen etwas rauszufinden, ob er eventuell zurück nach Deutschland geflogen war. Er versprach sich alsbald zu melden, während ich in meiner Not den WhatsApp Chat öffnete und sofort ein Bild von Rose erschien, was ich ihm letzte Woche noch geschickt hatte.
„Rose...", dachte ich.... was machen dein Papa und deine Mama gerade nur...

Patrick... der Song... er ist wundervoll... ich bin sprachlos... überwältig... und zutiefst berührt... und... ich liebe dich doch auch... das werde ich immer tun... aber bitte sag mir wo du bist. Weglaufen ist doch keine Lösung... ich bin doch auch vor drei Tagen nicht weggelaufen... bin bei dir, bei uns geblieben. Patrick ich will dich sehen, nein, ich muss dich sehen, bitte melde dich... Rose braucht dich doch... und ich... ich brauch dich auch... nur gib uns Zeit, gib mir Zeit das alles zu verarbeiten, Zeit dir bedingungslos wieder Vertrauen zu können... an ein uns zu glauben... aber dafür brauch ich dich... und zwar hier, an meiner Seite und nicht tausende Kilometer getrennt von einander. Wenn du für mich und um mein Vertrauen zu dir kämpfst, dann verspreche ich dir, das ich auch darum kämpfen werde, dir das Vertrauen wieder entgegen zu bringen.
Lilly

Ich hatte die Nachricht gerade abgesendet, und wollte das Handy zur Seite legen, um meine Sachen soweit zusammen zu packen, das ich schnellstmöglich nach Kenmare fahren konnte, und gegebenenfalls mit Rose schnellstens nach Deutschland zu fliegen, da erschienen plötzlich die 2 blauen Bestätigungshäkchen. Patrick war online und las die Nachricht, als mein Telefon bereits klingelte... es war Pino...

Kenmare... wo sich Zukunft mit Vergangenheit verbindetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt