10. November.
Heute fuhr Steffi mit einem ganz komischen Bauchgefühl zur Arbeit. Es war der letzte Tag ihres Kollegen, mit dem sie sich ein Büro geteilt hatte. Sie wusste zwar schon lange, dass er sich beruflich umorientieren wollte, hatte den Gedanken, dass er bald gehen würde, aber bisher immer verdrängt. Als sie im Büro ankam, saß er schon wie gewohnt an seinem Schreibtisch und rief ihr ein fröhliches “Guten Morgen” zu. Steffi holte sich erstmal einen Kaffee und dann begannen sie ihren morgendlichen Plausch über alles, was so passiert war. Diesen mussten sie allerdings kurz halten, denn Steffi hatte noch einige Termine und auch ihr Kollege hatte einiges mit der Übergabe zu tun. Sie hatten also nicht wirklich Zeit zusammen, den letzten Tag im Büro nochmal zu genießen. Steffi graute jetzt schon vor dem Abschied. Er war in den letzten zwei Jahren eine wichtige Bezugsperson im Büro für sie geworden und sie konnte sich immer bei ihm auskotzen, wenn es auf der Arbeit mal nicht lief. Er würde ihr sehr fehlen, auch wenn sie privat Kontakt halten wollten. Aber das wäre eben nicht Gleiche, wie der Kontakt im Büro, sie sahen sich schließlich meistens 5 Tage die Woche, 8 Stunden täglich, wenn Steffi nicht im Home Office war. Gegen Mittag wurden alle Kollegen von ihrem Chef ins Sitzungszimmer gerufen und er hielt eine kleine Abschiedsrede. Steffi stand neben ihrem Kollegen und musste mit den Tränen kämpfen. Sie hasste Abschiede. Am liebsten wäre sie einfach aus dem Raum gelaufen. Bloß weg von hier. Sie wollte auch nicht, dass ihre anderen Kollegen sahen, wie sehr sie mit sich rang, nicht plötzlich loszuheulen. Ihre Kehle schnürte sich zu und sie hoffte einfach, dass dieser Moment ganz schnell vorbeigehen würde. Ihr Kollege bedankte sich nochmal bei allen für die Zusammenarbeit und versprach, sie alle wieder zu besuchen. In dem Moment klingelte es vorne an der Tür auf dem Flur und Steffi nutzte die Gelegenheit zur Flucht. Auf dem Weg zur Tür wischte sie sich schnell die Tränen weg und öffnete dann dem Postboten die Tür.
[2] Als sie zurückging, kamen ihr alle anderen schon entgegen, der Abschied war wohl vorbei. Alle setzten sich wieder an ihren Schreibtisch und arbeiteten weiter. Steffi starrte nur auf ihren Bildschirm und atmete tief durch. “Hey, ich bin doch nicht ganz aus der Welt. Außerdem hast du doch meine Handynummer. Wenn du dich aufregen musst, kannst du das trotzdem bei mir abladen.” Ihr Kollege schaute an seinem Bildschirm vorbei zu Steffi und lächelte sie zuversichtlich an. “Ich weiß, danke.” Dann gingen sie noch ein paar Themen durch, die Steffi von ihm übernehmen musste. Das war auch eine Sache, über die sie sich wahnsinnig aufregte. Von ganz oben wurde entschieden, dass seine Stelle nicht nachbesetzt wird und Steffi und eine weitere Kollegin seine Aufgaben mit übernehmen müssten. Als wenn sie nicht so schon genug zu tun hatte. Bei dem Gedanken wurde ihr ganz schlecht, sie wusste überhaupt nicht, wie sie das alles schaffen sollte, zumal sie mit der anderen Kollegin nicht sonderlich gut klar kam. Um 15 Uhr hatten sie alles besprochen, und ihr Kollege begann, seine Sachen zu packen. “Guck nicht so traurig, das kann ich nicht ab.” sagte er mitleidig. Steffi drehte sich wieder zu ihrem Bildschirm und tippte eine E-Mail. Sie wollte das alles nicht wahrhaben und fühlte sich so alleine und im Stich gelassen. Ihr Kollege hatte beschlossen, sich seinen Kindheitstraum zu erfüllen und zur Polizei zu gehen. Natürlich freute sie sich für ihn, aber sie hätte ihn viel lieber in ihrer Abteilung behalten. “Komm Steffi, lass dich zum Abschied noch einmal drücken.” Er stand mit ausgebreiteten Armen an ihrem Schreibtisch. Zögernd stand sie auf und trat auf ihn zu. Dann ließ sie sich in seine Arme fallen und konnte ihre Tränen in dem Moment nicht mehr zurückhalten. “Du wirst mir fehlen.” schluchzte sie. “Oh Gott, Steffi, bitte nicht weinen. Dann muss ich ja gleich mitweinen.” sagte ihr Kollege traurig. “Dann hau schnell ab. Bitte geh einfach.” sagte sie schnell. Und das tat er dann auch. Steffi setzte sich wieder an ihren Schreibtisch, aber die Tränen liefen immer weiter über ihr Gesicht. Sie kauerte sich hinter ihren Bildschirm und schaute auf die Uhr. Lange würde sie heute auch nicht mehr machen, sie konnte sich eh nicht konzentrieren. Am liebsten hätte sie sofort Wincent angerufen, aber der war heute mit seinem Videodreh beschäftigt und nur sporadisch übers Handy zu erreichen.Sie schrieb ihm eine WhatsApp “Mein Kollege ist jetzt gegangen. Wie ist euer Dreh? können wir heute abend kurz telefonieren? Du fehlst mir.♥” Dann packte sie ihre Sachen zusammen und wollte gerade den PC runterfahren, als eine Kollegin in der Tür stand. “Du gehst schon? Ich bräuchte nochmal ganz dringend eine Auswertung. Könntest du mir die noch kurz ziehen?” Steffi schaute sie an. Das fiel ihr jetzt ein? Konnte das nicht bis morgen warten? “Ja okay, was genau brauchst du denn?” Steffi setzte sich wieder an ihren Platz und schrieb auf, was ihr die Kollegin diktierte.
[3] Sie hasste sich selber dafür, dass sie einfach nicht nein sagen konnte. Am Ende dankte es ihr ja doch keiner, dass sie mal wieder die Letzte im Büro war. Und so machte sie sich mit schlechter Laune an die Auswertung, als ihr Handy aufblinkte. “Lass den Kopf nicht hängen! Wir kommen sehr gut voran, so dass wir gleich schon Feierabend machen. Melde dich einfach, wenn du zuhause bist. Fabi und ich wollen nur noch ein bisschen zocken. Ich liebe dich ♥” Diese Nachricht munterte sie wenigstens ein bisschen auf und sie freute sich, Wincents Stimme zu hören. Durch die Arbeit an dem Album, diverse Shootings für Promotion und dem Videodreh war Wincent aktuell viel in München und sehr beschäftigt. Aber wenn alles gut läuft, würde er in zwei Wochen für ein paar Tage nach Hamburg kommen können. Er hatte mit Kevin die Arbeit so aufgeteilt, dass er in diesen Tagen einige Tonspuren von Hamburg aus aufnehmen konnte und Kevin sie im Studio in München bearbeiten konnte. Durch die erhöhte Arbeitsbelastung bei Steffi war es ihr leider auch nicht möglich, nochmal ein paar Tage frei zu machen oder Home Office in München zu machen. Das nervte sie extrem. Deswegen freute sie es aber um so mehr, dass Wincent darauf Rücksicht nahm und seine Arbeit so plante, dass sie sich trotzdem ein paar Tage Anfang Dezember sehen konnten. Der Rest des Dezembers sah terminlich leider nicht viel besser aus. Aber zu Weihnachten hätten sie dann endlich mal wieder zwei Wochen am Stück Zeit zusammen. Als sie abends telefonierten, erzählte Steffi von dem Abschied und regte sie über ihre Kollegin auf. “Ach man, du Arme. Ich wäre so gerne bei dir gerade. Aber hast du denn mal mit deinem Chef gesprochen? Du machst ja so schon ständig Überstunden. Wie soll das denn gehen, wenn du jetzt noch mehr machen musst?” fragte Wincent besorgt. “Der weiß das, aber die einzige Aussage ist ‘wir haben alle viel zu tun, und was wir nicht schaffen, fällt hintenüber’. Diese Aussage kotzt mich so an. Das ist nicht mein Anspruch an meine Arbeit. Ich will das ja auch vernünftig machen, aber das schaffe ich einfach nicht. Ständig kommt was neues, was ich mal eben schnell machen muss.” “Dann musst du auch mal Nein sagen, macht doch deine Kollegin auch ständig, oder?” Er hörte Steffi seufzen. Das konnte sie nicht gut, das wusste er. Und er konnte es ihr nicht mal verübeln, er war ja selber auch nicht besser, hing hier in München und arbeitete auch fast 24/7. “Ja, ach das wird schon irgendwie. Aber wie lief denn euer Dreh?” versuchte Steffi dann, das Thema zu wechseln und Wincent begann, zu erzählen.
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Auf Halbem Weg - Steffi (1)
FanfictionTeil 1 Steffi und Wincent Steffi (28) gerät durch einen dummen Streich in Kontakt mit Wincent Weiss, den sie bis dahin so gut wie kaum kannte. Wie kam es zu diesem Treffen und wie wird es ausgehen?