#85 Der Traum

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*am Morgen*

Ich habe die restliche Nacht kein Auge zu getan. Zwar hat Luna ja das Beruhigungsmittel bekommen, trotzdem wollte ich sichergehen, dass sie nicht wieder von einem ihrer Alpträume geplagt wird.

Gegen halb acht kommt bereits die Krankenschwester mit Lunas Medikamenten. Während sie diese einnimmt, verschwinde ich kurz ins Bad, um mich wenigstens ein bisschen frisch zu machen. Im Spiegel sehe ich, dass mich Luna in der Nacht ziemlich am Auge erwischt hat, es ist blau und geschwollen. Ich sollte es dann zuhause dringend kühlen.

Ich schreibe auch Ámbar kurz eine Nachricht, dass mit Luna soweit alles wieder in Ordnung ist und ich bald nach Hause komme.


Als ich wieder ins Zimmer komme, frühstückt Luna bereits. Sie scheint langsam wieder Appetit zu haben, was ja schonmal gut ist.

Für mich hat die Schwester anscheinend auch Frühstück gebracht, denn ein zweites Tablet steht auf dem Tisch. "Ich hätte mit dem Frühstücken vielleicht auf dich warten sollen, tut mir leid." Luna lächelt mich entschuldigend an, ich winke ab. "Alles gut, iss du nur!", sage ich und setze mich, mit dem Tablett auf dem Schoß, auf einen Stuhl neben ihr Bett.

"So, und jetzt erzählst du mir, was du da geträumt hast. Muss ja was echt grausames gewesen sein, wenn du einen solchen Anfall hattest." Verwirrt sieht mich meine Frau an. "Anfall? Ich hatte einen Anfall?", fragt sie und ich nicke. "Erinnerst du dich nicht?" Sie schüttelt den Kopf. "Also, ich erinnere mich an den Traum, aber an nichts weiter... Warte, bis du deshalb hier?" "Naja, du hattest wegen diesem Traum einen ziemlich starken Anfall... Niemand hier hat dich beruhigt bekommen, also haben die mich mitten in der Nacht angerufen und ich bin her. Also ja, deshalb bin ich auch hier. Ich hab dich dann zwar beruhigt bekommen, aber mein Auge musste ich opfern." Ich deute etwas schmunzelnd auf mein blaues Auge. "Oh je! Matteo, es tut mir so leid! Das wollte ich definitiv nicht! Oh Gott, hast du Schmerzen? Soll ein Arzt mal raufschauen? Brauchst du was zum Kühlen?" "Hey, hey, hey, ganz ruhig!", lache ich. "Erstens brauchst du dich nicht zu entschuldigen, zweitens kühle ich es dann später zu Hause und drittens ist es nur ein  blaues Auge, kein gebrochener Knochen, also komm ich klar. Aber jetzt erzähl mal von deinem Traum." Luna nickt langsam.


"Also... Es fing damit an, dass ich ganz normal im Bett geschlafen habe, bei uns zuhause, aber du warst nicht da. Plötzlich kam mein leiblicher Vater... Er sah schrecklich aus, vermutlich so, wie er nach dem Autounfall damals aussah... Er meinte, ich solle mit ihm kommen, weil meine Zeit gekommen ist. Er hat seine Hand nach mir ausgestreckt, aber ich bin vor ihm weggerannt... Aber jedes Mal ist er wieder vor mir aufgetaucht und meinte immer wieder, ich solle mit ihm kommen... Ich habe mich geweigert und geschrien, dass ich leben will, dass ich nicht mit ihm kommen werde, dass er nicht mein Vater für mich ist. Er wurde wütend und wollte anfangen, mich zu schlagen... Wahrscheinlich bis zum Tod, damit ich dann mit ihm komme... Ich bin ihm immer wieder entkommen, aber er ist mir hinterher. Ich habe geschrien und bin aus dem Haus gerannt, vorher waren wir nur im Haus... Ich bin auf die Straße gerannt, ohne nach links und rechts zu gucken. Dann kam ein Auto, am Steuer saß mein Vater... Er wollte mich unbedingt tot sehen, mich bei sich im Jenseits haben. Aber bevor noch irgendetwas passieren konnte, war ich wach."

"Okay... Aber du hast wirklich kein Mal zugestimmt, mit ihm zu kommen?" "Nein, natürlich nicht! Ich hab irgendwann mal gelesen, dass es kein gutes Zeichen ist, sowas zu träumen... Und man sollte auf keinen Fall mit der toten Person mitgehen..." "Ja... Das hab ich auch gelesen.", sage ich. "Aber jetzt ist alles wieder gut. Pass nur auf, ein Krankenpfleger ist jetzt nicht ganz so gut auf dich zu sprechen, du hast ihm ganz schön eine gescheuert. Du hast echt Kraft drauf, Lieferfee." Luna lacht. "Man sollte sich nicht mit mir anlegen." Ich nicke und streiche ein paar Haarsträhnen hinter ihr Ohr. "Moment... Wenn du bei mir bist... Ist Lia dann alleine zuhause?!" Die Panik steht ihr plötzlich ins Gesicht geschrieben. "Hey, ganz ruhig. Denkst du echt, ich würde sie alleine zuhause lassen? Ich bitte dich, Luna! Ich hab Ámbar in der Nacht angerufen und sie uns Simón passen bei uns zuhause auf sie auf. Also bleib ganz ruhig, sie ist in den besten Händen!" Luna läuft etwas rot an. "Ehm ja, natürlich... Tut mir leid... Ist ja klar, dass du die Kleine nicht alleine lassen würdest... Im Gegensatz zu mir..." Sie spielt schon wieder auf die Entführung an. "Hey, alles ist gut. Reden wir nicht mehr davon." Ich streiche über ihre Wange und Luna nickt kurz.

"Schatz, würde es dir was ausmachen, wenn ich gleich nach dem Frühstück nach Hause fahre?", frage ich sie dann. "Nein, natürlich nicht! Fahr ruhig, alles gut." Ich lächle sie an. "Du bist die Beste, weißt du das eigentlich?" Wie immer errötet Luna, wenn ich ihr ein Kompliment mache. "Danke, danke für alles, mein Snob. Ich weiß nicht, was ich ohne dich machen würde. Ich meine, du bist mitten in der Nacht hergekommen, nur wegen mir! Ich weiß wirklich nicht, wie ich dir jemals für alles danken kann. Ich liebe dich so sehr." Ich lächle wieder und muss mich echt zurückhalten, sie jetzt nicht gleich zu küssen. "Süße, ich liebe dich noch mehr und will kein Danke mehr hören!" Ich nehme ihre Hand. "Wir beide, gegen den Rest der Welt, für immer." Luna nickt. "Für immer."



Etwa eine Stunde später parke ich in unserer Auffahrt und schließe die Haustür auf. Sofort umgibt mich der Geruch von Kaffee und Pancakes, Simón und Ámbar haben sich wohl in der Küche bedient.

Da gehe ich auch direkt hin, nachdem ich meine Schuhe aushabe. "Hey ihr zwei.", begrüße ich die beiden und gehe dann zu meiner Tochter, die in ihrem Hochstuhl sitzt. "Hallo, meine Kleine." Ich drücke ihr einen Kuss aufs Haar. "Matteo, wie geht's Luna?", fragt Ámbar, die am Herd steht und anscheinend die Pancakes macht. "Sie hat sich wieder beruhigt und joa, soweit halt den Umständen entsprechend.", antworte ich. "Und danke, dass ihr wirklich mitten in der Nacht gekommen seid. Ich bin euch was schuldig!" Simón winkt ab. "Ach was, sieh es einfach als Freundschaftsdienst. Ist doch eigentlich selbstverständlich!" Ich nicke dankend und klatsche mich mit ihm ab. "Wir haben uns mal zum Frühstücken in eurer Küche bedient.", meint die Blondine und stellt einen Teller mit Pancakes auf den Tisch. "Nein, alles gut, natürlich dürft ihr das!", sage ich und setze mich mit an den Tisch. "Ich hab zwar schon im Krankenhaus gefrühstückt, aber Pancakes passen immer rein."

Gerade, als ich in meinen Pancake beißen will, klingelt mein Handy. Ich hab eine Nachricht von Gastón bekommen.

Dein Interview ist fürs Promimagazin, ein Tag vor Songrealese. Um 12 Uhr musst du im Fernsehstudio sein. Wenn du willst, werde ich natürlich immer mitbekommen, wie immer. Und denk dran, in einer halben Stunde im Aufnahmestudio! Bis dann!


"Oh shit...", murmele ich. "Ehm... Könntet ihr noch ein paar Stunden länger auf Lia aufpassen? Ich hab in einer halben Stunde einen wichtigen Termin und ihn in der ganzen Stress komplett vergessen." Ámbar und Simón nicken gleichzeitig. "Klar, kein Problem.", sagt sie. "Super, danke! Ich bin dann mal weg." Ich springe auf und will schon wieder aus dem Haus rennen, aber Ámbar hält mich noch auf. "Willst du dich vorher nicht noch umziehen und so?" Ich klatsche mir mit der flachen Hand gegen die Stirn. "Stimmt, das sollte ich wohl!" Ich renne also nach oben und schreibe noch schnell Gastón, dass ich eine halbe Stunde später komme. Warum, erzähle ich ihm dann. Erstmal muss ich mich beeilen, damit ich den Song heute noch aufnehmen kann!

Lutteo - Alles perfekt, oder doch nicht?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt