122|Sohn

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„Du sollst dich nicht dafür entschuldigen. Es ist nichts wofür du dich entschuldigen solltest. Ob jetzt oder später ist unwichtig. Hauptsache du willst es wirklich.", redete er mir ein und drückte mich fest. Ich schloss meine Augen und legte die Arme um seinen nackten Oberkörper.
Kenan war ein wirklich besonderer Mann. Er sollte mein besonderer Mann werden.

~

Verträumt strich ich über die kleinen Strampler, die an den Kleiderhaken hingen. Meine Gedanken kreisten einzig und allein um Babys. Um kleine süße Babys mit großen Augen und einem zahnlosen Lächeln.

„Sieht das nicht süß aus?", fragte ich und hielt einen cremefarbenen Strampler mit braunen Schmetterlingen hoch. Das war doch alles eigentlich so hässlich, aber die Größe machte es unendlich süß! Einfach alles war süß. Es würde niemals reichen, dass zu sagen.
Ich drehte mich zu ihm um und zeigte es ihm. Kenan verschränkte die Arme vor der Brust und zuckte mit den Schultern. Ja. Er kaufte mit mir Babykleidung ein. Ob freiwillig war nun dahingestellt.
Ehrlich gesagt hoffte ich mit diesem Besuch ein kleines bisschen an seiner Meinung zu Kindern ändern zu können.

„Ich will nachhause.", nörgelte er und ich verdrehte die Augen. Eigentlich hatte ich schon genug für meinen Neffen besorgt, doch ich konnte nicht aufhören. Es war wie einen Sucht für ihn einzukaufen. Ich liebte ihn jetzt schon und hatte nur ein Ultraschallbild gesehen.

„Vielleicht sollten wir in die Abteilung für Kleinkinder. Da würdest du gut reinpassen.", sprach ich und sah mir die kleinen Schühchen an. Kenan trat neben mich und sah sie skeptisch an, als hätte er Babyschuhe zum ersten Mal gesehen. Er nahm mir die Schuhe aus der Hand und sah mich ernst an.

„Können wir gehen? Du schaust dich seit einer halben Stunde nur um und kaufst nichts.", seufzte er, doch ich drehte mich nur von ihm weg und sah mich weiter um.

„Was denkst du wie sie ihn nennen werden?", ging ich nicht auf seine Frage ein und sah mich weiter um. Viele Frauen waren in dieser Abteilung, überwiegend Schwangere (was denn auch sonst), die mit einem Strahlen all die Sachen ansahen. Ich starrte sie einen Moment lang zu lange an, denn Kenan legte mir eine Hand auf die Schulter. „Seren.." Ich ging sofort weiter und seufzte bedrückt, doch versuchte den schmerzhaften Gedanken zu unterdrücken. Nicht heute.

„Ich denke es wird ein Name mit A.", erläuterte ich meinen Gedanken und griff nach einem kleinen Sakko,„Oh Gott schau mal wie süß!" Ich zeigte ihm den himmelblauen Zweiteiler und Kenan strich unbeeindruckt über die Jacke. „Dir kann man es auch nie gerecht machen." Er seufzte und räusperte sich. „Ich denke sein zweiter Name wird Baran." Ich kicherte kurz und sagte ganz unüberlegt:„Sowas würdest nur du tun." Prompt kam darauf eine Antwort. „Würde ich nicht, denn ich werde kein Vater." Augenblicklich blieb ich stehen und sah den Gang entlang zur anderen Abteilung.

Kenan ging nach rechts und verschwand zwischen den Kleiderständern während ich ihm hinterher starrte.
Es war wohl doch keine so gute Idee ihn mitzunehmen. Ich ließ von ihm ab und ging nach rechts. Nach einer halben Stunde hatte ich zwei Oberteile, eine Hose und ein Mützchen gefunden. Kenan kam nur einige Male zu mir, doch auch wenn er neben mir war sprachen wir nicht. Ich hielt ihm die Sachen hin und er zuckte mit den Schultern oder schüttelte den Kopf. Es gab auch Glückstreffer, wenn er nickte.
Ich wollte hier wirklich nur noch raus. Was hatte ich mir nur dabei gedacht ihn mit hierher zu nehmen? Kenan würde die Sachen sehen und seine Meinung ändern? Wie lächerlich von mir.

„Sie können Ihre Karte nun einstecken.", wiederholte die Kassiererin lauter, doch behielt den fröhlichen Ton. Ich zuckte hoch und sah meine Hand über dem kleinen Automaten schweben mit der Karte in der Hand.
Ich steckte sie mit gezwungenem Lächeln ein und bezahlte die Sachen.

