115|leere Versprechen?

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„Quatsch! Das hat nichts mit dir zutun Koray.", versicherte Seren und ich sah verwirrt vor mich. Worüber sprachen die beiden denn?

~

„Du weißt auch, dass es nicht stimmt.", seufzte mein Bruder und ich spähte in die Küche hinein. Er lehnte gegen die Inseltheke und sie strich ihm unbeholfen über den Rücken.
Was zur Hölle passierte da?

„Koray Kenan zieht nicht wegen dir aus. Du hast damit nichts zutun.", redete sie ihm ein und ich blinzelte mehrmals. Wie kam er darauf? Koray drehte seinen Kopf zu ihr und sie schenkte ihm ein gezwungenes Lächeln.

„Ziehst du mit ihm zusammen? Ihr beide zieht bestimmt zusammen oder?", fragte er sie und sein missbilligter Unterton entglitt mir nicht. Seren seufzte und nahm die Hand von ihm. Beide standen nebeneinander und starrten die Theke vor ihnen an.

„Wir ziehen nicht zusammen.", rechtfertigte sie sich,„Er zieht bloß von hier aus und verlässt nicht dein Leben." Koray nickte ungläubig.

„Schon in diesem Haus haben wir kaum ein Wort miteinander gewechselt. Wenn er hier auszieht dann wars das endgültig.", merkte er an und Schuldgefühle überkamen mich, denn es war nicht gelogen, was er sagte. Wir sprachen kaum miteinander. Wenn mich jemand fragen würde, wer seine engsten Freunde waren oder wo er zuletzt war würde ich ins Stutzen geraten.
Ich kannte meinen eigenen Bruder nicht.

„Es tut mir leid.", murmelte Seren und sah ihn wieder an,„Ich hätte mehr versuchen sollen ihn auf dich aufmerksam zu machen. Ich habe es hintenangestellt, was zwischen euch beiden ist." Er winkte ab und drehte sich zum Toaster um, den er öffnete und seinen Toast hinausnahm.

„Es ist nicht deine Aufgabe. Kenan selbst hätte merken sollen, dass er seine einzige Familie von sich stößt.", brummte er und nahm sich einen Teller. Seren sah ihn wehleidig an, während Koray den Rücken zu ihr und mir gedreht hatte.
Ich hatte Koray von mir gestoßen. Während wir nur uns hatten, hatte ich ihn alleine gelassen und mich nur um meine eigenen Bedürfnisse gekümmert.

Sechzehn Jahre zuvor

Die beiden Jungs rannten im Garten herum und kickten den Ball an dem engsten Freund von Kenan vorbei, den er erst seit kurzem hatte.
Mit dem Wechsel auf das Gymnasium lernte er Emin kennen, der Kenan sofort begeisterte indem er nur ein Shirt mit seiner Lieblingsband trug. Doch langsam nervte seine Cousine, weil sie immer dabei sein wollte, wenn die beiden was unternahmen.
Sowie jetzt. Sie saß mit einer kühlen Limo auf dem Rasen während die Jungs Fußball spielten.

„Pass zu mir!", rief Kenan seinem fünfjährigen Bruder zu, der begeistert den Ball vor sich über den Rasen schleuderte. Er holte aus und trat so fest es ging zu, damit er seinem großen Bruder den Ball passen konnte.
Der Ball kam bei Kenan an, der ihn mit voller Wucht auf ihr selbstgebasteltes Tor schoss, welches Emin verteidigte, doch es nicht hinbekam. Kenan rannte mit erhobenen Fäusten herum.

„Tor!", rief er freudig und Koray klatschte begeistert in die Hände. „Bravo!" Kenan lächelte ihn breit an und Koray erwiderte es. Er sah schon immer zu seinem fünf Jahre älteren Bruder auf, denn er hatte nur ihn.
Ihre Eltern waren kaum zuhause und manchmal vergaß Koray sogar sie je gesehen zu haben, bis sie wieder auftauchten und ihm für wenige Minuten Aufmerksamkeit schenkten, die sie Kenan schon lange nicht mehr gaben.
Die Jungs setzten sich, unter den Baum in ihrem Garten, zu Lara, die den Dreien ihre Limonade reichte.

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