#92 Wieder wach

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*nächster Morgen*

*Lunas Sicht*

Mühsam öffne ich meine Augen. Es brauch einige Sekunden, bis ich sie wirklich offen habe und auch offen halten kann.

Was ist passiert? Lebe ich noch?

Ich probiere, mich etwas umzuschauen. Groß gelingt mir das nicht, denn aufsetzen kann ich mich nicht, ich bin zu schwach und anscheinend an irgendwelche Geräte angeschlossen. Also lebe ich wohl noch.


"Senora Balsano, Sie sind wach!" Eine Krankenschwester kommt auf mich zu. War sie schon die ganze Zeit im Zimmer? Ich hab sie gar nicht bemerkt. "Wie geht's Ihnen? Haben Sie irgendwelche Beschwerden?" Ich schüttele schwach den Kopf und sie nimmt mir die Sauerstoffmaske vom Gesicht. "Kriegen Sie gut Luft?" Ich nicke und sammele mich kurz, um etwas zu sagen.

"W-was ist passiert?", frage ich leise. "Was ist denn das letzte, woran Sie sich erinnern?", stellt sie eine Gegenfrage und ich überlege kurz.

Eine dunkele Stimme, ein Tor, Lia und Matteo... Das schießt mir als erstes in den Kopf und nach und nach erinnere ich mich genau.

"Eine dunkele Stimme fragte mich, ob ich wirklich gehen will und meine Liebsten hier zurück lassen will. Ich sah erst mich, wie ich leblos auf meinem Krankenbett lag, umzingelt von Ärzten und Krankenschwestern, die mich reanimierten... Dann schwebte ich vor einem Tor und mir wurde ein Bild gezeigt, mein Mann und meine Tochter... Ein Bild, wie er verzweifelt weinend vor einem Grab steht, auf seinem Arm unsere Kleine... Ich dachte nur einen Moment daran, dass ich ihnen es nicht antuen kann, zu gehen... Danach war alles schwarz."

"Das war Ihre Nahetoderfahrung, Senora Balsano.", sagt die Krankenschwester und checkt etwas auf dem Überwachungsmonitor neben mir.

"N-nahetoderfahrung?"

"Ja, Sie hatten einen Herzstillstand. Erinnern Sie sich, der Abend, als Ihr Herz so unregelmäßig geschlagen hat? Der Arzt hat Ihnen eine Herzrhytmusstörung diagnostiziert, die durch das Herzrasen wegen der Leukämie entstanden ist. Wir haben Sie zur Überwachung angeschlossen und Ihnen Medikamente gegeben, aber ein paar Stunden später hat Ihr Herz aufgehört zu schlagen und für einen Moment waren Sie tot. Aber Sie wurden wiedergeholt und lagen jetzt etwa 28 Stunden im leichten Koma.", erklärt sie mir und ich bin schockiert.

Ich war wirklich kurz tot?

"Nahetoderfahrungen sind bei allen unterschiedlich, aber am Ende haben alle, die überleben, den selben Grund gehabt, um weiterzuleben: Ihre Liebsten. Ihnen wurde das Bild Ihrer Familie gezeigt und sofort haben Sie verstanden, dass Sie bleiben müssen.", sagt sie. "Ihnen scheint es soweit ganz gut zu gehen, Sie haben Ihre Zeit im Koma gut zum Erholen genutzt. Der Arzt ist noch nicht im Haus, aber ganz bestimmt wird er später noch einige Untersuchungen mit Ihnen durchführen und einen Spezialisten aus der Kardiologie holen. Aber jetzt muss ich erstmal Ihren Mann anrufen, ich habe ihm versprochen, sofort Bescheid zu geben, wenn sie aufwachen." "Warten Sie, wie spät ist es?", frage ich. "Kurz nach fünf am Morgen.", antwortet sie. "Rufen Sie ihn bitte nicht an, er wird ja sicherlich bald kommen. Ich will ihn nicht unnötig aus dem Schlaf reißen. Außerdem kann er ja nicht einfach unsere Kleine alleine zuhause lassen." Die Krankenschwester schaut mich an. "Na gut, wenn Sie das so wollen. Aber passen Sie ja auf, dass ich keinen Ärger mit ihm kriege, weil ich seiner Bitte nicht angekommen bin.", schmunzelt sie und zwinkert mir zu, dann verlässt sie das Zimmer.


Stunden vergehen, in denen ich einfach in meinem Bett liege. Einmal werden mir irgendwelche Medikamente gebracht und etwas zu trinken, essen soll ich erst zum Mittag etwas. Auf meine Bitte hat eine andere Krankenschwester als vorhin, die mir auch die Medikamente gebracht hat, den Fernseher angeschaltet und jetzt schaue ich Frühstücksfernsehen. Die reden über allerhand Müll, aber was besseres kommt zur Zeit nicht, also muss ich mich damit wohl zufrieden geben.

Interessant wird es erst, als plötzlich ein Foto von Matteo und mir im Hintergrund eingeblendet wird. Gespannt lausche ich dem, was die Moderatoren sagen.

"Na, kennen Sie die beiden? Ganz richtig, das sind Luna und Matteo Balsano, sie gehören zu den zurzeit beliebtesten Persönlichkeiten in ganz Argentinien. Gestern um Mitternacht veröffentlichte Matteo seine neue Single No te voy a fallar, doch sonst ist es relativ still um die zwei Sternchen.", spricht die Moderatorin und der Mann neben ihr übernimmt das Wort. "Unzählige Theorien werden im Internet diskutiert, warum es so still um sie sein könnte. Ein zweites Baby, ein Todesfall, ein neues Projekt oder gar eine Krankheit sind die Topvermutungen der Fans." Auf dem Bildschirm im Hintergrund erscheint ein Video. "Ein Fan filmte gestern dieses Video und stellte es ins Netz. Man sieht Matteo, wie er ein Krankenhaus in Buenos Aires verlässt, sichtlich aufgebracht. Ein anderer Fan berichtet, er habe ihn in eine Wäscherei und alleine einkaufen gehen gesehen. Ist einfach nur die Waschmaschine der Balsanos kaputt oder... Man vermutet nun, dass Luna Balsano im Krankenhaus liegt, Matteo sie besucht hat und er die Wäsche in die Wäscherei gebracht hat, weil er selber keine Wäsche waschen kann. Ist das etwas dran? Was denken Sie? Schreiben Sie uns gerne über unsere sozialen Netzwerke und wir reden etwas später weiter über die Balsanos und Ihre Meinung!"

Ich angele mir die Fernbedienung vom Nachttisch, auch wenn ziemlich umständlich, und schalte den Schrott an.

Das ist verdammt weit hergeholt, aber verdammt wahr. Warum mischt sich die Öffentlichkeit immer ein? Das sind die Nachteile davon, wenn man in der Öffentlichkeit steht...

Und was, Matteo war in der Wäscherei? Das hat er gar nicht erzählt. Gut, ich war jetzt über einen ganzen Tag lang im Koma, vielleicht war er währenddessen dort.


Apropos Matteo... Wann kommt er denn endlich? Ich will ihn endlich sehen, ihn und sein dämliches Snob-Grinsen. Ich will ihm die Sorgen nehmen, die er sich wahrscheinlich gerade macht. Die Verzweiflung und Trauer, den Frust.

Mein armer Snob... Er muss so viel durchmachen, nur wegen mir. Ich bereite ihm das Leben so schwer, er würde es ohne mich viel leichter haben.

Tränen steigen in meine Augen, Schuldgefühle kommen in mir hoch. Ich will Matteo das alles doch nicht antun! Wie schlimm muss es für ihn gewesen sein, als er erfahren hat, dass ich fast gestorben bin? Nein, ich will es mir gar nicht vorstellen...


Plötzlich klopft es an meiner Tür. Ich wische mir schnell die Tränen aus dem Gesicht, ziehe kurz die Nase hoch und warte dann, bis die Tür aufgeht und die Person davor eintritt...



Na, wer ist da wohl an der Tür? ;)

Und ist es für euch verständlich, dass Luna so sehr von der Öffentlichkeit genervt ist, weil sie so sehr um ihre Probleme spekulieren?

Lutteo - Alles perfekt, oder doch nicht?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt