Kapitel 109

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Die ersten Leute schauten schon und wichen ein Stück zurück. In dem Moment kam Micha und packte Wincent bestimmt am Arm. “Komm weg hier.” Wincent wollte sich wehren, aber inzwischen hatte auch Steffi die Situation durchblickt und schob ihn an der anderen Schulter in Richtung von Micha, so dass dieser ihn aus der Menge ziehen konnte und in eine Seitenstraße ging. “Was sollte das denn gerade?” fragte Steffi ihn wütend. “Wir lassen euch mal kurz alleine, okay?” Lara und Micha gingen wieder zurück zum Weihnachtsmarkt, aber so, dass sie die beiden noch sehen konnten. “Was wollte der Typ von dir?” fragte Wincent zornig. “Er wollte mir einen Drink ausgeben, aber ich habe das abgelehnt.” Steffi merkte, wie aufgebracht Wincent war und wollte ihm beruhigend an den Arm fassen. Wincent dreht sich weg. “Warum hast du überhaupt mit ihm geredet? Warum hat er dich angefasst?” Steffi schaute ihn fassungslos an. “Willst du mich verarschen? Ich werde ja wohl noch mit anderen Männern reden dürfen. Er ist mir ja nicht um den Hals gefallen. Ich habe ihm gesagt, dass ich kein Interesse habe und einen Freund habe. Deine scheiß Eifersucht geht mir echt auf die Nerven, Wincent.” inzwischen schrie sie ihn fast schon an. “Du kannst mir doch vertrauen. Du hättest dich gerade fast geprügelt, ist dir eigentlich klar, was das bedeutet hätte? Auf einem öffentlichen Platz. Du spinnst doch!” Die Worte trafen Wincent wie ein Schlag und erst jetzt realisierte er, was da gerade eigentlich passiert war. 

[2] “Scheiße man.” rief er und fuhr sich mit seinen Händen durchs Gesicht. “Ich wollte doch nur nicht, dass dir jemand zu nahe kommt.” Aber Steffi war inzwischen so aufgebracht, dass sie seine Entschuldigung gar nicht richtig wahrnahm und schimpfte lauthals weiter. “Wincent, entspann dich mal. Das darf ich immer noch selber entscheiden. Vertrau mir doch einfach mal. Ist das so schwer? Vermittel ich dir etwa immer noch den Eindruck, dass ich mich schnell auf nen anderen Typen einlassen würde? Weißt du, dass mich das ziemlich verletzt? Haben wir nicht vorhin noch im Interview gesagt, dass wir uns zu 100% vertrauen? Wo? Merke ich gerade nicht. Hast du das vorhin einfach nur gesagt, damit wir im Radio gut darstehen?”  Wincent schaute sie erschrocken an. So wütend hatte er sie noch nie erlebt. Er suchte nach Worten, um sich zu verteidigen und dagegenzuhalten. “Ich wollte nur, dass dir nichts passiert. Natürlich vertraue ich dir. Aber es kann sich doch nicht jeder Typ einfach so an dich ranmachen.” “Er hat mir doch nichts getan. Und woher soll er wissen, dass ich einen Freund habe? Du hast mir gerade echt den Abend verdorben. Außerdem ist es auch gut fürs Ego, wenn auch noch andere an mir interessiert sind.” Wütend drehte sie sich um und stapfte davon. Es fiel ihr unglaublich schwer, gerade die Fassung zu behalten und nicht vor Wut in Tränen auszubrechen. Ihr tat es weh, ihn da jetzt so stehen zu lassen, weil sie wusste, dass es ihm unendlich leid tat und er aus reinem Affekt gehandelt hatte. Aber er musste es auch mal lernen, dass das so nicht geht. Er muss endlich mal begreifen, dass nicht jeder andere Kerl ihr etwas böses will und sie sich zumindest bei diesen harmlosen Anmachsprüchen auch gut alleine wehren konnte. Wobei ihren letzten Satz hätte sie wohl doch lieber nicht ausgesprochen. Sie hatte sich so auf den Abend gefreut und jetzt war es ein reines Gefühlschaos. 

[3] “Können wir bitte gehen?” sagte sie genervt zu Lara und Micha, die sie erschrocken ansahen. “Und was ist mit Wincent?” “Das ist mir gerade egal. Der kennt den Weg nach Hause, wenn er jetzt nicht nachkommt.” Micha und Lara sahen sich fragend an. “Ich halte es für keine gute Idee, ihn da jetzt alleine zu lassen. Der Gute ist ziemlich betrunken. Und du auch! Was ist denn da gerade passiert? Ich dachte, ihr klärt das.” “Haben wir geklärt. Ich hab ihm gesagt wie Scheiße ich das fand.” “Ähm, und das nennst du klären?” Lara sah sie verständnislos an. “Ich glaube, ihr habt euch gerade beide etwas hochgeschaukelt, oder?” “Er hat völlig übertrieben, spinnt doch. Hätte hier fast ne Schlägerei angefangen.” Steffi brodelte inzwischen innerlich und war kaum zu beruhigen. “Jetzt mach mal halblang, Steffi. Es ist doch alles gut gegangen. Und ich glaube nicht, dass Wincent wirklich zugeschlagen hätte.” “Auf wessen Seite seid ihr eigentlich? Ach ist auch egal. ich gehe jetzt nach Hause. Macht doch alle, was ihr wollt.” Etwas unkoordiniert stapfte sie sauer davon. Lara und Micha sahen ihr nach. Micha schüttelte den Kopf. “Dieser verdammte Sturkopf. Guckst du nach Wincent? Ich gehe ihr hinterher. Ich hab kein gutes Gefühl, die beiden jetzt hier alleine durch die Stadt laufen zu lassen.” Lara nickte und ging die Straße runter, in der sie Wincent und Steffi alleine gelassen hatten. 

[4] Zum Glück hatte sie ihn dort auch relativ schnell gefunden. Er stand eine Stückchen weiter an einer Brücke und starrte auf das Wasser. Lara stellte sich neben ihn und folgte seinem Blick. “Wo ist Steffi?” fragte Wincent gedankenverloren. “Sie ist auf dem Weg nach Hause. Keine Sorge, Micha ist bei ihr.” “Habe ich so übertrieben mit meiner Reaktion?” Er schaute sie mit seinen rehbraunen Augen an. “Naja, du hättest dich nicht von dem Typen provozieren lassen sollen. Ist doch klar, dass Steffi dann zum einen in ihrer Ehre verletzt ist und auch Angst um dich bekommt.” “Also dass sie Angst um mich hatte, das habe ich nicht gespürt, als sie mich hier eben angeschrien hat.” Er zuckte mit den Schultern. “Naja, du solltest sie inzwischen so gut kennen, dass sie das nur nicht zugeben wollte. Was das betrifft, wird sie ihrem Sternzeichen Steinbock leider ziemlich gerecht.” Wincent seufzte. “Das stimmt, da kann sie echt bockig sein. Ich habe ja versucht, mich zu entschuldigen, aber soweit bin ich gar nicht gekommen…” “Lass uns zurückgehen, und ihr sprecht da morgen drüber, wenn ihr wieder nüchtern seid. Dann sieht das Ganze auch nicht mehr so schlimm aus und alle haben sich beruhigt.” Sie strich Wincent über den Rücken und ehe sie sich versah, nahm Wincent sie in den Arm. “Es tut mir Leid, dass wir euch den Abend versaut haben. Danke dir. Und danke auch nochmal für das Interview.” Dann machten sie sich auf den Weg nach Hause. Wincent war etwas mulmig zumute, denn er wusste nicht genau, wie Steffi reagieren würde und wie er sich verhalten sollte.

Auf Halbem Weg - Steffi (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt