Kapitel 1

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Februar 2019 – in der Nähe von Bremen

Genervt fährt Steffi mit ihrem Auto auf die Tankstelle. Eigentlich wollte sie nach der Arbeit direkt nach Hause fahren und sich entspannt aufs Sofa in Ihrer Wohnung in Bremen legen, aber der Anruf ihrer Mutter hatte diesen Plan durchkreuzt. „Hallo Mausi, hast du heute Abend nicht Lust, mit uns zu dem Konzert in der Stadthalle zu gehen? Dann kannst du auch gerne vorher zum Essen kommen“. Steffi hatte auf der Arbeit noch schnell geschaut, welches Konzert ihre Mutter eigentlich meinte, denn das konnte sie ihr am Telefon gar nicht genau sagen. Ihre Eltern waren mit dem Bürgermeister der Kleinstadt, in der sie wohnten, befreundet und bekamen dadurch häufig Freikarten für Veranstaltungen in der Stadthalle. Wincent Weiss, der Name sagte Steffi etwas. Der hatte doch ein paar Hits im Radio und wenn sie sich richtig erinnerte, war er sowas wie ein Teenie Star. Eigentlich war das überhaupt nicht ihre Musik, aber sie wusste, dass sich ihre Mutter sehr freuen würde, wieder etwas gemeinsam zu unternehmen. Und die Karten waren umsonst. Also sprach eigentlich auch nichts dagegen, sie zu begleiten. 

Steffi konnte zum Glück rechtzeitig Feierabend machen und wollte sich gerne nach dem ganzen Tag im Büro noch etwas Frisches anziehen. Bei einem Blick auf Ihre Tanknadel bemerkte sie allerdings, dass sie es nicht mehr bis zu sich nach Hause schaffen würde, und entschied sich, auf dem Weg von der Arbeit bei einer Tankstelle unterwegs anzuhalten. Sie hätte dann immer noch genug Zeit, zu sich nach Hause zu fahren, die Klamotten zu wechseln um dann zum Essen zu ihren Eltern zu fahren.

Zeitgleich auf der Autobahn kurz vor Bremen:

Wincent drückte nochmal aufs Gaspedal des Sprinters. Im Gepäck hatte er seine Band, mit der er gemeinsam von einem TV Auftritt in einer Morgenshow aus Hamburg kam. Heute Abend steht schon das nächste Konzert in dieser Kleinstadt in der Nähe von Bremen an. Wincent war ein wenig müde von der Fahrt, freute sich aber auch auf das Konzert am Abend. Die Location war eine der kleinsten Hallen auf der aktuellen Tour und er genoss es, hier noch die Nähe zu den Fans zu haben und bis in die letzte Reihe sehen zu können. Sie waren gut in der Zeit und wenn Amelie vor Ort schon alles organisiert hatte, blieben ihm sogar noch 1-2 Stunden Schlaf und Erholung. Seine Bandkollegen waren allerdings das Gegenteil von Müde. In einer Tour alberten sie auf den Rücksitzen herum und klopften dummer Sprüche. „Na das kann ja heute was mit euch werden auf der Bühne“ witzelte Wincent und sah auf die Tankanzeige. Mist, die war schon im roten Bereich und er hatte keine Lust, mit dem letzten Tropfen an der Konzertlocation anzukommen. Dann meckerte Amelie ihn nur wieder an. Also suchte er im Navi schnell die nächste Tankstelle heraus und steuerte sie an. „Ey Jungs, kann einer von euch bitte aussteigen und tanken? Ich würde dann schonmal reingehen und bezahlen. Wir müssen uns ein bisschen beeilen“ Benni sprang vom Beifahrersitz und fing an zu tanken. Die restlichen Jungs überlegten schon die ganze Fahrt über, welchen Streich sie Wincent mal wieder spielen könnten, denn diese kleinen Streiche hatten sich inzwischen auf jeder Tour etabliert. Plötzlich kam Manu auf die Idee: „Warum setzen wir Winnie nicht einfach hier an der Tankstelle aus? Weit kann es ja nicht mehr sein, den Weg kann er doch auch gut zu Fuß laufen. Noch hat er ja auch nicht bezahlt. Und selber Schuld, wenn er die Schlüssel stecken lässt“ Flo öffnete sein Fenster und weihte den noch tankenden Benni ein. Als dieser fertig war, setzte er sich auf den Fahrersitz. Einen Moment später beobachteten die Jungs, wie Wincent in der Tankstelle fertig war mit bezahlen. Benni wartete noch, bis er zur Tür heraustrat, startete den Motor und mit einem Hupen fuhr er davon.

Wincent rief dem Bus noch hinterher, aber seine Band dachte nicht einmal daran, anzuhalten. Und so blieb ihm nichts anderes übrig, als dem Bus nachzuschauen und zu fluchen. Manno, dachte er. Aber eigentlich auch ne ganz witzige Aktion. Er wollte gerade nach seinem Handy greifen, um den Weg zu googlen. „Ach F**k, das liegt ja in der Mittelkonsole“ fluchte er laut. Somit blieb ihm wohl nichts anderes übrig, als jemanden nach dem Weg zu fragen. Man war das peinlich. Hoffentlich erkannte ihn keiner. Sonst wäre diese Story sicher wieder morgen direkt bei Insta auf einer seiner Fan-Meme Seiten zu sehen. Wincent sah sich um. An der Zapfsäule sah er nur einen älteren Mann, der gerade versuchte, seinen Tankdeckel abzuschrauben und einen Familienvater, der sichtlich genervt von den schreienden Kindern im Auto war. Vor ihm stand noch ein kleines Auto ohne Fahrer. Das musste der Wagen der jungen Frau gewesen sein, die nach ihm bezahlt hatte. Er drehte sich zur Tür um und da kam sie auch gerade aus der Tankstelle und ging an ihm vorbei und auf das Auto zu. Sie wirkte von den drei möglichen Personen zum ansprechen auf jeden Fall am sympathischten. 

„Ähm, Entschuldigung, kann ich dich mal kurz was fragen?“ Steffi drehte sich um, um zu schauen, ob sie da gerade angesprochen wurde. Vor ihr stand ein junger Typ, sie schätzte ihn auf Mitte zwanzig.er trug ein schwarzes Shirt und eine schwarze Cap, und sah sehr unscheinbar aus. Trotzdem verspürte Steffi direkt eine Sympathie zu diesem Jungen Mann. Sie nahm auch den leichten Aftershave Duft wahr. Ein Duft, den sie kannte und mochte. „Äh klar, was willst du denn wissen?“ fragte sie leicht verwirrt. Grundsätzlich mochte sie es nicht so gerne, von fremden Männern einfach so angesprochen zu werden. „Das klingt jetzt vielleicht etwas blöd, aber meine Jungs haben mich hier an der Tankstelle stehen gelassen und sind gerade ohne mich davon gefahren. Ich kenne mich hier nicht aus und müsste zur Stadthalle kommen. Leider ist auch mein Handy noch im Auto.“ Steffi merkte, dass das keine dumme Anmache sein sollte, sondern dass es ihm wirklich etwas unangenehm war, so wie er sie mit einem unsicheren Lächeln ansah. Irgendwie auch ein bisschen süß, dachte Steffi. Dann lachte sie. „Na da hast du ja ganz tolle Freunde. Sicher, dass du zu denen willst? Naja du musst auf jeden Fall erstmal relativ lange der Straße hier folgen. Also ne halbe Stunde bist du da schon zu Fuß unterwegs.“ Der Blick des Typen wirkte jetzt noch geknickter. „Na toll. Aber mit der Richtung hast du mir auf jeden Fall schon etwas geholfen. Danke. Dann werde ich mal losmarschieren.“ Wincent wollte sich gerade umdrehen und loslaufen. „Warte, ich fahre eh in die Richtung, wenn du willst, kann ich dich auch eben dort absetzen.“ Die Stadthalle lag zwar gar nicht auf Steffis Weg, aber irgendwie hätte sie es schade gefunden, den Typen jetzt einfach gehen zu lassen und nahm all ihren Mut zusammen. „ Wow, das wäre mega“ strahlte er sie jetzt an. Als beide im Auto saßen fragte Steffi ihn dann, was er eigentlich heute bei der Stadthalle wolle.

Auf Halbem Weg - Steffi (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt