Auf Halbem Weg - Steffi (1)

Kapitel 5

Eine fremde Nummer. Zögernd ging Steffi ans Handy “Hallo?” “Hey, hier ist Wincent, ähm störe ich gerade?” Also damit hatte Steffi nun absolut nicht gerechnet. Sie setzte sich in ihrem Bett auf. “ Ne Quatsch, alles gut. Aber ich habe ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, dass du anrufst. Was gibts denn?” So genau wusste Wincent eigentlich gar nicht, warum er ausgerechnet Steffis Nummer gewählt hatte. Er kannte sie ja überhaupt nicht. Aber irgendwie fühlte sich das Ende des Abends vorhin so falsch an, sie waren gerade mitten im Gespräch. “Eigentlich wollte ich nur ein bisschen quatschen. Der Tourbus ist gerade losgefahren und in letzter Zeit kann ich dabei immer so schlecht einpennen. Alle anderen scheinbar schon. Und ich wollte niemanden wecken. Außerdem wolltest du mir vorhin noch erzählen, auf welche Konzerte du sonst so gehst. Da sind wir ja gar nicht mehr zu gekommen.” Steffi fing an zu erzählen und schnell merkten sie, dass sie privat einen sehr ähnlichen Musikgeschmack hatten. Und so quatschten sie über Musik, Festivals und Partys, bis es 3 Uhr Nachts war. “Oh shit, wir sind gleich schon in Dortmund. Jetzt muss ich wirklich mal schlafen, damit ich morgen, oder nachher, nicht durchhänge” gähnte Wincent ins Telefon. “Aber es tat wirklich gut, nach nem Konzert mal über was anderes zu quatschen und nicht ständig drüber nachzudenken, war das richtig, was ich so erzählt habe. Habe ich mich versungen? Muss ich die Setlist nochmal ändern? Das kann echt nervig sein, wenn sich die Gedanken nur noch um das eine drehen.” “Das kann ich gut verstehen. Also ich habe morgen Abend/Nacht noch nichts vor. Wenn du willst, meld dich nach dem Konzert gerne.” entgegnete Steffi ihm. “Das Angebot nehme ich gerne an. Schlaf gut und wir hören uns morgen.” Dann hörte Steffi ein leistet tuten. Oh man, hatte sie gerade wirklich 3 Stunden mit Wincent Weiss telefoniert? Bevor sie das Handy zur Seite legte, speicherte sie noch schnell seiner Nummer ein. Das Feld für den Nachnamen ließ sie leer. Falls mal jemand anders ihr Handy in der Hand hat, muss das ja keiner sehen. Mit dem Kontakt sollte sie sehr vorsichtig umgehen. Dann drehte sie sich um und schlief ein.

Der nächste Tag verlief zunächst relativ unspektakulär. Steffi fuhr nach dem Frühstück bei ihren Eltern nach Hause, erledigte dort ein bisschen Haushalt und machte sich dann auf den Weg in die Innenstadt, wo sie mit einer Freundin verabredet war. Auf dem Weg zum Café überlegte sie die ganze Zeit, ob sie Jula von ihrem Tag gestern erzählen sollte. Jula wusste nur, dass sie auf dem Konzert gewesen war. Danach würde sie sicher fragen. So schön Steffi den Gedanken auch fand, dieses kleine Geheimnis für sich zu behalten, wollte sie irgendwie auch gerne mit jemandem darüber sprechen. Jula war zwar häufig “newsgeil” und konnte auch ein richtiges Plappermaul sein. Aber wenn es um etwas ernstes oder vertrauliches ging, konnte man sich zu 100% auf sie verlassen. Steffi entschloss sich, einfach die Situation abzuwarten und die Geschichte nur bei einer passenden Gelegenheit zu erzählen. Diese Gelegenheit bot sich dann sogar schneller, als gedacht. Jula kam ihr schon entgegengelaufen und breitete die Arme aus. “ Schön dich zu sehen, meine Liebe. Aber du siehst ganz schön müde aus. Hast du dir gestern auf dem Konzert noch jemanden klar gemacht?” Wollte sie neugierig wissen. Na klar, ihre vergebenen Freundinnen fragten ständig nach, wann Steffi denn mal jemanden kennenlernte, mit dem es auch etwas ernstes werden kann. Nicht sowas mit dem Typen, was sie die letzten 4 Jahre mitgemacht hatte. “Ich freue mich auch, dich zu sehen. Und nein, ich habe mir gestern auf dem Wincent Weiss Konzert keinen Typen klargemacht. Die Typen, die da waren, wurden wahrscheinlich von ihrer Freundin mitgeschleppt.” “Ach schade, ich dachte du kommst jetzt mal mit der Story von nem heißen Boy um die Ecke” Jula machte einen gespielten Schmollmund. Steffi atmete tief ein. “Vielleicht habe ich ja trotzdem ne witzige Story zu erzählen, in dem auch ein heißer Boy vorkommt, also irgendwie…” Jula war sofort Feuer und Flamme und schaute Steffi erwartungsvoll an. Steffi erzählte ihr die ganze Geschichte und Jula konnte ihren Mund gar nicht mehr schließen. “Erzähl keinen Scheiß, du bist dann einfach mit Wincent Weiss in deinem Auto durch euer Dorf da gefahren und nach dem Konzert habt ihr 3 Stunden telefoniert??? du verarscht mich doch. Wie sieht der denn nochmal aus. Warte, das muss ich jetzt mal googlen”. 

Jula griff nach ihrem Handy, tippte kurz und schaute mich dann wieder mit offenem Mund an. “ Man, das ist ja wirklich ein Hottie, man Steffi, ran da.” “Jula, jetzt mach mal halblang” lachte ich. “wir haben einfach ein bisschen gequatscht, mehr nicht. Ich weiß ja auch gar nicht, ob er sich heute abend wirklich meldet geschweige denn, ob ich ihn je nochmal wieder sehen würde. Ich könnte mir eh nichts mit jemandem vorstellen, der ständig unterwegs ist. Und ne On / Off Geschichte hab ich ja gerade hinter mir, das brauche ich nicht nochmal.” Jula sah mich mitfühlend an. “ Ja da hast du Recht, so nen Mist machst du nicht nochmal mit. Aber eigentlich würde zu dir und deinem Leben ja schon jemand passen, der nicht ständig da wäre und dich umklammert, oder?” Da hatte Jula nicht ganz unrecht. Steffi mochte ihr unbeschwertes Leben und da sie neben ihrem Vollzeitjob am Wochenende noch in einem Escape Room arbeitete, hätte sie aktuell eh wenig Zeit, um eine ernsthafte Beziehung aufzubauen. “Aber halte mich auf jeden Fall auf dem Laufenden, falls er sich nochmal meldet. Habt ihr heute denn schon miteinander geschrieben?” Sie schaute mich erwartungsvoll an. “Ne, was hätte ich denn schreiben sollen? Er ist doch heute sicher viel beschäftigt mit Proben etc. und um 19 Uhr geht ja auch schon das Konzert los.” Dann schlug Steffi vor, das Thema zu wechseln und so erzählte Jula noch von ihrer neuen Arbeit und das ihr Freund es immer noch nicht geschafft hat, ihr einen Antrag zu machen. Von diesen Gedanken war Steffi noch so weit entfernt. 

Dann summte plötzlich Steffis Handy in ihrer Tasche kurz auf, wahrscheinlich eine WhatsApp Nachricht. Steffi sah kurz auf ihre Uhr. Es war 18:30 Uhr. Hatte er ihr etwa vor dem Konzert noch geschrieben? Ach nein, warum sollte er? Aber warum nicht? Steffi versuchte, den Gedanken loszuwerden und schaut auf ihr Handy, Eine Nachricht von Nicole in der Mädelsgruppe. Ob jemand Lust hätte, noch ein Bier trinken zu gehen. Jula las ebenfalls die Nachricht auf ihrem Handy. “Ach das passt ja, Doro und Kathi wären auch dabei. Dann mal los”. Bevor sich die beiden auf den Weg machten zum Treffpunkt, den sie mit Nicole und den anderen Mädels abgemacht hatten, schaute Steffi Jula noch ernst an. “Bitte erzähl das mit Wincent erstmal keinem, ja?” “Natürlich nicht, meine Lippen sind versiegelt” versprach sie Steffi und hielt schwörend ihre Finger in die Luft. Steffi grinste sie an und hakte sich bei ihr ein. Der Abend mit den Mädels war super und sie hatten viel zu lachen. Sie war so froh, ihre Mädels um sich rum zu haben. Verstohlen warf sie einen Blick auf ihr Handy und sah, das es blinkte. Es musste also eine WhatsApp Nachricht eingegangen sein. Sie schaltete das Display an und sofort wurde ihr eine neue Nachricht angezeigt. Wincent: Konzert ist vorbei. Passt dir in ner halben Stunde? Steffi sah auf die Uhr. Er hatte ihr vor 10 Minuten geschrieben. Wenn sie jetzt aufbrechen würde, wäre sie in 15 Minuten zu Hause. Sie warf Jula einen schnellen Blick zu und deutete auf ihr Handy. Jula verstand sofort und nickte ihr leicht zu. “Sorry Mädels, aber ich bin total müde. Ich würde mich gerne hinlegen, damit ich morgen fit bin. Ich wünsche euch noch einen schönen Abend” Steffi verabschiedete sich und ging zu ihrem Rad, mit dem sie schnell nach Hause fuhr. Als sie gerade die Schuhe ausgezogen hatte. klingelte ihr Handy. “Hey, wie war das Konzert?” “Hey, das war großartig, aber wirst du wahrscheinlich morgen auch bei Instagram sehen, ich hab mich mal wieder voll blamiert. Naja die Fans lieben das und irgendwie bin ich ja auch nur ein Mensch” Und dann fing Wincent an, von dem Konzert zu erzählen.