Kapitel 103

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Ich renne die Treppen bei Roman so schnell wie möglich runter, ich muss raus hier, einfach nur noch weg! Nicht das er auch noch auf die dumme Idee kommt mir hinterher zu laufen. Endlich in Freiheit draußen vor der Tür, Ringe ich nach Luft, ich brauche Sauerstoff und das Gefühl der kalten Luft in meinen Lungen, ich habe das Gefühl zu Ersticken. Schnappatmend sauge ich soviel Luft in mich hinein wie möglich. Als meine Lungen einigermaßen gesättigt sind und mein mit Hitze befühlter Körper, endlich Kälte spürt, steige ich in mein Auto ein. Wenn ich jetzt keine wartende Katze zuhause gehabt hätte, wäre ich bestimmt direkt zu Kathi gefahren, die hat für alles eine Erklärung oder eine Antwort parat! Aber diesmal kann auch ich nicht mehr auf ihren distanzierten Rat vertrauen. Wer ist schon Kathi? Ich habe bei ihr Lösungen gesucht obwohl ich sie kaum kenne,  nur weil sie mich gerettet hat!
Hatte sie nicht gesagt es wird alles einfacher, nichts ist einfacher! Im Gegenteil es ist alles viel schlimmer, jetzt stehe ich da ohne ihn! Ohne den einzigen Menschen auf dieser Welt dem ich blind vertraut habe!

Ich fahre zu meiner Katze nachhause, die auch sofort angeschlichen kommt mit wedelnden Schwanz, als die Tür aufgeht, wenigstens eine die mich ohne Erwartung liebt. Obwohl
wenn sie ihr Futter nicht rechtzeitig bekommt
auch sehr biestig sein kann. Als ich gerade in Richtung meines Schlafzimmers laufe, komme ich an dem Bild vorbei was ich von meinen Eltern zu Weihnachten geschenkt bekommen habe! Ich stell mich davor und betrachte es sehr lange, ich wünschte ich könnte mich genau an diesen einen Tag zurück beamen. Da war noch alles gut, mein Bruder, Papa und ich in der Badewanne, da waren wir noch naiv glücklich und ohne sorgen! Die einzigen Sorgen waren doch nur, wieviel Süßigkeiten können wir heute ergattern! Das war noch schön, Leo lebte noch, Papa war gesund, Mama lächelte glücklich beim Fotografieren und versuchte uns zu Bändigen
damit das Bild auch bloß gelingt.

Ich schmeiß mich auf mein Bett, fange wieder an zu weinen, hatte ich es nicht satt immer zu weinen und diejenige zu sein, die dauernd traurig und voll mit Problemen ist? Ich wollte das alles nicht mehr sein, ich wollte es nicht mehr ausstrahlen. Warum tut mir mein Herz dann so weh, weil ich von Roman enttäuscht bin? Warum verletzt mich das sosehr? Wie oft hat Eva mich als beste Freundin enttäuscht in Stich gelassen, ich war zwar immer traurig, aber nie hat mir mein Herz soviel Kummer bereitet wie bei ihm! Auf wen soll ich sauer sein? Auf Roman weil er es mir vorenthalten hat und zugesehen hat, wie schlecht es mir geht? Auf Jeff weil er ihn mit hineingezogen hat und er keine andere Wahl hatte als zu schweigen? Oder auf Papa, der zuerst Jeff mit hineingezogen hat
oder auf mich, es zugelassen zu haben? Zugelassen das er mir so wichtig wurde , das mich dieser Schmerz zum verzweifeln bringt! Ich hasse mich dafür das ich so ein kompliziertes Leben habe. Leo hat es gut, er wird verschont von all diesen scheiss!

Ich robb mir regelrecht die Klamotten vom Leib um mich leichter zu fühlen, was nicht unbedingt viel bringt, die Last die ich gerade auf mir spüre ist nicht einfach so wegzubekommen. Irgendwann schlafe ich doch noch vor lauter emotionaler Erschöpfung ein und träume, lauter wilde Sachen. Ich springe aus einem Hubschrauber in die Tiefe, ich sehe schon wie ich dem Boden näher komme, mein Körper schüttet Adrenalin aus und ich bin glücklich. Sogar richtig glücklich, plötzlich ruft Leo „du musst an der Leine ziehen! Lou bitte zieh an der Leine! Bienchen bitte die Leine, du bist noch nicht soweit!" im letzten Moment ziehe ich an der Leine und der Fallschirm öffnet sich. Ich gleite langsam und sanft auf den Boden.

Ich wache total verwirrt auf, das hat sich so real angefühlt als wäre ich wirklich dort gewesen! Dann lächle ich, weil ich Leo seine Stimme seit langem wieder gehört habe, er hat Bienchen gesagt! Er hat immer Bienchen zu mir gesagt, weil ich als kleines Mädchen ein Lieblingskleid hatte und er war der Meinung ich sehe aus wie eine Biene in diesem Kleid! Ich habe immer so getan als würde es mich stören wenn er mich so nannte, aber im geheimen mochte ich sehr!

The art of eye contactWo Geschichten leben. Entdecke jetzt