Kapitel 105

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Als der Tag gekommen war, standen wir vor meiner Wohnung, die ich, seit wir zusammengekommen waren, nur noch zum Aufnehmen genutzt hatte. Er trug schon einen Anzug mit einer schwarzen Krawatte und sah verboten gut damit aus. Wäre ich heue nicht in so einer depressiven Stimmung und würde nicht zufällig meine Schwester beerdigt werden, hätten wir wahrscheinlich... na, ihr wisst schon.

Als ich auch endlich alles hatte, meinen Anzug würde ich aus meiner richtigen Wohnung holen, fuhren wir mit seinem Auto in Richtung Essen. Ich hatte mir vorgenommen, nicht zu weinen heute. Julia sollte mit einem Lächeln begleitet in die Erde gelassen werden.

Als wir vor meiner Wohnung standen, bat ich Palle draußen zu warten. Ich wusste, dass nicht aufgeräumt war und außerdem stand noch die Maschine herum, über denen Existenz in den vergangenen Wochen keine Gedanken gemacht hatte. Irgendwann würde er meine Wohnung sehen, vielleicht bei mir pennen, aber heute war nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Verständnisvoll wie er war wartete er einfach draußen, bis ich mich umgezogen hatte.

Meine Mutter und Julias Vater hatten sich wirklich an ihren Wunsch gehalten, nicht all zu kirchlich bestattet zu werden und so sparten wir uns den Gang ins Leichenhaus. Als wir stattessen in der Trauerkapelle ankamen, stockte mir der Atem. Alles war mit weißen Rosen geschmückt. Ein Kranz aus eben jenen und ganz dunkelroten, fast schwarz wirkenden, umgab die hölzerne Urne, die vor dem kleinen Altar stand, auf dem eine weiße Decke und viele weitere Rosen lagen. Rosen waren Julias Lieblingsblumen gewesen. Vor allem weiße.

Mit all meiner Konzentration, bekam ich nicht mit, dass meine Mutter mich umarmte und mich fragte, ob alles in Ordnung sein, bekam nicht mit, wie meine Oma, die einzige meiner Großeltern, die noch lebte, mich begrüßte und Palle sie aufklärte, dass es mir verständlicherweise, wie sie sagte, nicht gut ging. Meine Brüder kamen auch zu uns, unterhielten sich mit meinem Freund und versuchten, mich zu trösten. Das einzige, was mir wirklich Trost spendete, war, dass Palle kurz meine Hand griff und fest drückte, um mir zu zeigen, dass er da war.

Bald saßen wir eingeengt zwischen schwarz gekleideten Leuten, von denen mir viele nicht bekannt vorkamen. Wahrscheinlich waren es Freunde von ihr auf Köln gewesen, doch es überraschte mich wirklich, wie viele gekommen waren. Da zeigte sich mal wieder Julias Liebenswürdigkeit. Sie war so nett, so liebevoll und einfach ein Mensch, den man gernhaben musste.

Angestrengt, nicht zu weinen, knüllte ich das Blatt in meiner Hand zusammen, das ich vorlesen sollte. Später.

Paluten neben mir bemerkte es und legte fürsorglich einen Arm um mich. "Shhh, Manu", flüsterte er leise und strich mir über meine Haare. Mir war egal, dass die eine ältere Dame neben mir, meine Großtante, uns seltsam anschaute und lehnte mich gegen Palle, in der Hoffnung, dass er mir durch die Anzüge Wärme schenken könnte. Schutzsuchend kuschelte ich mich an seinen Oberkörper und ließ zu, dass er meine Haare streichelte und mich kurz auf die Stirn küsste. Ich merkte, wie meine Großtante neben mir ein Stück wegrutschte. Palle anscheinend auch, denn er warf ihr über meinen Kopf hinweg einen provozierenden Blick zu, der 'Wenn Sie ein Problem damit haben, verpissen Sie sich', aussagen sollte. Kurz zog ich meine Mundwinkel nach oben, ließ sie aber daraufhin wieder fallen. Wir waren auf einer Beerdigung. Beerdigung!

Ich richtete mich wieder auf, als ich Glocken hörte, die zweimal schlugen und stand, wie alle in meinem Umkreis auf. Ein Pfarrer in violettem Gewand zog zum Altar, küsste ihn und ging zu einem kleinen Steinhocker im Altarraum. Es musste ewig her sein, dass ich in der Kirche war. Bestimmt ein paar Jahre.

Dementsprechend überrascht war ich, als sich alle bekreuzigten und tat ihnen das schnell gleich.

Ich ließ ewiges Geschwafel des Pfarrers über mich ergehen und setzte mich dankbar wieder hin, als es die anderen auch taten. Eine Dame aus der Reihe vor uns, der schon Tränen auf den Wangen glänzten, stand auf und verlas einen Text. "Lob sei dir, Christus", murmelten alle. Dann setzte sie sich wieder.

Endlos Telenovela...(#kürbistumor)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt