67|der Missbrauch des Vertrauens

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„Könnten wir kurz spazieren oder so?", fragte er ruhig. Ich nickte und stand auf. Die anderen drei blieben stumm und sahen zu wie ich meine Tasche nahm und an Kenan vorbei zur Tür ging. Er folgte mir und kurz darauf waren wir beide aus Emins Haus raus.

~

Wir setzten uns auf eine Bank, die an diesem kleinen Park lag. Immer wieder fanden wir uns an Parks wieder, wenn wir redeten.
Es war schon ein Muss geworden.

„Ich habe versucht die Aufnahmen zu kriegen.", fing Kenan sofort an über dieses Thema zu sprechen und fuhr sich durch die Haare,„Aber der Typ wollte mir nichts geben. Aber ich schwöre es dir. Enes ist ein verlogener Bastard." Ich zog meine Füße ein und wackelte mit ihnen bis ich wieder locker ließ und meine Hände in den Schoß fallen ließ.

„Er wurde heute angerufen.", erzählte ich ohne Augenkontakt aufzubauen,„Eine seiner Affären war dran und hat davon gesprochen sein Geschenk für heute zu sein. Also er hat heute Geburtstag, deswegen." Von Kenan kam nichts mehr und ich fing erst jetzt so wirklich an zu realisieren wie schlecht behandelt wurde.
Er zwang mich unterbewusst dazu bei sich zu bleiben. Enes brauchte nur Schmerzen vorzutäuschen oder davon zu sprechen wie glücklich ich ihn denn machte und sofort waren mir die Hände gebunden.
Verdammt er wusste es! Er wusste es und drängte mich trotzdem dazu bei ihm zu bleiben.

„Also.. weißt du jetzt, dass er dich betrügt?", vergewisserte Kenan sich und ich sah nun zu ihm. Er sah mich mit großen Augen an, die mich neugierig musterten.
Schon fast wie ein kleines Kind, welches auf ein neues Spielzeug wartete.

„Wir haben uns auch geküsst als ich noch mit ihm verlobt war.", erinnerte ich ihn an den Kuss, der mich total überrumpelte und unerwartet aufkam.
Konnte ich denn überhaupt sauer auf ihn sein, wenn ich doch auch einen anderen geküsst hatte?

„War? Das heißt ihr seid es nicht mehr?", fragte er und seine Mundwinkel zuckten hoch, doch ich erkannte, dass er sich von Innen auf die Wangen biss um nicht breit zu Grinsen.
Ich nickte.

„Ich wollte mich sowieso trennen, aber konnte es nicht. Entweder hat die Zeit nicht gepasst, er hat mir nicht zugehört oder mir so vieles eingeredet, dass ich mir einfach gemein vorkam, wenn ich das tun würde.", versuchte ich mein Verhalten zu erklären und seufzte,„Und somit wurde mein Vertrauen ein weiteres Mal missbraucht."
Es war doch lächerlich. Wirklich. Vor fast zwei Jahren saß ich mit Enes zusammen und sprach darüber wie Kenan mein Vertrauen verbrauchte und nun tat ich das selbe nur waren ihre Rollen vertauscht.

„Das ist wirklich scheiße. Tut mir echt leid.", murmelte er und kratzte sich am Nacken, woraus ich schloss, dass er überfordert damit war,„Aber sieh es doch positiv. Jetzt betrügst du niemanden, wenn ich dich küsse." Ich sah ihn grimmig an, doch die Belustigung war ihm ins Gesicht geschrieben. Er machte doch bloß Spaß.

„Ich küsse erstmal niemanden. Enes hat mich verarscht. Du hast mich verarsc-..", wollte ich sagen, doch er stoppte mich sofort indem er sein Gesicht zu einer zornigen Miene verzog.

„Ich? Nein das habe ich nicht!", redete er sich raus und schüttelte kräftig den Kopf,„Vergiss es Seren. Der Kerl hat Scheiße gebaut, ich.. Joa schon, aber nur als ich dich gehen ließ-.."

„Du hast mich nicht gehen lassen sondern bist selbst gegangen. Da ist ein gewaltiger Unterschied.", unterbrach ich ihn nun und sah hoch in den Himmel, der mittlerweile dunkler wurde,„Wie auch immer. Jedes Mal, wenn ich anfange einem Mann zu vertrauen, tut er mir weh und ich sitze immer irgendwo und heule mir die Augen aus bis ich damit klarkomme, dass dieser Mann fehlt, aber dann kommt er wie aus dem Nichts und ich bin wieder ganz am Anfang." Ein niedergeschlagener Seufzer verließ meinen Mund und ich zog meine Jacke enger um mich. Es wurde ganz schön kalt, es war auch schließlich Winter.

„Bin ich dieser Mann?", flüsterte Kenan plötzlich und ich sah wieder zu ihm,„Ist es dir wegen mir so ergangen?" Seine Augenbrauen zogen sich zornig zusammen, doch er wirkte kein Stück wütend sondern eher reuevoll.

„Ich.. A-Also Kenan..", stotterte ich und strich meine Haare zurück, doch kam zu dem Entschluss, dass ich es einfach erzählen sollte, wie es nun einmal war, schließlich wusste er es im Groben,„Natürlich. Du warst der einzige, den ich liebte und vertraute. Natürlich vertraute ich anderen, aber die Bindung zu dir war eben anders und ich hätte mich von einer Klippe stürzen können, wenn ich wüsste, dass du mich auffängst. Ich glaube man könnte sagen, dass es das Maximum an Vertrauen zwischen uns gab, aber wie aus dem Nichts.. Komplett unerwartet fand ich dich am Flughafen wieder und du hast dich gegen mich entschieden. Jetzt sag mir, was soll ich tun? Ich habe dir schon damals gesagt, dass ich eine Fremde für dich werden würde und du bist mit dem Wissen gegangen."

Er sagte nichts mehr und wendete nun den Blick ab. Starr sah er vor sich und legte die Ellbogen auf den Knien ab.
Ich lehnte mich zurück und sah ebenfalls zu den Reihenhäusern vor uns. Der leere Park befand sich hinter uns.
Ich war einfach nur ratlos.

Erst heute wurde mir ein weiteres Mal bestätigt, dass ich Männern nicht vertrauen sollte, dennoch wünschte und dachte ich mir wie es wäre, wenn Kenan mich nun einfach in die Arme nehmen würde.
Mir zuflüstern würde, dass alles gut werden würde und er die Welt wieder schön machen würde, nur für mich.
Alles wieder geradebiegen würde, nur für mich.
Aber es passierte nun mal nicht. Er saß mit einem Abstand neben mir, sah nicht einmal zu mir und ich saß wie einen vollkommene Idiotin daneben und wollte seine Nähe spüren, wobei er mich doch so tief verletzt hatte.
War das so eine Schwäche für die erste Liebe, dass man immer dieses Gefühl der Geborgenheit fühlen würde?

„Ich war ein Trottel.", murmelte er ganz leise und stützte seinen Kopf ab,„Mir war nicht klar was ich an dir hatte. Ich dachte wirklich, dass ich über dich hinwegkommen würde." Ein spöttisches Lachen entfuhr mir.

„Und jetzt hast du gemerkt, dass das Gegenteil eingetreten ist und willst mich zurück ja?", fragte ich und er sah nun zu mir, dabei lehnte er sich wieder zurück.

„Ich hätte dich nicht verletzen sollen.", brachte er hervor. Ich nickte zustimmend und stand auf.

„Das stimmt.", flüsterte ich und drehte mich wieder zu ihm,„Könntest du mich bitte nachhause fahren? Ich habe kein Ticke oder Geld dabei um eins zu kaufen?" Es dauerte einige Sekunden, doch er fasste sich und nickte, während er ein leises „Klar" flüsterte und aufstand.
Schweigend gingen wir zurück zum Haus und setzten uns in sein Auto, obwohl ich sehr wohl ein Ticket bei mir hatte um mit der Bahn zu fahren.

Sorry für das späte Update, aber ich habe den GANZEN TAG gelernt. Ihr könnt euch nicht vorstellen wie müde ich bin haha
Freue mich auf die Hochzeit 🤪
Nächstes Kapitel widmen wir uns unseren Engelchen Ella.. 🤔

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