#73 Vorwürfe

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Plötzlich spüre ich, wie sich in meiner Hand etwas regt. Ich blicke zu Lunas Gesicht, sie hat ihre Augen etwas geöffnet und sieht mich an. "Luna... Du bist wach...", hauche ich und beginne, etwas zu lächeln. "Ja... Was ist passiert?", fragt sie leise. "Du bist ohnmächtig geworden, gleich nach der Siegerehrung.", antworte ich ihr und streiche sanft über ihre Hand. "Oh Gott... Als alles um mich herum schwarz wurde, dachte ich schon, dass es das gewesen ist..." Ich streiche ihr ein paar Haarsträhnen hinters Ohr. "Du bist doch eine Balsano, und wir Balsanos sind stark. Außerdem würde ich dich nicht gehen lassen. Ich könnte nicht ohne dich leben! Ich weiß jetzt schon nicht mal mehr, wie ich es ohne dich zuhause aushalten werde, während du im Krankenhaus bist..." "Soll das heißen... Ich muss länger hier bleiben?" "Ich weiß es nicht... Aber ich denke schon. Der Arzt kommt morgen zu dir... Dann sagt er dir alles." Luna nickt langsam. "Ich hätte wirklich nicht beim Finale skaten sollen... Und jetzt bereite ich dir wieder so viele Sorgen, weil ich nicht vernünftig war und auf dich gehört habe..." "Du machst dir jetzt keine Vorwürfe! Klar, es war nicht deine beste Idee, aber... Ich hätte mich ja auch durchsetzen und es dir verbieten sollen... Aber das habe ich nicht gemacht, also ist das ganze meine Schuld... Verzeih mir, bitte..." Ich blicke zu Boden.

"Hey, Matteo, sieh mich an.", fordert Luna und ich blicke wieder zu ihr. "Du bist am aller wenigstens schuld hier ran! Ich will nicht wieder hören, dass du dir Vorwürfe machst!" Sie streicht über meine Wange. "Ich liebe dich." "Ich liebe dich noch viel mehr.", sage ich und drücke ihre Hand. "Wir schaffen das, zusammen."


Irgendwann endet dann die Besuchszeit und ich muss gehen. "Ich bring dir morgen ein paar Sachen von zuhause mit. Brauchst du irgendetwas bestimmtes?" Luna scheint kurz zu überlegen. "Ein paar Pullis von dir." Ein Schmunzeln schleicht sich auf meine Lippen und ich nicke. "Bring ich dir mit. Also dann, bis morgen." "Bis morgen, mein Snob. Und gibt unserer Maus heute einen Gute-Nacht-Kuss von mir, ja?" Wieder nicke ich und verlasse dann Lunas Krankenzimmer.

Nachdem ich aus dem Krankenhaus raus bin, mache ich mich auf direktem Weg zum Roller. Erstens um Lia abzuholen, zweitens um unseren Freunden ihre Fragen zu beantworten.



Als ich ins Roller komme, ist fast alles leer, nur unsere Freunde und Trainerinnen sind noch da. Es wurde anscheinend nicht mehr viel gefeiert. "Hey.", begrüße ich sie. "Matteo! Wie geht's Luna?", fragt Jim und ich seufze. "Sie ist soweit stabil... Aber laut dem Arzt verschlechtert sich ihr Zustand täglich.", antworte ich und nehme Lia auf meinen Arm, die auf Yams Schoß saß. "Warum habt ihr denn jetzt nichts gesagt?", will Ámbar wissen. "Luna wollte es nicht... Sie wollte euch keine Sorgen bereiten und es euch nach dem Finale sagen..." "Ich wusste doch, dass da was nicht stimmt...", murmelt Yam und ich blicke sie an. "Jim und ich haben Luna dazu überredet, zum Arzt zu gehen. Als wir sie dann gefragt haben, was denn dort rausgekommen ist, meinte sie, alles sei gut... Natürlich haben wir ihr nicht geglaubt.", erklärt sie und ich nicke langsam. "Und... Wird sie es denn jetzt schaffen?", fragt Gastón. "Ganz ehrlich... Keine Ahnung. Die Chemos schlagen nicht an, also bisher... Eine Stammzellspende wäre ideal, aber bis man den passenden Spender findet, kann es oft Monate dauern..." "Hey, Kopf hoch, Balsano. Sie schafft das schon.", sagt Ramiro und dann ziehen sie mich alle in eine Gruppenumarmung.

"Denkst du, wir können sie mal besuchen?", fragt Nina mich dann. "Bestimmt. Luna würde sich bestimmt freuen, wenn ihr vorbei kommt.", antworte ich und Nina nickt etwas. "Ich glaube, wir sollten jetzt langsam alle nach Hause gehen, es ist schon spät und wir haben einen langen Tag hinter uns.", meint Tamara und wir stimmen ihr zu. Also verabschieden wir uns voneinander und machen uns alle auf den Weg nach Hause.


Zuhause mache ich Lia bettfertig und bringe sie ins Bett, zum Glück schläft sie heute schnell ein. Ich selber gehe auch duschen und ziehe mir irgendetwas zum Schlafen an, dann rufe ich noch kurz Maria an und erzähle ihnen, dass Luna im Krankenhaus ist. Sie ist total besorgt und geschockt, verständlicher Weise. Nach dem Telefonat mache ich das Licht aus, lege mein Handy bei Seite und schließe meine Augen. Ich mache mir immer noch voll die Vorwürfe, dass es meine Schuld ist, dass Luna im Krankenhaus ist... Ich hätte ihr verbieten sollen, zu skaten! Warum kann ich mich bei ihr nie durchsetzen?

Ach Luna...

Ob sie wohl schon schläft?



*nächster Morgen*

Am späten Vormittag klopfe ich an Lunas Zimmertür an. "Ja!", ruft sie und ich trete ein. "Hey, mein Schatz. Tut mir leid, dass ich erst jetzt komme, aber ich habe Lia noch zu Maria und Francisco gebracht.", sage ich und schließe die Tür hinter mir. "Alles gut, du musst dich für gar nichts bei mir entschuldigen." Sie lächelt mich etwas an. "Wie geht's dir?", frage ich und setze mich zu ihr ans Bett. "Geht soweit, der Arzt war gerade eben hier.", antwortet sie. "Und, was hat er gesagt?" "Also... Morgen kriege ich eine weitere Chemo. Und wie lange ich hier bleiben muss... Das weiß er noch nicht. Vermutlich wirklich so lange, bis ich meine Stammzellspende bekommen habe... Insofern ich überhaupt eine bekommen werde." Ich nicke langsam. "Gib die Hoffnung nicht auf." Jetzt lächle ich sie etwas an und drücke ihre Hand.

"Gut, anderes Thema. Ich hab dir deine Sachen mitgebracht. Ich hoffe, das passt einigermaßen. Ich hab dir ein paar Pyjamas, Pullis, T-Shirts, Jogginghosen, Unterwäsche, Socken, Legins, Strickjacken und Hausschuhe eingepackt, natürlich auch deinen Kulturbeutel und die gewünschten Pullis von mir. Dein Handy und ein Ladekabel sind auch in der Tasche.", sage ich. "Danke Schatz, das passt schon so. Dann kann ich mich gleich umziehen, ich hab es satt, in diesem komischen Patientenhemdchen hier herum zu liegen." Luna steht auf und öffnet die Tasche, in der die Sachen liegen, die ich ihr mitgebracht habe. Sie kramt sich eine Jogginghose und einen meiner Pullis raus, dazu ihren Kulturbeutel. "Ich bin kurz im Bad.", sagt sie und verschwindet dort.

Während Luna also im Bad ist, räume ich schonmal ihre Sachen in den Kleiderschrank in ihrem Krankenzimmer ein. Mir bricht es das Herz, dass sie jetzt so lange hier bleiben muss. Aber irgendwo ist es auch besser... Hier kann sie versorgt werden, falls es ihr schlechter gehen sollte. Würde sie jetzt zuhause nochmal umfallen sollte, könnte ich wieder nicht viel machen, außer Panik zu schieben und den Krankenwagen zu rufen...


"Ich hätte meine Sachen später auch selber in den Schrank einräumen können.", ertönt ihre engelsgleiche dann hinter mir und ich drehe mich um, augenblicklich erscheint ein Schmunzeln auf meinen Lippen. Mein schwarzer Pulli reicht ihr bis zu den Knien und die Ärmel sind viel zu lang, aber es sieht verdammt süß an ihr aus. "Du siehst verdammt süß in meinem Pulli aus, Lieferfee.", sage ich. "Aber jetzt geht's wieder ins Bett mit dir." Luna verdreht grinsend die Augen und geht wieder ins Bett. "Du kannst diesen Aufpassermodus auch echt nicht ablegen, oder?", fragt sie und ich schüttele bloß grinsend meinen Kopf.



Luna ist also aufgewacht und soweit wohl auf, also den Umständen entsprechend... Ob das wohl so bleiben wird? Seid gespannt!


Lutteo - Alles perfekt, oder doch nicht?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt