Kapitel 9

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Als Steffi zuhause ankam, rief sie sofort Jula an und berichtete von ihrem Tag. “Ach und ich sehe ihn heute abend wieder. und du auch, wenn du Lust hast. Er hat uns zum Konzert eingeladen.” “ Na klar komme ich mit, den muss ich mir mal genauer anschauen. Und du bist dir immer noch sicher, dass das bei euch nur Freundschaft ist?” “Man Jula, keine Ahnung. wir haben uns 2x gesehen und verstehen uns gut. Und ich finde es gut, so wie es gerade ist. Was anderes würde doch auch gar nicht funktionieren bei unseren Jobs.” “Na wenn du meinst, ich freue mich auf jeden Fall auf heute Abend. Wann soll ich da sein?” “Um 17:30 werden wir von Amelie am Hintereingang abgeholt. Komm doch vorher noch auf ein Bier vorbei. Ich glaube, das brauche ich heute.” Pünktlich um 17:30 standen die beiden an der Backstage Tür und kurze Zeit später öffnete Amelie den beiden die Tür. “na dann kommt mal rein.” Begrüßte sie die beiden freundlich. Die beiden folgten ihr und Steffi war froh, dass die Jula mitgenommen hatte. Diese löcherte Amelie mit Fragen und Steffi hatte Zeit, ihre Nervosität in den Griff zu bekommen. Wincent jetzt in seinem gewohnten Umfeld mit all den Leuten zu sehen war nochmal etwas anderes, als alleine mit ihm im Auto zu sitzen oder zu telefonieren. Amelie führte sie in einem Raum, in dem ein Großteil der Crew an einem langen Tisch saß. “Da seid ihr ja, setzt euch. Wollt ihr auch ein Bier?” Ohne die Antwort abzuwarten, sprang Wincent auf und holte ein paar Flaschen aus dem Kühlschrank. Steffi und Jula setzten sich zu der Gruppe und wurden schnell in die Gespräche integriert. “So, gleich ist Showtime”. kam es irgendwann von Amelie. “Und euch beide bringe ich jetzt mal zu den Logenplätzen. Wartet einfach nach der Show dort, wenn ihr wollt könnt ihr danach noch zur Aftershow kommen.” “Aber fahrt ihr nicht direkt nach der Show schon nach Hamburg?” fragte Steffi irritiert. “Nein, das Interview in Hamburg wurde auf Nachmittags verschoben und ich denke, für Wincent ist es ganz gut, wenn er heute im Hotel schlafen kann und morgen ausgeruht nach Hamburg fährt.” dabei zwinkerte sie Steffi leicht zu. 

Hatte sie das Interview etwas extra verschoben, damit Wincent noch hierbleiben konnte? Was wusste Amelie eigentlich über das Verhältnis der beiden? “Dann kommen wir nachher natürlich gerne noch mit.” “Super, dann bis später. Ich muss Wincent auch nochmal eben schnell von der Planänderung berichten. Nach dem Konzert kam Amelie wie versprochen zur Loge. “Du, ich glaube ich würde nicht mehr mitkommen. Ich muss morgen früh aufstehen, wir fahren zu meinen Eltern. Aber ich wünsche euch noch viel Spaß.” Jula drückte Steffi und verabschiedete sich von den beiden. Dann gingen Amelie und Steffi wieder nach hinten. “Schön, dass du noch da bist” strahlte Wincent sie an. Er drückte ihr ein Bier in die Hand und hielt seine Flasche hoch, um der Gruppe zuzuprosten. “Jungs, es war wie immer geil mit euch. Und da ich vorhin erfahren habe, dass wir alle noch eine Nacht hierbleiben, wird das wohl nicht das letzte Bier gewesen sein!” Rief er sichtlich angeheitert in die Gruppe. Kein Wunder, bei der Menge an Schnäpsen und Bier, die er auf der Bühne mit den Fans getrunken hatte. Schnell wurde die Stimmung ausgelassen und es dauerte nicht lange, bis Wincent und Manu tanzend auf dem Tisch standen. Amelie und Steffi standen ein wenig abseits der Jungs und beobachteten diese. “Es ist so schön, ihn so glücklich mit den Jungs nach einem Konzert zu sehen. Es gab da wirklich mal andere Zeiten. Da ist er nach einem Konzert direkt in den Tourbus gegangen und wollte nur allein sein. Ich weiß nicht, wie du das gemacht hast, aber seitdem ihr euch getroffen habt, wirkt er viel ausgeglichener und relaxter.” “ Das kann ich dir gar nicht sagen. Ich war einfach ich und habe ihn ganz normal behandelt und mit ihm gequatscht.” sagte Steffi nachdenklich. “Das ist wahrscheinlich genau der Punkt. Viele können das nicht. Und das verunsichert ihn. Aber gerade verunsichert es mich mehr, dass da inzwischen 5 Personen auf dem Tisch stehen. Hoffentlich hält er das aus.” lachte Amelie. WIe aufs Stichwort rief Wincent “Jungs, ich glaube wir werden zu schwer.” Und sprang vom Tisch. Bei der Landung verlor er das Gleichgewicht und kippte nach hinten über, so dass er wie ein Maikäfer genau vor den Füßen von Steffi und Amelie landete. 

“Hallo” er winkte vom Boden aus zu den beiden Mädels hoch, die ihn nur lachend anstarrten. “ Kann mir mal einer hochhelfen?” Er streckte einen Arm in die Luft. Steffi griff danach und zog an ihm. Wohl etwas doller als gewollt, oder Wincent hatte doch mehr mitgeholfen als gedacht. Er sprang hoch und kam mit etwas zu viel Schwung auf die Beine, so dass er etwas nach vorne kippte und dabei mit seinem Oberkörper gegen Steffi stieß. Um sich zu fangen, schlang er beide Arme um sie und drückte sie fest an sich. “Keine Sorge, das eskaliert sonst nicht so nach den Konzerten. Eigentlich nur beim Abschlusskonzert.” lachte er in ihr Ohr. Dann löste er sich von ihr. Amelie hatte sich in der Zwischenzeit zu den anderen gesetzt. Die beiden schauten sich noch einen Moment lang in die Augen. Dann griff er ihre Hand und zog sie hinter sich her. “Hey, wo wollen wir hin?” “Zu meinem Lieblingsplatz in Bremen. Gut, ich kenne auch nur den.” lachte er und lief los. Draußen steuerte er direkt auf den Skateplatz zu, der vor der Konzerthalle war. Sie kletterten die Rampe hoch und setzten sich oben hin. “ Hier sind wir früher öfter hingefahren zum skaten. Diesem Platz habe ich einige Narben zu verdanken.” Steffi konnte sich sehr gut vorstellen, wie er hier mit seinen Kumpels die Rampen runtergefahren ist. Jetzt wäre das wahrscheinlich nicht mehr so leicht, wenn er ständig erkannt wurde. Sie schaute sich um. Zum Glück waren sie in diesem Moment aber alleine. Erst nach ein paar Minuten bemerkte sie, dass sie fror. Es war März und sie hatte keine Jacke mit rausgenommen. So schnell hatte sie daran nicht gedacht, als Wincent sie nach draußen zog. Auch Wincent schien zu merken, dass ihr kalt wurde. Er legte einen Arm um sie und zog sie dichter an sich ran. Steffi kuschelte sich an seine Seite und legte den Kopf auf seine Schulter. dann spürte sie, wie auch er seinen Kopf an ihren lehnte. Wincent griff nach Steffis Hand und hielt sie einfach nur fest. So saßen die beiden bestimmt 10 Minuten da, ohne ein Wort zu sagen. Da war es wieder, das Gefühl von Geborgenheit und Vertrauen. 

Wincent hätte noch ewig hier mit Steffi sitzen können, aber das Brummen seines Handys holte ihn aus der Vorstellung in das Hier und jetzt zurück. Amelie hatte ihm geschrieben, dass inzwischen alle ins Hotel gegangen waren und sie seine Zimmerkarte an der Rezeption hinterlegt hatte. “Ich glaube, so langsam muss ich auch mal ins Bett. Morgen liegt ja noch einiges an.” flüsterte Wincent mehr, als das er es laut aussprach. “Na dann los.” Steffi rückte von ihm ab und sprang von der Skaterrampe. Wincent tat es ihr gleich. Dann gingen sie los. Das Hotel von Wincent lag direkt auf der anderen Straßenseite. Vor der Tür nahm er Steffi noch einmal in den Arm und gab ihr zum Abschied einen Kuss auf die Stirn. “Morgen um 9 Uhr mit Brötchen bei dir?” Steffi nickte ihm zu und schaute ihm noch einmal tief in die Augen. Dann löste sie sich von ihm und ging nach Hause. Auf dem Weg zu ihrer Wohnung ließ sie den Tag und besonders den Abend noch einmal Revue passieren. Der Moment auf der Skaterrampe war einfach so perfekt. Sie hatte sich so wohl in seinen Armen gefühlt und wäre dort am liebsten geblieben. DIe Gedanken in ihrem Kopf drehten sich. Das war doch vorhin mehr als eine freundschaftliche Umarmung. Sie hatte einige gute männliche Freunde, und mit keinem konnte sie sich vorstellen, so dort zu sitzen, wie mit Wincent. Bei dem Gedanken, ihn morgen wieder zu sehen, machte ihr Herz einen kleinen Sprung.

Auch als sie im Bett lag, ließen sie die Gedanken an Wincent nicht los. und so langsam musste sie sich eingestehen, dass sie sich wohl doch mehr zu ihm hingezogen fühlte, als sie es eigentlich wahrhaben wollte. Sie vergrub ihr Gesicht in ihrem Kissen. Warum fiel es ihr denn so schwer, Gefühle zuzulassen. womöglich hatte sie einfach Angst davor, wieder so verletzt zu werden, wie sie es in den letzten Jahren mehrfach erlebt hatte. Sie musste an Anton denken, mit dem sie die letzten 4 Jahre sowas wie eine F+ hatte. SIe hatten es mehrfach beendet, aber konnten nie so ganz die Finger voneinander lassen. Am Anfang war es für Steffi auch nur Spaß, aber mit der Zeit hatte sie immer mehr Gefühle entwickelt, die mit jedem Ende und Neuanfang wieder durcheinander gebracht wurden. Sie war froh, dass sie vor Weihnachten letzten Jahres endgültig einen Schlussstrich gezogen hatte. Sonst wäre sie vermutlich komplett daran zerbrochen. Sie hatte einfach so eine große Angst davor, wieder verletzt zu werden. War sie überhaupt schon bereit, sich auf etwas neues einzulassen? Andererseits musste sie auch an die Worte von Alina denken. “Nicht jeder Mann ist so ein Arsch. Gib denen, die wirklich Interesse an dir haben, auch eine Chance, in dein Leben zu treten. Das kommt manchmal ganz unverhofft.” Wincent war tatsächlich sehr unverhofft in ihr Leben gestolpert. Bei dem Gedanken, wie er damals an der Tankstelle vor ihr stand, wurde ihr etwas wärmer. Und mit diesem Bild und der Freude auf morgen wollte sie jetzt auch einschlafen. 

Auf Halbem Weg - Steffi (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt