Der frische Geruch nach Regen begleitete uns auf dem Weg über den Friedhof. In meiner Kindheit hatte sich ein Ereignis in mein Gedächtnis eingeprägt. Ich hatte auf meinem Bett gelegen und unten meine Mutter und meine Tante streiten hören. Weil ich ihnen nicht mehr lauschen gewollt hatte, hatte ich beschlossen meine neue CD von den fünf Freunden anzuhören. Die mir vertraute Titelmelodie hatte mich aufgeheitert und bald schon hatte ich dem Klang des Regens gelauscht, den an meine Fensterscheiben schlug, während Ann zu Georg meinte, dass sie fände, Regen würde nach Frische riechen wie gewaschene Wäsche und es wäre, als hätte jemand die ganze Welt gewaschen. Eifrig und neugierig hatte ich das Fenster geöffnet und musste ihr Recht geben. Als ich eine dreiviertel Stunde später nach unten gekommen war, hatte meine Mutter weinend am Küchentisch gesessen mit einer roten Wange, die mich schlimmstes vermuten hat lassen. Es war gekommen, wie es sein musste. Meine Tante hatte ihre Schwester wie so oft im Streit geschlagen und war abgehauen. An den Zorn und die Trauer, dir ich zu dem Zeitpunkt, ich war ungefähr acht, empfand, konnte ich bis heute erinnern. Anns Satz, hatte sich wie gestanzt in mein Hirn genistet und ich musste jedes Mal daran denken, wenn es nach Regen aussah.
Genau als ich dieses Gedanken zu Ende geführt hatte, spürte ich erste Tropfen auf meinen Schultern und meinen Haaren. Es fing an zu nieseln. Unsicher sah ich Palle an. Dieser blickte einmal kurz gehn' Himmel, dann seufzte er leise. "Perfektes Wetter" er sprach so leise, dass ich ihn kaum verstehen konnte. Ich wusste nicht, wann wir jemals geistig so nahe waren, es war, als könnte er in mich sehen. Es war wunderschön, aber auch so traurig, weil es den Tod einer sehr geliebten Person gebraucht hatte für diesen Moment.
Bis wir an der kleinen Grube mit einem Holzkreuz angekommen waren, war der Boden matschig. Der Pfarrer, dessen Gewand so nass war, dass es um seine Schultern und den Nacken dunkel verfärbt war, stellte sich neben das Loch. Auf der anderen Seite stand ein Topf mit Erde und eine Schale mit weißen Rosenblättern.
Mit einem schmerzhaften Stich in meiner Brust betrachtete ich die zarten, an manchen Stellen leicht verwelkten Blütenblätter an und stellte mir vor, wie begeistert Julia wohl gewesen wäre, wenn sie gewusst hätte, dass ihr Grab mit Rosen bedeckt werden würde.. 'Stop, Manuel. Lass das! Hör auf sowas zu denken, sie ist nicht da und sie wird nie wieder zurückkommen, egal wie sehr du es dir wünscht. Sie ist weg. Für immer.' gegen meinen Willen begannen mir nach dieser Erkenntnis doch Tränen die Wangen hinunter zu laufen. Palle nahm mich von der Seite in den Arm und küsste meinen Haaransatz. Leise schluchzte ich in seine Anzugjacke und versuchte mühsam, nicht zu zittern. Seine kleine Handbewegung an meiner Schulter beruhigte mich und ich versuchte, mich nur darauf zu konzentrieren. Nur Palles Körperwärme, die angenehm durch die Kleidung zu mir drang, sein Atem konnte ich in seiner Brust hören, gepaart mit Magengeräuschen. Ich löste mich und sah ihn ungläubig an. "Du hast nicht ernsthaft Hunger, oder?" Obwohl meine Wangen noch nass waren, musste ich leise lachen, als er entschuldigend stotterte, dass wir doch heute nichts gegessen hatten. Belustigt schüttelte ich den Kopf, hatte kurz vergessen wo wir waren und warum.Spätestens nach drei Minuten, in denen ich mit dem Gelaber des Pfarrers zugedröhnt worden war, ließ sich kein helles Ziel am Ende des Tunnels mehr erkennen. Es schien endlos, dass wir dem ewigen Geschwätz zuhören mussten, dass Julia 'von Staub zu Staub' und der Erde zurückgegeben werden würde. Ich konnte es nicht mehr hören, was bringt es ihr, ein Teil des Kreislaufs zu sein? Am Ende würden wir doch alle streben, oder? Und ob wir jetzt verrotteten oder nicht, kümmerte doch niemanden, es würde uns nicht zurückbringen, wir waren keine Phönixe, die aus ihrer Asche entstehen konnten.
Nachdem erst die Urne versenkt hatte, hielt er zunächst Weihwasser, dann Weihrauch und schließlich ein Kreuz über das Grab. Ich sah mit müden Augen zu, wie der Pfarrer erst Erde und dann einige Rosenblätter hineinwarf. Auch nur halb realisierte ich, dass meine Mutter und ihr Vater es dem Geistlichen nachmachten und noch eine Weile am Grab stehenblieben. Meine Mutter schluchzte haltlos, ihr aber wurde nur sanft auf die Schulter getätschelt. Ihr Anblick tat weh. Während Patrick mir Trost spendete mit seinem ganzen Herzen hatte Mama niemanden, der ihr half über ihre Trauer hinwegzukommen. Und trotzdem konnte ich mich nicht überwinden von Palles Seite zu weichen und auf sie zuzugehen.
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Endlos Telenovela...(#kürbistumor)
FanfictionAls Manu nach Köln fährt, um seine große Schwester zu besuchen, ahnt er nicht, dass er bald eine Unterkunft bei seinem Freund Paluten finden muss. Für Paluten schien sein Glück perfekt, denn er hatte schon eine Weile das Gefühl, nicht nur gute Freun...