Kapitel 83

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Wieder leicht nervös und verlegen um Worte trafen wir uns am nächsten Tag vor dem Krankenhaus. Den gewohnten Weg lief ich wie im Schlaf und nahm dabei seine Anwesenheit nur schemenhaft war.

Mit einer Mischung aus Erleichterung und Resignation stellte ich fest, dass sich an ihrem Zustand nichts geändert hatte. Ich hockte mich wieder auf den Boden neben ihr Bett und vergaß nun endgültig, dass noch eine zweite Person im Raum war. Erst, als ich eine sanfte Berührung auf meiner Schulter spürte, wurde ich aus meinen tiefsinnigen Gedanken gerissen. Diese Nähe schnürte meine Brust zu und ich wich schnell zurück. Ich versuchte verzweifelt seinen unendlich traurigen Blick zu ignorieren. "Manu?", seine Stimme klang leise, bedrückt. Ich brummte nur und hatte Angst vor der Frage, die er mir bestimmt gleich stellen würde.

"Was ist passiert an dem Tag, wo... Du weißt schon.." Ich seufzte. Bewusst hatte ich das Thema gemieden und vor mich her geschoben, ihm das zu erzählen. Vor allem, weil für mich auch manches noch nicht klar war. Weshalb ich ihm zum Beispiel so plötzlich verziehen hatte. Weshalb ich so eine... Angst vor seiner Nähe hatte.

"Also, du musst es mir nicht erzählen, wenn du nicht magst, aber.. ich möchte es gerne wissen. Vielleicht kann ich dir helfen." Noch einmal seufzte ich. "Nein, nein. Du sollst es schon wissen. Also du hast das Recht darauf." Er sah mich aufmerksam an. "Also... du warst betrunken. Du bist zu deiner Haustüre reingekommen und... du hast irgendwie geglaubt, dass du... dass wir... eine- eine-" Ich stockte, atmete tief durch und sprach weiter, auch wenn es mich einiges an Überwindung kostete. "Eine Beziehung führen", brachte ich es schnell und ein einigermaßen schmerzlos heraus. Er sah beunruhigt aus. "Und du hast... du bist auf mich zugekommen und hast... mich.... geküsst. Und angefasst. Und-" Ich brach ab, weil alles an Emotionen, die ich angestaut hatte, jetzt hervorkamen. Nun wirkte er bedrückt und auch ein bisschen geschockt. Langsam krochen wieder Tränen aus meinen Augen und flossen über meine Gesicht. Der Hand, die er mir wohl tröstend auf die Schulter legen wollte, wich ich aus und ließ ihn kurz schmerzvoll die Augen schließen. 

Eine Weile wussten wir beide nicht, was zu sagen war. Schließlich machte er den Anfang. "Ich wusste nicht, dass es so schlimm war. Es tut mir so unendlich Leid, Manu. Wirklich" Er klang so aufrichtig und von sich selbst geekelt, dass ich ihm nicht länger böse sein konnte. "Nein, Es- es tut mir auch Leid. Ich hätte nicht einfach den Kontakt abbrechen dürfen. Damit habe ich alles nur noch schlimmer gemacht." Schneller rannen die Tränen meine Wangen hinunter. "Nein, Manu, bitte wein' nicht." Allein diese Tatsache, dass er sich so um mich sorgte, ließ meinen Tränenfluss noch schneller werden. Wieder hob er die Hand, zog sie diesmal aber auf halben Weg zögernd zurück.

"Manu...", er klang so traurig, dass mir das Herz brach. Er war ein so guter Mensch und ich tat ihm weh. Trotzig wischte ich mir meine Tränen mit dem Saum meines T-Shirts aus dem Gesicht und stand auf. "Komm, wir wollten frühstücken gehen, oder?" Überrascht und verwirrt zugleich folgte er mir zur Tür heraus, nachdem ich noch einen letzten Blick auf Julia geworfen hatte, die immer noch reglos auf dem Bett lag und wohl gerne Zeuge unserer Versöhnung gewesen wäre.

Endlos Telenovela...(#kürbistumor)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt