41|die Schuldige

3.9K 219 98
                                    

Seren würde heiraten.
Und zwar einen anderen.

~

Seren

Da das Wintersemester nun angefangen hatte waren Erkan als auch Lara weg.
Sie waren fertig mit ihrem Studium und immer mehr meiner Freunde gingen von der Universität. Immerhin hatte ich noch Ella und Lewis bei mir. Wir drei kamen nun endlich bei der Hälfte unseres Studiums an.
Ich kam meinem Ziel immer näher und das machte mich so glücklich und erleichterte mich auch.

Die Mädels und ich trafen uns nach Ellas und meiner Vorlesung in einem Café ganz in der Nähe der Universität.
Ich hatte noch nicht die Zeit gefunden um sie auf die kürzlich aufgetretene Situation anzusprechen, als sie mir weinend um den Hals fiel. Wir beide saßen schweigend in der Bahn, sie hatte das übliche sanfte Lächeln auf den Lippen mit dem Blick hinaus.
Wäre jetzt nicht der beste Zeitpunkt? Alles war ruhig und wir waren allein.

„Ella?", brachte ich leise hervor ohne weiter darüber nachzudenken. Sie sah mich sofort an und ihre getuschten Wimpern klimperten kurz. Irgendwie fühlte ich mich schlecht sie darauf anzusprechen, aber etwas belastete sie und ich wollte, dass sie mit uns darüber sprach.
Wofür waren wir denn sonst Freunde?

„Letztens..", fing ich vorsichtig an um ihre Stimmung abzuschätzen und ihre Mundwinkel sanken,„Also.. Wenn du reden willst, dann bin ich da und höre dir gerne zu. Wir sind schließlich Freundinnen. Wir alle, vier." Das sanfte Lächeln kehrte zurück und sie nickte kurz.

„Dankeschön.", flüsterte sie und schluckte, bekam dadurch anscheinend mehr Stimme, denn sie flüsterte nicht mehr,„Wir müssen aussteigen." Ich sah umher und sprang sofort auf. Sie kicherte leise und eilig zog ich sie an der Hand mit aus der Bahn, ehe sie die Türen schloss. Erleichtert atmete ich aus und wischte imaginäre Schweißtränen von der Stirn.

„Das war knapp.", sagte ich erleichtert und sie kicherte wieder. Wir gingen gemeinsam zum kleinen Café, in dem Lara und Alina schon warteten.
Wir setzten uns und begrüßten die beiden. Während wir uns Getränke bestellten stiegen wir mit in ihr Thema ein, dass Lara nun ihr Studium beendet hatte und ihre Bewerbung schreiben musste. Eigentlich hatte sie schon mehrere und verschiedene geschickt, aber sie war eben zu ungeduldig weshalb sie noch eine schicken wollte.

Nachdem wir dieses Thema abgehakt hatten schlürften wir alle an unseren Getränken. Ella war schon die ganze Zeit zurückhaltend, aber nun waren wir es alle irgendwie.
Lara gähnte herzhaft und das schon zum mehrfachen Mal. Ich sah zu ihr auf und mir fiel auf, dass sie tiefe Augenringe hatte.
Lara sah auch überhaupt nicht so fit aus wie sonst, obwohl sie genauso aufgedreht war.

„Alles gut bei dir?", fragte Alina letztlich und ich nickte zustimmend. Lara winkte ab und rührte in ihrem Cappuccino.

„Ja. Emin und ich waren bloß die ganze Nacht im Krankenhaus das ist alles.", erzählte sie. Wir alle sahen sie nun verwirrt, aber auch schockiert an. Im Krankenhaus? Ging es einem Verwandten nicht gut?

„Wieso denn?", fragte Ella. Lara sah uns verwirrt an, schlug sich dann die Hand vor den Mund. Ihr Verhalten war verdächtig, aber wozu führte das?

„Ihr wisst es nicht!", schlussfolgerte sie durch unsere Blicke und sah entsetzt drein,„Natürlich. Woher solltet ihr auch." Wir drei tauschten ahnungslose, doch neugierige Blicke aus während Lara sich aufrecht hinsetzte um die Bombe fallen zu lassen.

„Kenan ist im Krankenhaus.", sagte sie und wir alle sahen sie augenblicklich an.

„Was?", schrieen wir durch das Café. Alle sahen zu uns und Lara wirkte schon fast panisch, weil wir so laut waren.
Er war im Krankenhaus? Wieso? Seit wann? Erst gestern Abend hatte ich ihn doch erst noch gesehen! Angst erfüllte mich. Was, wenn ihm was passiert war? Wenn es ihm schlecht ging. Was redete ich da? Natürlich ging es ihm schlecht! Er war im Krankenhaus, aber weshalb?

„W-Wie? Wieso?", fragte ich schockiert. Ella blickte sie besorgt an. Mein Herz hämmerte gegen meine Brust und ich hörte es in meinen Ohren, dass ich befürchtete ihre Antwort nicht hören zu können.
Sie kratzte sich verlegen am Nacken.

„Es ist nichts allzu schlimmes, wirklich.", winkte sie wieder ab,„Er kommt heute Abend wieder raus. Gestern hat er sich wohl mit einer Gruppe von Männern angelegt und ist nicht alleine angekommen. Gebrochen ist nichts und er lebte ja noch, also alles gut. Hat ihm bestimmt gut getan paar Schläge zu kassieren." Sie lachte, doch hörte schon auf als sie keinen von uns lachen hörte.

„Zu früh?"

[...]

Eilig ging ich den Flur entlang und blieb vor der Tür stehen. Nervös rieb ich meine Hände gegen die Jeans und klopfte an der Tür.

„Herein!", rief Kenan und ich zog die Tür langsam auf. Die ganze Zeit diskutierte ich mit mir selbst ob ich ihn besuchen sollte oder nicht und entschied mich letztlich dafür.
Ich könnte ja als eine Bekannte hier sein oder nicht?

Ich trat weiter in den Raum und sah Kenan in einem schwarzen Jogginganzug mit zerzausten Haaren, wie er ganz langsam, ohne sein Bein anzuheben, zum Krankenbett ging.
Den Pullover zog er noch zurecht und ein weißes Band blitzte darunter auf.
Er zog scharf die Luft ein, als er sich setzte. Ich stand verloren neben der Tür und langsam sah er auf, zu mir.
Nun konnte ich ihm ins Gesicht sehen. Seine Unterlippe war geschwollen und ein dünner Pflaster streifte über die rote Stelle. Sein Wangenknochen war blau-purpurfarben.

„S-..", gab er überrascht von sich und musterte mich von Kopf bis Fuß. Ich verschränkte meine Hände miteinander und schluckte.

„Ehm.. Wie geht's dir?", fragte ich. Er sah nochmal an mir herab und runzelte die Stirn.

„Bestens. Ich fühle mich als könnte ich einen Marathon laufen.", triefte seine Aussage nur voller Sarkasmus. Ich kratzte mich verlegen am Nacken. Er stützte sich an der Bettkante ab und rieb sich schmerzerfüllt sein rechtes Becken.

„W-Wer war das denn?", fragte ich. Er sah wieder zu mir auf. Vielleicht hätte ich doch zuhause bleiben sollen.

„Keine Ahnung. Für gewöhnlich lerne ich die Leute nicht kennen, mit denen ich mich prügle.", murrte er und ich trat einen Schritt zurück. Er wollte mich nicht hier haben. War es denn nicht verständlich Seren?
Ich sah flüchtig auf den Boden, dann wieder zu ihm, er sah ebenfalls vor sich auf den Boden.

„Es.. tut mir leid. Ich fühle mich schuldig deswegen.", erklärte ich ehrlich und er ließ einen spöttischen Seufzer aus.

„Bist du auch.", sagte er. Mein Mund öffnete sich ein Stück. Er hatte wirklich keine Lust auf mich. Dabei wollte ich doch nur nett sein und ihm gute Besserung wünschen.

„Willst du.. Willst du, dass ich gehe?", fragte ich leise und versuchte Augenkontakt aufzubauen, doch er sah gebunden auf den Boden.

„Ja das will ich.", brummte er kühl. Ich nickte und trat noch einen Schritt zurück. Meinen Blick behielt ich gesenkt.
Es war wohl keine gute Idee hierher zu kommen.

„Okay.", flüsterte ich und sah wieder zu ihm auf, doch er sah mich nicht an,„Gute Besserung." Er nickte dankend und ich zog die Tür dicht hinter mir wieder auf.
Ein letztes Mal sah ich noch zu ihm, doch er rieb sich bloß seinen Bauch und sah mich nicht an.
Leise zog ich die Tür zu und ging wieder.

Kenan im Krankenhaus und Seren besucht ihn auch..
Ob Enes noch erfahren wird, dass er verlobt ist haha
Wir werden immer weniger in der Uni 😅

ALL I NEEDWo Geschichten leben. Entdecke jetzt