Kapitel 67

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Mit meiner Tasche bewaffnet eilte ich durch die Straßen von Köln, entschlossen meiner Schwester noch kurz einen letzten Besuch abzustatten, bevor ich mich wahrscheinlich eine längere Zeit nicht mehr in dieser Stadt blicken lassen würde. Aber es war verständlich, oder? Der Schock über das eben geschehene lag mir mich in den Knochen und mich schauderte es immer noch, wenn ich an die Situation dachte. Vor allem... Es kam so unerwartet. Ich hatte ihm vertraut, dass er sich zurückhielt, mir nicht gelüstete, aber da hatte ich mich wohl getäuscht. 

Das er betrunken war, zählte für mich nicht als Ausrede. Wie sehr ich doch all dieses Zeug hasste, dass dir deine Sinne vernebelt, dich deinen Körper nicht mehr kontrollieren lässt. Ich hatte nie verstanden, warum genau Menschen so etwas freiwillig zu sich nahmen. Genau deswegen hatte ich in meinem Leben noch nie Alkohol für etwas anderes als Genuss genutzt. Das hieß, wenn ich, als ich siebzehn gewesen war, mit meiner Familie griechisch Essen gegangen war, dass es einfach zur Mahlzeit dazugehört hatte. Nicht, weil ich Spaß daran hatte, mich volllaufen zu lassen. Auch hatte ich noch nie 'richtige' Drogen genommen. Alkohol oder Medikamente zählten nicht.

Den inzwischen vertrauten Weg lief ich wie in Trance, einfach, weil ich zu durcheinander war, was meine Gefühle anbelangte. Einerseits war ich übertrieben enttäuscht von ihm, immerhin hatte er mein Vertrauen missbraucht. Aber dann dachte ich daran, wie sehr ihn das alles belastete, dass seine Liebe unerwidert bleib und auch bleiben würde und wie ich ihm davor sogar noch angedeutete, aber unabsichtliche Hoffnungen gemacht hatte, und und und...

Ich fühlte mich wie ein Fass, dessen Inhalt gleich über den Rand hinauslief. Meine Gefühle sprudelten so vielfältig und so unkontrollierbar, dass ich mir wirklich wie ein überlaufendes Fass vorkam. Aber ein Gedanke hatte sich in meinem Hinterkopf eigenistet: Was ist, wenn ich wirklich falsch gehandelt hatte? Was, wenn er nun die Freundschaft zu mir abbrach, nur weil ich so rücksichtslos bin? Im nachhinein, wenn ich genauer darüber nachdachte, tat es mir so unglaublich Leid, dass ich einfach auf seinen Gefühlen herumtrampelte. Was er wohl gerade tat? Ging es ihm schon besser? Immerhin hatte ich ihn in seine Kronjuwelen getreten, was sicher weh getan hatte.

Ich war so in Gedanken, dass ich fast an dem grauen Betonblock vorbeigelaufen wäre. Aber nur fast. Der Weg zum Krankenzimmer von Julia war mir ebenso vertraut und so musste ich nicht viel überlegen und stand schließlich vor ihrer Türe. Ebenso gedankenverloren öffnete ich ihre Türe und fand sie schlafend vor. Enttäuscht seufzte ich auf. Normalerweise war sie doch immer wach.. Doch, als ich mich auf den Stuhl neben ihrem Bett breit machte und in mein Handy einen kleinen Abschiedsbrief eintippte, rührte sie sich plötzlich und schaute mich, nachdem sie sich im Zimmer kurz umgesehen hatte, überrascht an. "Manu? Was machst du denn hier" Ihr Blick viel auf die Tasche, die ich neben dem Stuhl abgestellt hatte. "Fährst du heute schon? Ich dachte, dass du erst übermorgen fährst" Sie sah mich prüfend an und meinte anschließend: "Okay, es ist etwas passiert, schieß los!"

Dann erzählte ich.  

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Endlos Telenovela...(#kürbistumor)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt