103|die eigene Schuld

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„Geschtern war Enes bei mir. Ich wollte es dir sagen.", murmelte sie und streckte die Hand nach mir aus,„Es tut mir leid." Ich fing ruckartig ihre Hand in der Luft auf ehe sie mich berühren konnte.
Was zum Teufel bedeutete das? Was verdammt?

~

Ich übergab sie Erkan, der ihr stützend unter die Arme griff. Seren gähnte und lehnte sich gegen seine Brust.
Ich war so wütend auf sie und erst recht auf diesen Bastard. Am liebsten würde ich zu ihm nachhause fahren und ihm den Kopf abreißen. Nein ihm qualvoll Schmerzen bereiten.
Was würde ich mit Seren tun? Ich hatte keine Ahnung. Ich konnte gerade nicht vernünftig nachdenken.

„Psh schlaf jetzt doch mal ein.", flüsterte Erkan und tätschelte ihren Kopf. Ich sah sie matt an.

„Er hat mich am Ende eine Hure genannt weißt du das? So so so gemein.", lallte Seren und wollte meine Hand erneut greifen, die ich sofort wegzog.

„Du bringst sie dann rein ja?", fragte ich mit rauer Stimme und sah von Seren zu ihm. Er sah ebenfalls zu mir und nickte.

„Mach ich.", antwortete er verschlafen,„Ist alles gut? Du siehst irgendwie fertig aus." Ich nickte nur und öffnete die Autotür.

„Gute Nacht.", verabschiedete ich mich und stieg ein. Erkan murmelte noch ein leises Tschüss und Seren kam auf das Auto zu, doch ich fuhr davon ohne sie nochmal anzusehen.

Seren

Ich wachte heute Morgen mit höllischen Kopfschmerzen auf, war aber zum Glück nicht verkatert.
Meine Eltern fragten mich beim Frühstück bloß ob es mir Spaß gemacht hatte und hielten keine Predigt darüber, dass ich getrunken hatte. Erkan rief mich auch später an und erklärte, dass er mich nachhause gebracht hatte und ich schlief, als er mich ins Haus trug. Das erklärte also wieso meine Eltern nichts sagten.

Meine Erinnerungen zu gestern waren ein Stück weit verblasst. Ich erinnerte mich daran mit Kenan getanzt zu haben, irgendwann etwas getrunken zu haben und ab da war alles verschwommen, bis zu dem Kuss, der noch blass hervorstach.
Wann wir gingen, wann Erkan bei uns war und wann ich überhaupt in meinem Bett war, war wie rausgeschnitten.

Momentan saß ich mit Lewis und Ella in der Bibliothek. Wir arbeiteten getrennt und jeder sah in seine eigenen Notizen.
Ella als auch Lewis waren konzentriert und schrieben sich irgendetwas nieder während ich von meinem Buch immer wieder aufsah.
Ich hatte Kenan noch gar nicht gesehen und er hatte sich auch noch gar nicht gemeldet.
Ich hatte ihn angerufen, aber er ging nicht ran, weshalb ich es dann auch fürs Erste beließ.
Aber das war jetzt schon eine Stunde her und er hatte nicht zurückgerufen.

Ich seufzte und sah wieder vor mich. Ella sah flüchtig auf, doch versank wieder in ihren Aufgaben. Das ging so nicht weiter. Ich konnte mich nicht konzentrieren.
Schon sprang ich auf und sammelte all meine Sachen ein und packte sie in die Tasche.

„Was machst du?", fragte Lewis abwesend und sah mich nicht an. Ella hingegen legte ihren Stift aus der Hand.

„Ich suche Kenan. Wir sehen uns gleich im Hörsaal.", verabschiedete ich mich und warf den beiden einen Luftkuss zu. Sie winkten mir zu und ich verließ die Bibliothek.
Es dauerte auch nicht allzu lange.
Sobald ich in den Flur trat erkannte ich Kenan mit Serdar gemeinsam, die lässig und mit herablassendem Blick durch die Menge gingen. Irgendwas war an ihm anders. Dafür brauchte ich nicht einmal weiter nachzusehen. Kenan sah angespannt aus, hatte die Augenbrauen zusammengezogen und einen finsteren Blick drauf. Wieso sah er jeden so an?

Ich ging auf sie zu und Serdar entdeckte mich als erstes. Er lächelte kurz und klopfte Kenan auf die Schulter, sagte etwas und deutete auf mich. Kenan sah über seine Schulter zu mir und augenblicklich blieb ich stehen.
Sowie Kenan mich gerade ansah, stockte mir der Atem. Noch nie hatte er mich so angesehen.
Wütend, verspottend und auch angewidert.

Kenan drehte um und ging einfach weiter während Serdar selbst verwirrt stehenblieb ne zwischen ihm und mir hersah. Wieso ging er einfach weiter? Serdar eilte ihm hinterher und ich umfasste den Gurt meiner Tasche.
Das konnte er nicht bringen.
Sofort eilte ich zu ihnen und sobald ich hinter ihnen stand griff ich nach Kenans Arm. Er blieb stehen und drehte sich zu mir, dabei löste er seinen Arm aus meinem Griff.

„Ich äh.. gehe schon mal.", sprach Serdar zu allererst und ging schon weiter. Ich wagte einen Blick hoch in Kenans Gesicht und seine Kiefermuskel traten enorm hervor, als würde er sich gleich die Zähne ausbeißen.
Ich schluckte schwer. Einmal. Zweimal.

„Was ist los?", fragte ich vorsichtig. Sein Brustkorb hob sich stark an und er atmete langsam wieder aus. War er wütend auf mich? Aber was hatte ich getan? Soweit ich es in Erinnerung hatte, hatten wir uns amüsiert und nichts war vorgefallen, dass er mich nun so ansehen konnte.

„Tu nicht so als wüsstest du nicht weshalb ich angepisst bin.", sagte er in tiefer, sehr tiefer und rauer Stimme. Unter seinen Augen waren dunkle Augenringe. Hatte er überhaupt geschlafen? Er sah total erschöpft aus. Verwirrt sah ich ihn an.

„Ich tue nicht so, ich weiß es nicht.", stellte ich klar. Er sah an mir vorbei und schob sein Kinn vor, dabei trat er einen Schritt näher und sah zu mir herunter.

„Du hast ausgeplappert, dass Enes bei dir war.", ließ er mich wissen. Ich trat zurück und sah ihn mit großen Augen an. Das hatte ich getan? Wann? Wieso konnte ich mich nicht daran erinnern? Oh verdammt! Ich wollte es ihm doch sagen, aber nicht, wenn ich betrunken war und keinen anständigen Satz rausbrachte!

„K-Kenan ich.. Ich wollte es dir sagen-..", machte ich klar, doch er brachte mich zum Schweigen indem er einen Schritt zurücktrat.

„Das hast du gestern auch gesagt.", flüsterte er und die Klingel läutete,„Ich will darüber nicht sprechen. Lass mich in Ruhe." Er drehte um und ging. Ich blieb wie versteinert stehen.
Wieso trank ich noch? Jedes verdammte Mal passierte irgendein Mist. Das sagte ich jedes Mal. Und jedes Mal trank ich wieder.
Scheiße was hatte ich zu Kenan denn gesagt, dass er nicht einmal darüber sprechen wollte?

Während der Vorlesung konnte ich nicht vernünftig zuhören und mich konzentrieren sowieso nicht. Die Worte prallten alle an mir vorbei. Lewis vergewisserte sich einmal ob es mir gut ginge, was ich nur mit einem Nicken bestätigte.
Nach fünfzehn Minuten griff ich nach meinem Telefon und rief meinen Nachrichtenverlauf mit Kenan auf.

»Bitte lass uns darüber reden. Meine Eltern kommen heute sehr spät nachhause. Ich habe keine Ahnung was gestern passiert ist, bitte. -Seren«

Ich schickte die Nachricht ab und legte mein Telefon an die Seite. Es dauerte zehn Minuten bis ich eine Nachricht bekam.

»Bin um vier bei dir. -Kenan«

Erleichtert atmete ich aus. Aber das hieß nicht, dass er nicht mehr wütend war. Es bedeutete, dass er eine Erklärung verlangte. Die würde ich ihm natürlich geben. Ich würde ihm erzählen weshalb Enes bei mir war und wie es verlaufen war.
Oh man.. Toller Mist, in den ich mich selbst ritt.

Kenan ist sauerrr
Ich denke heute kommt kein weiteres Kapitel, weil ich den ganzen Tag weg sein werde.
Denkt ihr er wird ihr zuhören und alles wird geklärt werden? 🌚

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