Kenan steckte sein Telefon wieder ein, als ich neben ihm herging. „Zufrieden mit deinem Kauf?" Ich nickte und legte einen Zahn zu, wobei Kenan das Tempo beibehielt.
Ich sollte mich mit dem Gedanken wirklich anfreunden. Aber.. Ach es war noch kein Ding. Ich war vierundzwanzig und studierte noch. Ein Baby würde jetzt sowieso nicht in mein Leben passen. Außerdem waren wir gar nicht verheiratet. Verheiratet.. Kenan wollte ja nicht einmal heiraten. Ich schluckte schwer und fühlte mich als hätte mir jemand Ketten angelegt, die mich runterziehen würden.

„Soll ich dich zu ihnen oder nachhause fahren?", fragte er und ich leckte mir über die trockenen Lippen,„Oder zu mir. Komm mit zu mir." Ich warf einen flüchtigen Blick zu ihm. „Mal schauen." Kenan sah mich an, doch ich erwiderte den Blick nicht. Stattdessen machte ich einen noch größeren Schritt, wobei Kenan plötzlich meinen Arm griff und mich zurückzog.
Wir blieben mitten auf dem Gang stehen und er sah mich undefinierbar an.

„Bist du sauer auf mich?", fragte er vorsichtig. Ich wartete mit meiner Antwort, doch schüttelte den Kopf. Mit dieser Antwort legte er seine Finger um meinen Kinn. „Gut. Ich möchte nämlich nicht, dass du sauer auf mich bist." Ich kaute auf meiner Unterlippe herum während ich sein Gesicht studierte. Kenan hatte einen Barriere aufgebaut, dass sah man. Er wollte nicht reden.
Aber ich wollte.

„Es ist nur-..", wollte ich anfangen, als Kenan plötzlich zurücktrat und an ihm heruntersah. Seine Schultern hochgezogen und die Brauen zusammengezogen musterte das Wesen, welches auf dem Boden saß. Ich folgte seinem Blick und haftete an einem kleinen Jungen mit schwarzem Haar. Er musste wohl gegen Kenan gelaufen sein.

„Oh Gott alles okay?", fragte ich und kniete mich zu ihm herunter. Der Junge klopfte seine Hose ab und nahm meine Hand um hochzukommen. Seine strahlend blauen Augen sahen mich an und ich bewunderte wie schön er aussah. Ich würde ihn auf fünf schätzen. Der Junge nickte und Kenan tippte auf meine Schulter.

„Lass uns gehen. Sorry Kleiner, aber schau dich das nächste Mal besser um.", murmelte er beiläufig eine Entschuldigung. Wütend sah ich ihn an und konnte nicht fassen wie gefühlskalt Kenan sich manchmal benehmen konnte.
Dieser Mann konnte doch nicht der von heute Morgen sein? Wirklich nicht!

„Maxi!", rief eine Frau und ich drehte meinen Kopf zur anderen Seite. Eine Brünette eilte zu uns und griff nach der Hand des Jungen. Streng sah sie ihn an. „Wie oft soll ich dir denn noch sagen, dass du nicht einfach weglaufen sollst?" Er zuckte mit den Schultern und ich sah die Frau genauer an. Ihre blauen Augen hafteten an mir und ihr Sohn hatte zu hundert Prozent diese von ihr.

„Tut mir wirklich sehr leid!", entschuldigte sie sich, doch ich winkte ab und wir standen wieder auf. Sie lächelte, doch es verrutschte, als sie Kenan ansah. Kenan sah die Frau an und wurde mit einem Mal ganz blass. Und ich? Ich sah von einem zum anderen und mein Lächeln erstarb sofort.

„Kenan?", murmelte sie leise. Bitte nicht schon wieder. Ich schluckte und sah wieder zu ihm. Er glich einer Leiche. Sein Blick fiel auf den kleinen Jungen, den sie an der Hand hielt. Auch ich sah zu ihm und bekam meinen Mund nicht mehr zu.
Gott nein!

Ein nicht so schöner Besuch oder?
Das ist das letzte was in diesem Teil passiert. 🤯 Denkt ihr alles regelt sich? Hat Kenan etwa einen Sohn, von dem wir alle nichts wussten? Der Gedanke reizt mich schon ein bisschen.. 🌚🌚 Wie wird Seren damit umgehen?

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