Kapitel 71

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Wincent holte tief Luft. “Nun ja, Johannes hatte mich gefragt, ob wir schonmal über Kinderplanung und so gesprochen hätten.” er wurde leicht verlegen und wuschelte sich mit der Hand durch die Haare. “Ich weiß, dass das noch früh ist, aber bisher bist du dem Thema irgendwie immer ausgewichen. Möchtest du überhaupt mal Kinder haben?” fragte er zögerlich und rechnete mit sämtlichen Reaktionen von Steffi. Diese schaute ihn unsicher an. “Wince, sollten wir das wirklich jetzt besprechen? Wir haben gerade unsere erste eigene Wohnung, können wir uns da nicht erstmal drüber freuen?” Sie stand auf und ging zur Balkontür. Wincent stand ebenfalls auf. “Steffi, bitte weich mir nicht aus. Für mich ist das ein sehr wichtiges Thema.” er versuchte, behutsam auf sie einzureden. “Ich will dir keinen Druck machen, wirklich nicht. Natürlich genießen wir hier erstmal unsere Zeit in der Wohnung, alleine. Aber ich würde schon gerne wissen, wie unsere Zukunft mal aussehen könnte.” Steffi drehte sich zu ihm um. “Ich weiß es nicht. Keine Ahnung, wie ich mir meine Zukunft vorstelle.” Sie zuckte mit den Schultern und drehte sich wieder weg. Wincent merkte, dass er hier gerade nicht weiterkam. Wenn er jetzt weiter nachhakte, würde er damit wahrscheinlich noch riskieren, dass sie sich direkt an ihrem ersten Tag in der neuen Wohnung streiten würden. Er zog sie behutsam an sich ran. “Hör zu, ich möchte dich damit nicht stressen, okay? Wenn du noch nicht bereit bist, mit mir darüber zu sprechen, ist das okay. Aber versprichst du mir, dass wir da nochmal in Ruhe darüber sprechen? Du brauchst da keine Angst haben.” Er gab ihr einen Kuss auf die Stirn. 

[2] Steffi war froh, dass er nicht weiter nachfragte. Das ging ihr alles zu schnell. Natürlich hatte sie sich schon oft genug den Kopf darüber zerbrochen, was sie eigentlich wollte. Sie war nie ein Mensch gewesen, der einen Plan für ihr Leben hatte. Sie wusste ja häufig noch nicht mal, was sie am nächsten Tag zum Mittag essen wollte und entschied alles spontan und aus dem Bauch heraus. Aber natürlich wusste sie auch, dass das Thema keins war, was man mal eben so spontan entscheiden konnte. Sie konnte Wincent ja auch verstehen, dass er mit ihr darüber sprechen wollte. Und es tat ihr leid, dass sie ihm da noch keine klare Antwort geben konnte. Sie wünschte sich inständig, dass er weiterhin so verständnisvoll blieb und ihr wirklich noch Zeit gab. “Danke.” murmelte sie in seinen Pulli und drückte sich fest an ihn. “Gerne. Aber versprichst du mir etwas? Lass uns heute Abend Spaß haben okay?” er löste sich von ihr und fasste ihr auf die Schultern. “Wir haben heute unsere Wohnung gekauft. Das hier gehört jetzt einfach uns! Wie geil ist das denn.” er breitete die Arme aus. Steffi lächelte ihn an. “Ich freue mich wirklich. Und ja, ich verspreche dir, dass wir das heute abend vernünftig feiern werden!” jetzt klang sie wieder glücklich und freute sich natürlich auch auf den Abend. “So gefällst du mir schon wieder viel besser! Na dann lass uns mal zu Johannes fahren.”

[3] Dort angekommen wurden sie von Johannes und Ina freudestrahlend begrüßt und Johannes drückte beiden direkt eine Flasche Bier in die Hand. “Auf gute Nachbarschaft.” lacht er und dann stießen sie an. Johannes hatte einen Tisch in einem Sushi-Restaurant bestellt. Nach dem Essen machten sie sich dann auf den Weg zu Inas Bar, hier würden sie heute auf jeden Fall ungestört feiern können. Auch wenn die Stimmung super war und alle Spaß hatten, konnte Steffi das Gespräch mit Wincent nicht ganz vergessen. Das blieb wohl auch nicht ganz verborgen. Wincent und Johannes tobten sich gerade auf der Tanzfläche aus, während Steffi sie etwas gedankenverloren beobachtete. “Worüber denkst du nach?” Ina stellte sich neben sie. Sie hatte bemerkt, dass sie schon den ganzen Abend immer mal wieder über etwas nachdachte. Da Johannes ihr von dem Gespräch mit Wincent erzählt hatte, konnte sie sich schon denken, worum es ging. Aber sie wollte sich auch nicht zu sehr aufdrängen. Steffi sah sie ernst an. “Warum habt ihr keine Kinder, Ina? War das eure gezielte Entscheidung?” Okay, das war direkt, dachte Ina und begann, Steffis Frage zu beantworten. “Weißt du, wir sind beide schon so lange im Geschäft und sind sehr freiheitsliebende Menschen. Für uns war zu Beginn unserer Beziehung relativ schnell klar, dass wir da die gleiche Meinung haben. Deswegen war es auch so leicht, mit der Entscheidung zu leben. Schwerer wirds natürlich, wenn die Partner unterschiedliche Meinungen haben. Wieso fragst du?” “Ach, Wincent hat mich vorhin gefragt, wie ich mir meine Zukunft vorstelle, und ich konnte ihm keine Antwort geben. Ich glaube, das hat ihn sehr traurig gemacht. Aber ich bin einfach noch nicht soweit.” Dann sprudelte es nur so aus Steffi raus. “Es ist ja nicht so, dass ich mir das auf keinen Fall vorstellen kann. Ich bin mir sicher, das Wincent dafür der perfekte Partner und Vater wäre. Aber ich habe so Angst, als Mutter zu versagen Ich traue es mir einfach nicht zu, mich um so einen Wurm zu kümmern.”

[4] Daher wehte also der Wind. Steffi hatte scheinbar enorme Selbstzweifel, ob sie dieser Aufgabe überhaupt gerecht werden konnte. “Hör mal zu meine Süße.” sprach Ina in einem mütterlichen Ton. “Dass du noch Zweifel hast und vielleicht auch Angst, ist doch das Normalste der Welt. Das ist eine riesen Herausforderung, aber guck mal, wer das schon alles geschafft hat. Wincent wird dir da keinen Druck machen, aber du solltest ihm deine Gefühle dazu mitteilen. Ihr seid noch so jung und habt alle Zeit der Welt.” Die Worte von Ina taten wirklich gut. “Und ich sags dir ganz ehrlich, manchmal frage ich mich, ob wir wirklich die richtige Entscheidung getroffen haben. das solltest du dich später nicht fragen müssen.” “Danke, Ina. Du hast ja Recht, es wäre unfair, Wincent nicht in meine Gedanken zu lassen. Er ist so toll und war auch so verständnisvoll vorhin.” Ina nahm sie in den Arm. “Ich hab dir doch gesagt, Tante Ina ist immer für dich da! Ihr kriegt das schon hin.”

Auf Halbem Weg - Steffi (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt