Wiedersehen

420 27 0
                                    

„Entschuldigung, ich glaub ich sollte da mal hinterher...", räusperte er sich nach dem durchdringenden Blick und rannte auch schon hinter seinem Hund her. „Bono, damn, Stop!", schrie er dem Labrador hinterher während ich ihm wie paralysiert hinterher schaute. Er war es... es war Patrick... und genau wie damals reichte ein kurzer Blick aus, um mich völlig aus der Fassung zu bringen. Es war eine Art Aura, die ihn umgab und mich alles um mich herum vergessen lies, mich besser fühlen lies. Alles wirkte einfacher, unbeschwerter, er gab mir das Gefühl frei zu sein, alles erreichen zu können, und war es, der mich dazu brachte, letztlich den Weg nach Hamburg einzuschlagen und mein altes Leben in der Eifel, mit all der Trauer, der Wut, dem Hass und der Hilflosigkeit hinter mir zu lassen...

Nur mit absolutem Widerwillen unterbrach ich diesen liebevollen Kuss, aber langsam mussten wir zurück, wenn wir noch was einkaufen wollten. Sichtlich Verlegen schaute Patrick mich an und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Es bedurfte nicht vieler Worte in diesem Moment. Die intensiven und tiefen Blicke zwischen uns sagten mehr als ein ganzes Buch, wie eine unsichtbare Verbindung, die herrschte. „Wir müssen noch einkaufen, wenn wir..." „Ja... darf ich dich diesmal mitnehmen? Mir war der Weg gestern zu weit.., ich hab mir direkt ein Fahrrad genommen... nur müsstest du bitte meine Gitarre dann nehmen." „Deine Gitarre?" „Jap... hier!", Er griff hinter sich und zum Vorschein kam eine ausgefüllte Gitarrentasche. „Eigentlich wollte ich hier ein bisschen spielen und... naja dann kam jemand, der mich ganz schön abgelenkt hat...", grinste er wieder frech... dieses Grinsen, wie ein Lausbub sah er dabei aus, mit roten Wangen und dem frechen Blick dabei... zu gern hätte in in seinen Gedanken Mäuschen gespielt. Während ich noch ganz weit weg war, mit meinen Gedanken, griff Patrick nach meiner Hand und zog mich die Dünen rauf, wo sein Fahrrad im Sand lag. „Komm, Spring auf!"
Es war anders als den Tag zuvor. Die Stimmung war gelöster, nicht so angespannt und beklemmend... „Was hältst du von Fisch? Wir sind am Meer, bisher hab ich noch keinen Fisch gegessen... vielleicht mit Kartoffeln und Gurkensalat? Oder ist das zu Aufwendig? Ich hab gehört, das es ein Fischspezialitätengeschäft am Ende der Promenade gibt... vielleicht können wir eine Art Fischplatte machen... dazu ein Weißwein?" „Aufwendig nicht... aber nicht ganz günstig... der Laden ist nicht nur exklusiv, sondern hat auch exklusive Preise..." „Das lass mal meine Sorge sein... gehst du in den Supermarkt und besorgst alles? Ich hol den Fisch und den Wein... gibt es was, was du gar nicht magst?" „Kaviar!", was aber eher ironisch gemeint war, denn so dekadent brauchte ich gar nicht essen. Eine Currywurst hätte es auch getan.... ich wollte einfach nur gemeinsam mit ihm Essen, meine Zeit verbringen... beweisen musste er mir nichts. „Übertreib es nicht ok? Seelachs reicht auch!", rief ich ihm nach. „Ich schau mal..."
Natürlich hatte er es übertrieben, wie ich es im Gefühl hatte... davon ab konnten wir von der Menge mehrere Tage essen. Geräucherte Makrele, Butt, Nordseekrabben, sowie Gambas, Lachs und Seeteufel hatte er mitgebracht, dazu noch drei Flaschen sehr guten Weißwein. Ich wollte gar nicht wissen, was das alles gekostet hatte.
Während ich schon den Gurkensalat zubereitete hatte, präsentierte er stolz seinen Einkauf. „Und? Kannst du damit was anfangen und uns was leckeres Zaubern?", lächelte er mich an. „Ich denke ja... magst du dann Kartoffeln schälen?" „Das sollte ich gerade so eben noch hinbekommen..."
Wie er es sich gewünscht hatte, zauberte ich uns eine kleine Fischplatte. Den Lachs beließ ich Natur, die Gambas wurden mit Knoblauch in der Pfanne Rosa gebraten, und den Seeteufel ummantelte ich mit Ei. Dazu Kartoffeln mit zerlassener Mandelbutter. Den geräucherten Fisch und die Nordseekrabben wollten wir fürs Sonntagsfrühstück nehmen.
Zugegebenermaßen, es schmeckte köstlich. Der Fisch war exzellent, und den Wein, den Patrick ausgesucht hatte passte perfekt dazu.
Zufrieden und satt rieb er sich über seinen nicht vorhandenen Bauch und lächelte. „Danke Lilly, ich weiß nicht wann ich zum letzten Mal so viel und so gut gegessen habe, daran könnte ich mich gewöhnen. Das Essen hier in der Klinik ist sagen wir mal gewöhnungsbedürftig." „Freut mich, das es dir geschmeckt hat. Ich bin pappsatt... und ich muss mich dringend bewegen... glaub ich..." „Sollen wir runter zur Promenade oder zum Strand? Wir könnten ja auch ne Decke mitnehmen... und den Wein?", auffordernd sah er mich an. „Klingt nach nem Plan! Ich zieh mir eben noch was drüber... wird doch schon recht kühl abends..."
Zuerst schlenderten wir etwas über die Promenade und genossen den noch lauen Spätsommerabend, bis wir ein ruhiges Plätzchen, welches etwas abgelegen war fand, Patrick die Decke ausbreitete und wir uns niederliessen und uns den Wein schmecken ließen. Beide genossen wir die Ruhe, lauschten den Wellen der Nordsee und suchten den klaren Himmel über uns nach Sternschnuppen ab. Normalerweise war ich eher das Gegenteil von Romantisch, aber hier, mit ihm, das war alles so unwirklich, aufregend und entspannend zu gleich.
Mit einem Mal spürte ich, wie Patrick unsere Finger miteinander verkreutzte und genoss die seine vorsichtige Annäherung und schloss meine Augen. „Lilly? Schläfst du?" Langsam öffnete ich meine Augen und sah direkt in seine. Sein Blick war wieder so durchdringend, so tief und unergründlich, aber dazu auch so sanft, das ich nur noch uns wahrnahm. Wie automatisch legte sich meine Hand in seinen Nacken, zog ihn sachte zu mir und küsste ihn. Ein wohliges und seit langem nicht mehr wahrgenommenes glückliches Gefühl überkam mich und meine andere Hand schob sich unter seinen Kaputzenpulli. Umgehend spürte ich seine Knochen durch seine so weiche und warme Haut, als das er sich schon anspannte, und den Kuss unterbrechen wollte. „Lass es zu... es ist ok..", wisperte ich und...,

„Starren Sie immer so fremde Menschen an?!", grinste er mir frech ins Gesicht. „Ich ähm, es tut mir leid, ich war in Gedanken..." „Das hab ich bemerkt... Michael Suoko... ich wollte meiner Nachbarin mal persönlich Hallo sagen, bisher haben wir uns ja verpasst... und sie für morgen einladen, falls sie noch nichts vor haben... ich spiele im hiesigen Pub etwas live Musik...", antwortete er und reichte mir seine Hand. „Äh ja danke, ich muss schauen ob ich einen Babysitter bekomm...", was besseres viel mir nicht ein. „Lilian richtig?" „Ja Lilian...Lilian Weber!" Erkannte er mich wirklich nicht? Und warum nannte er mir nicht seinen richtigen Namen? War er verheiratet?

Kenmare... wo sich Zukunft mit Vergangenheit verbindetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt