Kapitel 55

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Es war diese eine Sekunde, bevor seine Lippen auf meine trafen, in welcher ich überzeugt war ihm auf die Lippe zu beißen oder sonst wie wegzuschubsen. Denn das konnte ich unmöglich zu lassen.

Nur kam dann der Moment in dem ich die Funken spürte. Bei einem Kuss war das eine kleine Explosion, die das Herz einen Satz machen ließ und die Welt blieb kurz stehen. 

Dennoch dauerte es eine weitere Sekunde bis ich den Kuss erwiderte. Unsere Lippen bewegten sich wie in Perfektion gegeneinander und da realisierte ich wie sehr ich ihn vermisst hatte. Zuvor war es mir unklar gewesen, weshalb ich dieses Gefühl nun umso stärker spürte. 

Obwohl ich all diese Empfindungen in mir hatte, schaffte ich es schließlich meine Lippen von den seinen zu lösen. Tyrone behielt mein Gesicht weiterhin in seinen Händen und lehnte seine Stirn gegen die meine. 

Es war ein innerer Kampf ihm nicht direkt zu verfallen. Ich musste mich zusammenreißen und konnte ihm schlecht sofort verzeihen, denn sein Verhalten war alles andere als ok gewesen. Das musste er lernen, damit zukünftig kein ähnliches Szenarien folgte. 

Tyrone beendete unsere Stille in dem er flüsterte: "Ich hatte Bedenken, ob du mich beißt. Es ist eine tolle Überraschung, dass du das unterlassen hast." Ich riss meine Augen auf und sah ihn entsetzt an, was ihm leider entging, da die seinen geschlossen waren. Mein Mate hatte einen Knall, wenn er mich küsste, obwohl er mit einem Korb rechnete.

"Wieso hast du mich dann geküsst? Stehst du drauf? Hast du insgeheim darauf gehofft?" Mir fiel dafür keine andere Erklärung ein. Falls ja, empfand ich es als seltsam. Das wäre ein eigenartiger Fetisch. 

Er lachte leise und meinte schließlich: "Nein, aber manchmal muss man ein Risiko eingehen. In dem Fall ist alles positiv ausgefallen."

Meine Hände legte ich auf die seinen und nahm sie von meinem Gesicht. Danach löste ich meine Stirn von der seinen, wich einen Schritt zurück und ließ dabei seine Hände los. Ich räusperte mich und erklärte: "Du kannst nicht wiederkommen und denken, dass es mit einer Entschuldigung gut ist." 

Natürlich hatte ich an diesem Ergebnis selbst Schuld. Diesen Kuss hatte ich freiwillig erwidert und ich hatte zugelassen, dass er mir überhaupt so nahe trat. 

"Das habe ich nicht erwartet. Trotzdem wollte ich bei dir sein und es wenigstens versucht haben." 

Seit wann konnte er über solche Dinge sprechen? Normalerweise stand ich vor tausend Fragen und bekam keine Antworten. Er wusste wirklich wie man seine Mate überforderte. 

Nun konnte ich ihn wieder genauer betrachten und dabei fiel mir auf, wie erschöpft er war. Obwohl dem so war, tat er sich eine Unterhaltung mit mir an. Dabei wollte Tyrone vermutlich direkt im Stehen einschlafen. 

Das Mitgefühl meldete sich, weshalb ich sagte: "Du solltest dich besser ausruhen. Nach dieser langen Reise kannst du das gebrauchen. Es muss anstrengend gewesen sein." 

Tyrone zuckte mit den Schultern, als wäre das nichts gewesen. "Ich habe bereits längere Reisen hinter mir. Aber eine Dusche wäre eine vernünftige Idee." Damit hätte ich wenigstens eine kleine Bedenkzeit für mich, dann konnte ich das nochmal alles durch meinen Kopf gehen lassen. 

Gerade als er sich abwandte, fragte ich: "Wie ist es überhaupt verlaufen? Mir hat niemand Bescheid gegeben, ob alles nach Plan verlief." 

"Alpha Greymoon ist in Gefangenschaft und sein Sohn hat das Rudel übernommen." Während er auf das Badezimmer zuging, fuhr er fort: "Ich bin mir unsicher was ihn betrifft, deshalb blieben ein paar unserer Leute im Greymoon Territorium. Der neue Alpha soll auf keine dummen Gedanken kommen."

Einerseits waren das gute Nachrichten, andererseits war ich beunruhigt. Der Sohn könnte Probleme machen, was vorstellbar war, wenn wir seinen Vater in Gefangenschaft hatten. Und ihn würde Tyrone nie gehen lassen, immerhin hatte dieser Mann seine Luna töten wollen. 

Ich konnte es nicht halten zu fragen: "Wieso lässt du ihn regieren, wenn du Zweifel hast?"

Mit einem Seufzen, blieb er im Türrahmen stehen und drehte sich zu mir um. "Es ist lediglich ein Gefühl. Leider, habe ich keine Beweise. Ich irre mich selten, dennoch kann es passieren. Der Grund, warum ich ihn Alpha sein lasse und das beobachte." Ich nickte, denn das klang vernünftig. Solange der neue Alpha Greymoon sich nichts zu Schulden kommen ließ, konnte man ihn schlecht bestrafen. Das würde für unnötige Unruhen sorgen.

"Aurela, es kommt viel Arbeit auf uns zu."

Uns? Seit wann wurde ich einbezogen?

Ich hob eine Augenbraue, um ihm die stille Frage zu stellen. Im Allgemeinen war ich neu im Rudel, da hatte ich wenig Ahnung und auf das Amt einer Luna hatte mich niemand vorbereitet. Ich hatte stets ein einfaches und vor allem normales Leben erwartet. Nicht mal in meinen wildesten Träumen hätte ich mit diesem Ergebnis gerechnet. 

Tyrone verstand darunter etwas anderes, denn er antwortete: "Meine Mutter ist für den Moment ruhig gestellt, aber das geht besser und wir sollten sie endgültig wegsperren. Dann muss jeglicher Werwolf aufgespürt werden, der bei dem Angriff geholfen hat. Meine Mutter muss Verbündete im Rudel haben, die ausfindig gemacht werden müssen. Was den neuen Alpha Greymoon anbelangt, wäre ich gerne vorbereitet. Und..." Da hielt er inne und tat es mit einer Handbewegung ab. Die Müdigkeit sah man ihm mittlerweile umso mehr an. "Reden wir morgen darüber. Auf jeden Fall gibt es genug zu tun."

Das war völlig in Ordnung für mich, trotzdem war da eine Sache, die ich heute klären wollte. "Inwiefern bin ich hilfreich? Ich habe keinen Tau von dem ganzen Kram. Der Titel Luna wurde mir überraschend überreicht. In diesem Fiasko bin ich kaum hilfreich."

Tyrone lehnte sich in den Türrahmen und seine kalte Maske fand in sein Gesicht. Das konnte er wahrlich in Perfektion. Ohne jegliche Emotion sagte er: "Stimmt, du hast es eingeplant Holzfällerin zu werden. Die Frau von irgendeinem Langweiler." Bei dieser Aussage musste ich mich zwanghaft zusammenreißen, um nicht zu lachen. Das beschäftigte ihn ernsthaft immer noch, dabei war es lächerlich. Vielleicht lag es auch an meinem überstrapazierten Nerven, weshalb ich das witzig fand. 

Ich riss mich zusammen, um ernst zu erklären: "Du musst dir keine Sorgen machen, weil ich bleibe. Der Holzfäller ist Schnee von gestern und hat absolut keine Bedeutung. Die Idee mit der Flucht ist verworfen, solange du zukünftig besseres Verhalten aufweist." 

Kommentarlos drehte er sich um und verschwand im Badezimmer. So konnte man eine Unterhaltung natürlich auch beenden, in dem man nichts mehr erwiderte. Mit einem Kopfschütteln machte ich mich auf den Weg zum Bett. Ich würde zwar kein Auge zubekommen, aber zumindest hinlegen konnte ich mich. Vielleicht schaffte ich es ja doch und entrann damit einem weiteren Gespräch. 

My heartless Mate | ✔️ Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt