71|Wie sie sich ansehen ist Grund genug

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Kenan.
Er war der ungebetene Gast.

~

„Nein! Dieser Mann hat hier nichts verloren!", rief mein Vater aus und schlug wütend die Hand gegen den Tisch. Ich vergrub mein Gesicht in den Händen und schüttelte den Kopf.
Es bereitete mir schon Kopfschmerzen ihnen dabei zuzuhören wie schlecht Kenans Anwesenheit für mich doch war. Sie sprachen als wäre ich gar nicht im Raum.

„Aber bitte. Er gehört mit zu unseren Freunden und es wäre wirklich schade, wenn er..", versuchte Alina sie noch immer umzustimmen, was sie seit geschlagenen zehn Minuten tat. Mittlerweile sollte es auffallen, dass das Brautpaar plus die Familie des Bräutigams fehlte.

„Freunde?", fauchte Baran,„Der hat deine beste Freundin.. meine Schwester verarscht und du sagst er gehört zu unseren Freunden? Alina was ist nur los mit dir? Du hast ihn doch auch gehasst!" Sie murmelte etwas vor sich hin und seufzte niedergeschlagen.

„Ich habe noch jemanden eingeladen und du willst mir jetzt meine Hochzeit ruinieren?", fragte sie mit zittriger Stimme. Meine Augen hatte ich geschlossen und konnte nur ahnen was gerade passierte.
Meine Mutter sagte die ganze Zeit über nichts.

„Baby nein. Natürlich will ich das nicht, aber du weißt doch wie es Seren ging. Wie kannst du dann jetzt diesen.. diesen Hund hierherholen?", keifte Baran. Ich riss die Hände nun runter und sprang auf.

Ich bin hier! Ich höre genau was ihr sagt also hört auf über meinem Kopf her zu reden!", meckerte ich sie an, doch eher meine Familie, nicht Alina, da sie schon genug traurig war,„Hört auf mich so zu behandeln als wäre ich ein zerbrechliches Porzellan und könnte keine eigenen Entscheidungen treffen! Kenan bleibt. Ich bleibe genau wie ihr alle. In diesem Saal befinden sich zweihundert Leute und mit Sicherheit würde ich ihm nicht gezwungen über den Weg laufen! Jetzt hört auf, auf meiner besten Freundin herumzutrampeln, weil sie ihn eingeladen hat! Ich komme damit klar, also solltet ihr es auch." Baran schob seinen Kiefer vor und ich sah die Fäuste die er ballte.

„Komm Alina.", schnaubte ich und griff nach ihrer Hand ehe ich sie hinauszog. Im Flur rannten kleine Kinder umher und unter ihnen erkannte ich Ece und Lia.
Wir blieben im Flur stehen und ich sah sie an.

„Wieso hast du Kenan eingeladen?", flüsterte ich und sah sie mit zusammengezogenen Augenbrauen an. Ich wusste nicht was ich dazu sagen sollte. Es verwirrte mich.
Soweit ich wusste hasste sie ihn, sogar sehr. Genau wie meine Familie, doch warum lud sie ihn dann zu ihrer Hochzeit ein?

„Weil.. Tut mir leid Seren, aber vorgestern Nacht hatte ich ungewollt zugehört.", erklärte sie beschämt,„Ihr wolltet reden, habe ich mitbekommen, und gestern warst du den ganzen Tag bei mir und hast sicherlich nicht in zwei Sekunden, die du alleine warst, mit ihm gesprochen." Ich legte den Kopf schief und sah sie überrascht an.
Alina wollte mich und Kenan zum Reden bringen? Sie? Das war unfassbar!

„Du hast mir doch damals gesagt ich sollte seine Nummer löschen und ihn aus meinem Leben streichen.", erinnerte ich sie an die Anfangstage, als Kenan gegangen war,„Wieso willst du uns jetzt zueinander führen?" Sie seufzte und machte einen Schritt zu, dabei legte sie die Arme um meine Schultern.

„Weil, meine liebe beste Freundin, ich sehe wie du ihn ansiehst.", antwortete sie mir und irgendwas in mir schmolz auf,„Und ich sehe auch, wie er dich trotz allem ansieht. Ihr beide solltet wirklich reden." Mein Mund öffnete sich ein Stück und sie zwang sich ein Lächeln auf.
Sie war ein verdammter Engel! Nach Ella natürlich..

„Hier seid ihr!", rief eine aufgedrehte Stimme und zwei Blondinen kamen auf uns zu,„Wir dachten schon die Familie des Bräutigams hätte die Braut entführt!" Lara zog an Alinas Händen und Ella hakte sich bei mir ein.
Alina wirkte wieder ganz fröhlich, als hätte sie sich gerade nicht mit ihrem Mann und seiner Familie gestritten.
Wir vier betraten wieder den Saal und jeder war ganz in feierlicher Stimmung. Sie schienen kaum Wind davon bekommen zu haben, dass wir fehlten.

[...]

Zwei Uhr fünfunddreißig.
Um halb drei verließen auch die letzten uns. Meine Freunde waren alle in irgendeinem Klub und tanzten sich dort die Seele hinaus. Meine Eltern waren längst zuhause und Alinas Eltern kümmerten sich um den Flug, der in zwei Stunden losgehen sollte.
Baran und Alina flogen schon heute in die Flitterwochen, nach London. Super Wahl im Winter.

Ich hatte keine Lust weiter zu tanzen, weil ich unglaublich müde war, also blieb ich hier im Saal und half dem Team dabei aufzuräumen. In einer halben Stunde würde Erkan mich abholen kommen, weil er aus dem Klub ginge.

Die Hochzeit war einfach toll. Baran und Alina hatten sich auch wieder vertragen nach der kurzen Auseinandersetzung. Jeder hatte seinen Spaß und lachte, tanzte und trank auch.
Nur Kenan nicht.
Den ganzen Abend hatte ich ihn nicht auf der Tanzfläche gesehen. Einige Male entdeckte ich ihn an Tischen, alleine. Oder mit Emin und Serdar.
Aber er schien allgemein nicht froh darüber hier gewesen zu sein. Genau wie Baran. Ich glaubte Kenan hatte mich nicht einmal gesehen, weil sich unsere Blicke nie kreuzten. Wir sind uns auch den ganzen Abend lang nicht über den Weg gelaufen, was irgendwie traurig war, weil Alina doch geplant hatte, dass wir redeten. Aber es hätte sowieso nicht funktioniert, weil mein Vater immer ein Auge auf mich geworfen hatte. Das andere auf Kenan. Es stellte ihm wirklich die Haare im Nacken auf, dass er hier war.

Ich schmiss den Müll von den Tischen in die Müllbeutel und stapelte die Schüsseln, in denen sie zuvor lagen.
Es waren mit mir zwölf Personen, die aufräumten. Zum Glück war es nicht allzu viel. Mit der Zeit würde ich unglaublich müde und bekam die Nachricht von Erkan, dass er sich auf den Weg machen würde.
Somit holte ich all meinen Zeug und verließ den Saal. In der kühlen Winterluft blieb ich stehen und verschränkte die Arme vor der Brust. Die Luft, die ich ausblies wurde eine weiße Wolke.

Meine Augenlider waren so schwer und ich war unglaublich müde. Die letzten Tage hatte ich meinen Schlafrhythmus total durcheinander gebracht. Das konnte heiter werden es wieder hinzubekommen.

„Seren?", ertönte es rechts von mir. Sofort folgte ich der Stimme und Kenan stand dort. Seine Schultern angespannt und seine Hände in den Taschen des Mantels vergraben. Ich legte den Kopf schief und sah in sein Gesicht. Er war blass und seine Nasenspitze rot. Stand er die ganze Zeit über hier?

Das ist so schade.. Hochzeiten sind so besonders, aber sie zu schreiben ist sooo langweilig. Es läuft immer gleich ab: Tanzen, essen, Tanzen, noch mehr Tanzen und dann irgendwas romantisches, dann Tanzen und irgendwann gehen.
Aber jetzt ist die Nachparty wichtig. Die Feier ist vorbei, aber es wird jetzt spannend hehe 😏

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