Kapitel 14

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Der Kuss war der Wahnsinn. Steffis Herz schlug so schnell und ihr ganzer Körper kribbelte. War das gerade wirklich passiert? Steffi war eigentlich nicht der romantische Typ und wenn sie diese Szene im Film gesehen hätte, hätte sie sich wahrscheinlich über den Kitsch aufgeregt. Aber jetzt gerade fühlte es sich so perfekt an. Sie konnte seinen Atem spüren und lächtelte ihn an. Auch Wincent musste erstmal realisieren, was da gerade zwischen den beiden passiert war. “Tut mir leid, du wolltest mich ja was fragen” er schaute sie erwartungsvoll an. Am liebsten hätte er sie sofort wieder an sich gezogen, er wollte ihre Lippen spüren und sich komplett fallen lassen. Aber sie klang so ernst. Wollte sie das hier alles vielleicht gar nicht? Aber dann würde sie nicht so süß lächeln und ihn so anschauen.  “Ähm ja, du hast mich gerade ein wenig aus dem Konzept gebracht. Also, eigentlich wollte ich dich fragen, wie du das mit uns siehst, weil ja, ich weiß auch nicht. Ich…”stammelte sie. Was war denn los? “Fuck, Wincent, ich mag dich. Sehr sogar. Ich wollte einfach wissen, woran ich bin.” “Ich glaube, die Antwort auf deine Frage habe ich dir schon gegeben, oder?” jetzt grinste er verschmitzt und endlich hatte Steffi sich wieder einigermaßen gefangen. “Naja, so ganz habe ich das noch nicht verstanden. Kannst du das noch ein bisschen deutlicher sagen?” sie sah ihn fordernd an. “Du meinst so?” Er drückte sie sanft aber bestimmt an die Lehne des Strandkorbes und schob seinen Oberkörper ein Stück über ihren. Steffi legte beide Hände auf seine Schultern und zog ihn an sich ran, bis sich ihre Lippen wieder berührten. Sie küssten sich lange und spielten intensiv mit ihren Zungen. Wie gerne hätte Wincent seine Hände unter ihre Klamotten geschoben. Aber durch die dicken Jacken war das leider unmöglich. Er legte eine Hand auf ihre Brust und fing an, sie langsam zu massieren. Steffis Oberkörper wölbte sich leicht, doch langsam drückte sie ihn ein Stück von sich weg. “Wenn das so weitergeht, bekomme ich gleich keine Luft mehr” sie schnappte nach Luft. “Ich bin einfach atemberaubend” stelle Wincent selbstsicher fest. “Ist klar, du Spinner.” Steffi kicherte und drückte ihm noch einen Schmatzer auf den Mund. 

[2] Wincent lehnte sich ebenfalls an die Rückenlehne des Strandkorbes und atmete tief ein und aus. Diesen Moment würde er nie vergessen. Alles andere hatte er komplett ausgeblendet und er genoss die die Stille. Er legte einen Arm um Steffi und sie kuschelte sich an seine Schulter. “Können wir bitte kurz für immer hier bleiben?” sagte Steffi leise und verträumt. Nichts lieber als das, dachte Wincent. Aber er dachte auch an morgen. Er wollte ihr doch noch seine Stadt zeigen, und nachmittags waren sie ja mit seiner Mutter und seiner Schwester verabredet. “Wir sollten so langsam zurück, bevor wir uns noch völlig verkühlen.” Steffi grummelte, aber er hatte ja Recht. Sie setzte sich auf. Wincent stand auf und reichte ihr die Hand. Steffi ergriff sie und dabei merkte Wincent, wie kalt ihre Hand war. Er griff nach der zweiten und rieb seine daran. Dann zog er sie noch einmal an sich ran, beugte den Kopf zu ihr runter und gab ihr einen zärtlichen Kuss. Dann griff er wieder nach ihrer Hand und sie stapften langsam durch den Sand zurück zur Straße. Wincent war dankbar über die Dunkelheit. Wann hätte er sonst schonmal ungestört mit jemandem Hand in Hand am Strand laufen können? Am Hotel angekommen, blieben sie zögernd stehen. Steffi hatte sich schon auf dem Weg zum Hotel Gedanken darüber gemacht, was wohl gleich passieren würde? Würde er mit auf ihr Zimmer kommen? Wollte sie das überhaupt? Ihr Körper wollte es definitiv! Aber es wäre falsch. “Ich würde dich am liebsten mit nach oben nehmen, aber das sollten wir lassen. Ich möchte später nichts bereuen. Verstehst du das?” Wincent nickte. Natürlich hatte er beim Knutschen im Strandkorb Lust auf mehr von ihr bekommen. Aber er wusste auch, dass es ein Fehler sein könnte. Nach ihren langjährigen Beziehungen hatten sich beide ausgetobt und wussten zu gut, wie es war, wenn man sich zu schnell nur aufs Körperliche konzentrierte. “Schlaf gut.” Steffi schlang nochmal ihre Arme um seine Hüfte und gab ihm einen leidenschaftlichen Kuss. Wincent hielt ihren Kopf in beiden Händen und gab ihr zum Abschied noch einen Kuss auf die Stirn. Dann ging er einen Schritt zurück und machte sich auf den Weg nach Hause. Nach ein paar Schritten schaute er nochmal zurück und winkte Steffi zu. Dann zog er seine Kapuze über den Kopf und bog in die nächste Straße ein. Diese Frau hatte ihn heute komplett verzaubert. Er konnte sich gar nicht erklären, woher plötzlich diese starken Gefühle kamen. Er wollte aber auch gar nicht weiter darüber nachdenken. Sein Therapeut hatte ihm damals geraten, nicht immer über jedes Gefühl, egal ob positiv oder negativ, rumzudenken. Er musste lernen, diese Gefühle einfach zuzulassen. Und das tat er in diesem Moment. Zuhause angekommen, schlüpfte er schnell in sein Bett und schlief mit einem glücklichen Gefühl ein.

[3] Auch Steffi war happy ins Bett gegangen. Es war die richtige Entscheidung, jetzt getrennt voneinander zu schlafen. Ihre Mädels wären stolz auf sie gewesen, dass sie die Kontrolle behalten hatte und nicht wieder alles überstürzt hatte. Was die wohl dazu sagen würden? Jula würde auf jeden Fall ausflippen. Gleich morgen wollte sie ihnen eine Nachricht in die Gruppe schreiben. Aber jetzt wollte sie ganz alleine mit ihren Erinnerungen und Gefühlen sein und es für sich nochmal genießen. Zufrieden schlief auch sie kurze Zeit später ein. Am nächsten Morgen war ein Teil dieser Zufriedenheit gewichen und Unsicherheit hatte sich einen Platz in ihrem Kopf gesucht. Wie würden sie denn heute aufeinander treffen? Würden sie dort weitermachen, wo sie gestern aufgehört hatten? Soweit sie den Tagesplan kannte, waren sie nicht wirklich ungestört. Am liebsten hätte sie heute den ganzen Tag mit ihm allein verbracht. Andererseits freute sie sich auch auf seine Mutter und seine Schwester. Jetzt sogar noch ein bisschen mehr. Vielleicht würde sie sie ja auch demnächst öfter mal sehen. Aber soweit wollte sie noch gar nicht denken. Pünktlich um 10 Uhr stand Wincent mit seinem Auto vor dem Hotel, um Steffi abzuholen. Als sie aus dem Hoteleingang nach draußen trat, stieg er aus, um sie zu begrüßen. Sie umarmten sich und er gab ihr einen leichten Kuss auf die Wange. “ Schön, dich zu sehen.” sagte er sanft in ihr Ohr. dann ließ er sie los und ging wieder auf die Fahrerseite. “Bock auf Pancakes? Her gibt es ein Cafe, wo es die besten auf der ganzen Welt gibt.” rief er über das Autodach zu Steffi. Steffis Magen knurrte nur bei dem Wort Pancakes und sie stieg ein. Als sie sich angeschnallt hatte, hob sie ihre Hand zu einer Faust geballt in die Luft und rief “Auf zur Pancake Mafia”. Wincent lachte und startete den Motor. Ihm fiel ein Stein vom Herzen, dass die Stimmung zwischen ihnen nicht angespannt war. Am liebsten hätte er sie natürlich gepackt und sie geküsst, aber in der Öffentlichkeit wollte er sich doch lieber etwas zurückhalten. Auch Steffi war mehr als froh über den lockeren Start und freute sich auf den Tag. Diesen verbrachten die beiden nach dem Frühstück hauptsächlich im Auto, hörten Musik zu der sie laut mitsangen und alberten rum. Wincent zeigte Steffi dabei ein paar Ecken von Eutin und erzählte ihr, was er dort jeweils so erlebt hatte. “Oh, wir müssen auch gleich mal zurück. in einer halben Stunde sollten wir am Café von Mums Freundin sein.” “Kommen wir dann nochmal am Hotel vorbei? ich würde mir gerne etwas anderes anziehen.” Tollpatschig wie sie war, hatte Steffi sich nämlich direkt beim Frühstück Sirup auf ihren Pulli geschmiert, der jetzt leider einen unschönen Fleck hinterlassen hatte. Zum Glück hatte sie genug Ersatzklamotten eingepackt. 

[4] Wenig später parkten sie vorm Hotel und stiegen aus. “Wo willst du hin?” fragte Steffi etwas irritiert. Sie wollte doch nur kurz nach oben, um den Pulli zu wechseln. “Glaubst du, ich sitze hier in der Kälte im Auto? Ich weiß, was bei euch Frauen ‘mal eben kurz umziehen’ bedeutet.” lachte er und hielt ihr die Eingangstür auf. “Du Blödmann, ich zeig dir, wie schnell das bei mir geht.” Im Hotelzimmer angekommen schmiss sich Wincent aufs Bett. “Na dann los, du hast 30 Sekunden.” Er guckte scherzhaft auf seine Uhr. Als er wieder aufschaute, zog Steffi sich gerade den Pulli über den Kopf. Dabei rutschte auch ihr Shirt etwas nach oben und gewährte Wincent einen kurzen Blick auf ihre nackte Haut. Steffie bemerkte das, aber es störte sie nicht weiter. Sollte er doch ruhig gucken. dann schlüpfte sie in einen frischen Pulli und stellte sich vor den Spiegel, um ihre Haare zu einem Zopf zu binden. Wincent war inzwischen aufgestanden. Er stellte sich hinter sie und nahm ihre Hände behutsam runter. Dabei fiele ihre Haare wieder in ihren Nacken. “Lass sie ruhig offen.” bat er sie, nahm die Haare zu einer Seite, beugte sich zu ihrem Nacken runter und küsste sanft ihr Schlüsselbein. Steffi spürte eine Erregung in ihr. Diese Stelle war besonders empfindlich bei ihr. Langsam schob er seine Hände über ihre Hüften, zum Bauch und ein Stückchen tiefer. Schnell drehte Steffi sich um, so das seine Hände nun auf ihrem Hintern lagen. Er zog sie an sich ran und schon hingen ihre Lippen aneinander. Es fühlte sich genau so vertraut an wie gestern und fast hätten sie sich ineinander verloren. Doch Wincent fing sich rechtzeitig und zog seinen Kopf weg. Er lächelte sie an und sah in ihrem Blick die Bestätigung, dass sie gerade genau so fühlte wie er. Es nützte nichts, seine Familie wartete sicher schon am Café. Und so war es auch.

Auf Halbem Weg - Steffi (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt