Auf Halbem Weg - Steffi (1)

Kapitel 49

“Hallo Yvonne, ich wusste gar nicht, dass du immer noch hier bist.” “Ja, hat sich so ergeben. Bist du startklar für das Interview?” sie strahlte ihn übertrieben an. Eigentlich nicht, dachte er. Warum musste denn ausgerechnet sie das Interview führen? Die beiden kamen zwar grundsätzlich gut miteinander aus, aber sie hatten auch nicht mehr Kontakt als unbedingt nötig. Wincent hatte die Trennung damals in seiner Musik verarbeitet und darüber offen gesprochen, was ihr natürlich nicht so wirklich passte. Andererseits war sie wieder vergeben und es konnte ihr letztendlich auch egal sein. “Alles klar. legen wir los.” Yvonne begann mit ein paar allgemeinen Fragen zu seinen Plänen und seiner aktuellen Tour. “Du hast vor deiner Tour noch einen neuen Song geschrieben. Auf den Konzerten hast du immer davon berichtet, dass dieser Song für eine besondere Person ist. Die Fans spekulieren da natürlich, ob es sich um eine Frau handelt, die es jetzt in deinem Leben gibt. Ist da was dran?” Musste das sein? WIncent rollte mit den Augen. “Ja, ich sage offen, dass ich eine Dame kennengelernt habe und mich aktuell auch mit ihr date. Das können meine Fans ruhig wissen. Da is ja nichts schlimmes dran. Ich bin 27, da darf ich mich wohl auch mit Frauen treffen.” Er versuchte zu lachen, aber es gelang ihm nicht so gut. “Das heißt also, dass du aktuell nicht auf dem Single Markt zu haben bist? Schade für alle da draußen.” lachte sie ihn an. “Nein ich bin gerade nicht zu haben, aber mehr gibt es da aktuell auch nicht zu erzählen.” versuchte er charmant, dass Thema zu beenden. “Sehr interessant.” fuhr Yvonne fort. “Aber ich habe dazu noch eine Frage, die sicher auch die Fans sehr interessiert. Hat das Einfluss auf deine Musik? Es ist ja nicht leicht, eine Beziehung aufrecht zu halten, wenn man so berühmt ist, wie du. Das ist ja auch immer wieder Thema in deinen Liedern.” Wincent wurde innerlich langsam wütend. Was wollte Yvonne damit bezwecken? Das wurde langsam zu persönlich. 

[2] “Naja, nur weil meine letzte Beziehung nicht gehalten hat, muss das ja nicht immer so sein. Aber mehr möchte ich dazu jetzt auch nicht sagen. Ein bisschen Privatleben gibts ja auch noch.” “Naja, bei allen anderen Themen warst du bisher ja auch immer sehr offen.” grinste sie ihn noch an. “Danke, das war Wincent Weiss.” lachte sie zum Schluss noch ins Mikrophon. “Ey Yvonne, was sollte das?” fragte er sie nach dem Interview sauer. “Was meinst du? ich hab nur das gefragt, was die Fans wissen wollen.” sie schaute ihn unschuldig an. “So ein Quatsch, du hast das gefragt, was DU wissen wolltest. Und wenn du es genau wissen willst, ja ich bin in einer Beziehung mit einer tollen Frau.” “Das ist ja schön für dich. Also gibts jetzt demnächst nur noch romantische Liebeslieder? Sowie es nach unserer Trennung nur noch Herzschmerz-Lieder gab?” “Ach so ein Blödsinn. da brauchen wir jetzt auch gar nicht weiter drüber sprechen. Kannst du dich nicht einfach für mich freuen?” er schaute sie ungläubig an. “Ich freue mich ja, aber bist du schon bereit? Du bist doch noch genau an dem gleichen Punkt wie damals, und da hat es nicht funktioniert. Sei einfach ehrlich zu dir selber, und verarsch sie nicht.” Dann drehte sie sich um und ging aus dem Raum. Das hatte gesessen. 

[3] Wincent wusste gar nicht, was er sagen sollte. Sie hatte kein Recht, über ihn zu urteilen. Er hatte sich Hilfe geholt und war definitiv nicht mehr an dem selben Punkt. Aber warum trafen ihn ihre Worte so? Und warum sollte er Steffi verarschen? War Yvonne im tiefen doch noch sauer über die Trennung damals? In seinem Kopf tauchten plötzlich so viele Fragen auf. Viele Erinnerungen von früher kamen hoch. Es waren keine schönen Erinnerungen. Er hatte wieder die vielen Streits im Kopf, die sie wegen seiner Arbeit damals hatten. “Du kannst mich nie glücklich machen” Das waren damals ihre Worte, als sie gegangen war. Er hatte ewig gebraucht, bis er sich das verziehen hatte. Es war nie seine Absicht gewesen, jemanden zu verletzen. Aber aus irgendwelchen Gründen ist es damals dazu gekommen. Und sein Job war nunmal Teil des Problems gewesen. Der gleiche Job, den er jetzt immer noch hatte. Er vergrub seinen Kopf in seinen Händen und versuchte, die Gedanken abzuschütteln. Dann stand er auf, streckte sich einmal und ging zu Fabi in den Nebenraum. Hoffentlich hatte er nichts von dem Streit gehört. Er wollte da jetzt mit keinem drüber reden. Er schaute noch kurz auf sein Handy. Eine Nachricht von Steffi: “Hey, wie war das Interview? ich wünsche dir viel Spaß heute Abend ♥” Er tippte seine Antwort ein “Lief alles gut. Danke. ♥” und schickte sie ab. Auch mit ihr wollte er da erstmal nicht drüber sprechen. Das Interview wurde zum Glück erst in zwei Wochen ausgestrahlt, bis dahin hatte er noch ein bisschen Zeit. Fabi sah Wincent sofort an, dass irgendwas vorgefallen war. Aber er wusste auch gut, wann er ihn darauf ansprechen konnte, und wann nicht. Gerade wirkte Wincents Laune so, als wenn er ihn besser in Ruhe lassen sollte. Also fuhren sie schweigend zurück zur Location und begannen mit dem Soundcheck.

[4] Die nächsten Tage dachte Wincent noch viel über die Worte von Yvonne nach. Das sorgte dafür, dass er sich immer mehr zurückzog. Das bemerkte auch Amelie. Sie hoffte einfach, dass er gerade nur eine kurze Phase hatte und sich sofort melden würde, wenn etwas nicht stimmt. Oder er zumindest mit Steffi oder seiner Therapeutin darüber spricht. Wincent war ganz froh, dass ihn niemand auf seine Stimmung ansprach. Die meisten merkten wahrscheinlich nicht einmal, dass er nicht so gut drauf war. Er konnte es im Beisein der Crew zum Glück gut überspielen. Er wollte gerade einfach alleine sein mit seinen Gedanken. Er musste erstmal alles sortieren. Das Steffi nicht bei ihm war, machte es nicht besser. Oder war es gut, dass sie nicht da war? Er wusste es nicht mehr. Vielleicht klappte es ja, dass sie noch für ein paar Tage kommen konnte. Dann müsste er auf jeden Fall mit ihr über das, was in Berlin passiert war, sprechen. er hörte immer wieder Yvonnes Worte “Du bist doch noch gar nicht bereit. verarsch sie nicht.” Hatte sie am Ende doch Recht? War er nicht bereit für eine Beziehung? Steffi und er bekamen es doch gerade selbst zu spüren, wie schwer es war, mit seinem Job eine Beziehung zu führen. Nicht ohne Grund hatte er darüber ein Lied geschrieben, dass er die Liebe liegen lässt. Er konnte sie scheinbar einfach nicht greifen und festhalten.