Kenmare... wo sich Zukunft mit Vergangenheit verbindet

Anvertrauen

Die restlichen zwei Wochen fuhr ich mit Rose quer durch Deutschland, zeigte ihr Orte, an die ich positive Erinnerungen hatte, zeigte ihr ihre Wurzeln, wo Susan aufwuchs, wo ich aufwuchs, besuchte Freunde oder unternahm mit der kleinen Lady einfach was, bevor es dann für uns beide zurück nach Irland ging. Den Flug hatte ich zwischenzeitlich umgebucht, da ich nicht das Risiko eingehen wollte, Patrick über den Weg zu laufen. Viel zu groß war weiterhin die Enttäuschung in mir. Mein langjähriger Freund Ralf, der nun dauerhaft meine Eigentumswohnung in Hamburg bewohnte, begleitete uns einige Tage auf unserer Reise und ihm vertraute ich mich an. Wir sprachen viel, meist jedoch abends, wenn Rose im Bett war. Er konnte mich verstehen, sprach mir Mut zu, sagte, er hätte genauso wie ich in der Situation gehandelt und konnte meinen Groll und meine Wut sehr gut nachempfinden.
Der Abschied dann am Münchener Flughafen war dann doch tränenreicher als ich dachte. Ralf brachte Rose und mich noch bis zum Sicherheitscheck, bevor er sich dann mit dem Mietwagen auf den Weg zurück nach Hamburg machte. Er sprach mir nochmals Mut zu, alles zu bewerkstelligen und unterstützte durch seine Meinung und unsere langen Gespräche, das ich mit nichts einredete.
„Lilian... du schaffst das, hörst du?! Lass dir nichts einreden. Du bist alles, aber weder psychisch Krank noch hast du ne Essstörung. Was du brauchst ist Ruhe, und Menschen die hinter dir stehen. Dieser Patrick... hat der dich und deine Liebe wirklich verdient?", fragte mich Ralf, als wir einige Tage nach meiner Rückkehr scypten. „Ach... das Problem ist, ich hab's schon all die Jahre nicht geschafft ihn zu vergessen, das kann ich jetzt auch nicht so einfach und wollen tu ich es ja auch nicht, aber... weißt du, das mit Friedrichskoog, das war so ein Vertrauensbruch... ich bin noch nicht bereit mit ihm zu reden... entweder sag ich dann Dinge, die ich später bereue oder ich vergesse alles und Fall ihm um den Hals." „So einfach wirst du es ihm aber hoffentlich nicht machen Lilian! Was ist eigentlich mit Emily... hast du mit ihr mal zwischenzeitlich gesprochen?" „Ja, aber nur kurz... als ich vorgestern heim kam, wartete sie bereits hier auf mich. Sie hat sich mal wieder Sorgen gemacht. Patrick hatte ihr natürlich von unserem Streit erzählt, naja und dann saß ich ja auch nicht im richtigen Flieger..." „Und?" „Hab sie dann freundlich gebeten zu gehen. Sie versuchte sich zu erklären und sich zu entschuldigen, hab ihr dann unmissverständlich zu verstehen gegeben, das ich weder sie, Tom noch Patrick sehen will und sie geben zu gehen, was sie auch tat..." „Und Patrick? Hat er sich nochmal gemeldet?" „Ja... mehrfach... angerufen, WhatsApp, Email... aber bevor du fragst, ich hab nicht reagiert... Sein Ex hat sich auch gemeldet... gefragt, was los sei... ich weiß, ich muss mich mit ihm irgendwann auseinander setzen.. aber..." „Aber gerade bist du bockig und zickig und willst nicht..", stellte Ralf trocken fest und wir beide mussten lachen. „Ja, genau so schaut's aus..." „Ok... und wie gehts jetzt weiter?" „Naja, es ist Jahresabschluss, hab einiges noch in der Spedition zu tun, und ich muss Shiabon im Laden mehr helfen... in der Adventszeit wird viel zu tun sein... das heißt ich hab auch keine Zeit irgendwie Trübsal zu blasen... steht denn dein Angebot noch mit Rose? Bekommst du frei an den beiden Terminen?" „Ja natürlich... ich konnte Tauschen... Nachtschicht... gibt wenigstens Zulagen..." „Schaffst du das denn?" „Ach Lilian... ich arbeite als Anästhesist in einer Privatklinik... da Schaukel ich mehr meine.. du weißt schon, als das ich arbeite... nachts werden seltenst Nasen korrigiert oder Fett abgesaugt..." „Stimmt... ich vergaß... der Promi Arzt..." „Naja Promi... wir hatten letztens eine deutsche Sängerin... Pap 4 Op wegen HPV... das macht auch nicht vor denen halt... hab die Narkose durchgeführt.... sie war nach der Diagnose fix und fertig... also es sind auch nur Menschen wie du und ich..." „Ja... ich weiß... die gehen auf genauso wie wir aufs Klo..." „Was macht dein Patrick eigentlich beruflich... du machst da ja schon ein ziemliches Geheimnis draus... auch das du angeblich kein Foto hast... ist das so ein rothaariger verpickelter dicker Ire, das du ihn verstecktst?!", lachte er ironisch. „Ähm... er ist Musiker... schon immer... auch erfolgreich..." „Kenn ich ihn? Promi?" „Ich denke..." „Los... spuck schon aus... oder ist seine Musik so schlecht...?!" „Ganz im Gegenteil... kennst du noch die Kelly Family?" „Ja... wer kennt sie nicht?! Warum?" „Es ist Paddy... also Patrick... heute nennt er sich..." „Michael Patrick Kelly... der Typ von the Voice also... bist du dir überhaupt sicher, das er es ehrlich mit dir meint? Lass dich nicht verarschen... als er mal hier in Hamburg gespielt hat... da waren ja hunderte von Frauen..." „Ralf ja... ich bin mir seiner Gefühle schon sicher! Und er hat nie eine andere Frau in seinem Leben gehabt, außer mir..." „Lilian, bei aller Liebe, wie kommst du denn da drauf...?!" „Ich weiß es!" „Hat er dir das gesagt? Und das glaubst du ihm?" „Ja, das tue ich! Ralf da gibt es Dinge, die kann und möchte ich nicht preisgeben, auch zu Patrick Schutz... wir sind so lange befreundet, von daher ist es für mich ok, das du weißt wer Patrick wirklich ist, alles andere jedoch ist sein Privatleben, das geht nur ihn und mich was an, bitte akzeptiere das." „Ja, schon gut... ich mochte nur nicht, das er dich verletzt, ok?! Aber Moment, eine Frage hab ich da noch... sagtest du eben nicht, sein Ex hat sich gemeldet? Ist er... ist er schwul?! Bi?!" „Bitte, es gibt Dinge... kannst du das nicht einfach vergessen?" „Was ist passiert? Rede mit mir...."
Letztlich nach gutem Zureden vertraute ich mich schließlich Ralf an, erzählte ihm alles, von damals und von heute, und von der Nacht im Hotel. Es fühlte sich so befreiend an, endlich mich jemanden anvertrauen zu können, der völlig außen stand. Zunächst war er sprachlos, meinte aber irgendwann das nun alles endlich Sinn machen würde. Er verurteilte aber Patrick nicht und war ihm gegenüber, auch wenn er ihn nicht kannte, etwas wohlgesonnener wie zuvor.