Kapitel 54

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Ich fokussierte mich auf die Aussicht in den Garten hinunter, aber meine Ohren waren gespitzt. Jeden Moment dürfte mein Mate hier auftauchen, obwohl er als Alpha natürlich vollkommen geräuschlos in diesen Raum kommen könnte.

An sich war es vernünftig gewesen, dass er vorab Flynn geschickt hatte. Seine Aura hatte etwas Positives, da fühlte man sich direkt besser und er hatte Vorarbeit leisten können.

Mir mag aktuell mulmig zumute sein, aber das war auch eine Ausnahmesituation. Hoffentlich kam Tyrone bald, damit wir das hinter uns bringen konnten.

Hatte er seine Pläne überhaupt umsetzen können? Das hätte ich den Beta fragen sollen, ob Alpha Greymoon gefangen genommen wurde und was mit dessen Rudel passierte. Dank meinem Mate war das ganz unter gegangen.

Die Nervosität stieg an, als ich Schritte hören konnte, die den Gang entlang kamen. Das musste praktisch Tyrone sein, da war es gut, dass Flynn die Tür hatte offen stehen lassen. So konnte ich das hören und war vorbereitet. Obwohl es nach dem Angriff genauso gewagt war. Egal, dass Tyrone überzeugt davon war, wie viel sicherer es in diesem Haus war.

Ich schüttelte den Kopf, um diese Gedanken loszuwerden, denn ganz etwas anderes war wichtiger.

Ganz krampfhaft hielten meine Hände sich an der Fensterbank fest. Meine Knöchel traten bereits hervor, da ich mich daran klammerte, als hing mein Leben davon ab.

Die Schritte kamen stets näher, schließlich hörte ich sie in den Raum kommen. Die Tür blieb scheinbar offen, vielleicht wollte Tyrone sich die Möglichkeit offen halten zu fliehen. Er dachte wohl gerne voraus.

Stille herrschte und die war eine Qual. Unbeirrt war ich dem Ausblick gewidmet und hielt eine ernste Fassade aufrecht. Dank der Fensterscheibe konnte er mein Gesicht sicherlich erkennen. Ich hätte mir doch einen besseren Platz suchen können.

Nach einer gefühlten Ewigkeit sagte er: "Es tut mir leid, Aurela." Alleine seine Stimme zu hören tat gut, dabei war es für Mates schon eine Wohltat, wenn sie einander nahe waren. Egal wie schwierig die Umstände waren, das Band zog uns zueinander.

Die Entschuldigung hatte ich zwar hören wollen, aber sie war schwer zu glauben. Deshalb hielt ich meinen Mund, denn eventuell wollte er dem etwas anmerken.

Zu meiner Überraschung blieb meine Wölfin still, dabei konnte ich ihre Anwesenheit spüren. Normalerweise gab sie ständig ihren Senf dazu, nur in dieser Situation hielt sie die Klappe.

Schließlich räusperte Tyrone sich und sagte: "Du bist mit Recht wütend auf mich. Es tut mir aufrichtig leid, weil ich mich falsch verhalten haben. Dir gegenüber war das unfair und du hast das nicht verdient. Trotzdem habe ich es getan und eigentlich macht meine Entschuldigung nichts besser, weil sie nichts an den Tatsachen ändert."

Wer hatte ihm diesen Text ausgearbeitet? Wohl kaum er selbst, obwohl ich das gerne glauben würde und am Ende vermutlich tat.

Mein Griff um die Fensterbank lockerte sich. Mit seiner Aussage traf er den Nagel auf den Kopf. Außer, dass die Entschuldigung sehr wohl etwas besser machte. Immerhin sah er seinen Fehler ein, das war ein Anfang.

Er fuhr fort: "Ich habe dir Blumen mitgebracht. Wenn du sie nicht willst, könntest du mich damit verprügeln, dann würdest du wenigstens irgendeine Reaktion zeigen. Und ich hätte es verdient."

Wenn er das ernsthaft dachte, wurde bewiesen, wie falsch er aufgewachsen war. Niemand verdiente es verprügelt oder verletzt zu werden. Deshalb antwortete ich: "Nein, das hast du nicht verdient."

Ich drehte mich zu ihm um und fragte dabei: "Wieso hast du es getan?"

Tyrone stand mitten im Raum und er wirkte mitgenommen. Die Reise und der Feldzug hatten viel von ihm gefordert. Seine Haare waren das reinste Chaos und er war etwas verdreckt, bis auf seine Bekleidung. Er dürfte auch die meiste Zeit in Wolfsform verbracht haben.

My heartless Mate | ✔️ Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt