Kapitel 94

3K 191 11
                                    

Kaum fiel die Tür ins Schloss, umarmte ich meinen Mate. Vielleicht half ihm das wenigstens ein bisschen.

Allerdings löste er sich schnell daraus, was bei mir Fragen aufwarf. Mates tat Nähe gut. So schroff er sein konnte, aber das sollte sogar Tyrone helfen.

Er setzte sich in Bewegung, als er sagte: "Lass mich paranoid sein und die Räumlichkeiten kontrollieren."

Aja, dann lag dort das Problem. Er wollte zuerst wissen, ob jemand anderes hier war. Dabei hielt ich das für unwahrscheinlich. Das Anwesen wurde stets bewacht und nur wenige wussten von den Geheimgängen. Dennoch ließ ich ihn machen, wenn es ihn glücklich machte.

Selbstverständlich erledigte er das in der Geschwindigkeit eines Alphas, weshalb ich erschrak als er kurz darauf direkt vor mir stand. Beinahe hätte ich aufgeschrien, was ich gerade noch halten konnte.

Ich schlug ihm leicht auf den Oberarm und fragte: "Musste das sein? Du weißt wie sehr mich das nervt." Er hob mein Kinn an und antwortete: "Ja, es musste sein. Ich wollte schnell alles kontrolliert haben. Möglichen Feinden sollte man keine Chance geben." Mich ließ er damit leicht lächeln. Im Grunde meinte er es gut, da sollte ich Nachsicht zeigen. "Dann danke."

Tyrone beugte sich zu mir und gab mir einen kurzen Kuss. "Ich danke dir für deinen Beistand."

"Gerne und den hast du solange wir leben." Ich legte beide Arme um ihn, während Stille zwischen uns fiel. Meine Umarmung wurde erwidert und er legte sein Kinn auf meinem Kopf ab.

Diese Ruhe war angenehm und ließ den Stress von mir abfallen. Ihm erging es dabei gleich, weshalb wir uns etwas entspannen konnten. Nur eine einzige Person war manchmal nötig, damit sich die Welt in Ordnung anfühlte. Egal wie viel Chaos um uns herrschte.

Trotzdem kehrten meine Gedanken ständig zu Yasmina zurück. Sie bereitete uns fast schon Kopfschmerzen und ich machte mir unzählige Sorgen. Vielleicht war ihr doch etwas zugestoßen und deshalb hatte sie sich nicht mehr gemeldet.

Nach einer Weile konnte ich es nicht mehr halten zu fragen: "Also reisen wir morgen ab, egal ob Yasmina auftaucht oder weiterhin irgendwo dort draußen ist? Weil irgendwann kommt sie sicherlich ins Anwesen."

"Nein, wir fahren morgen nach Hause. Wenn Yasmina dazu bereit ist, wird sie zu uns kommen. Was meinen Vater anbelangt, habe ich den Geheimgang verschlossen. Ansonsten sind genug Rudelmitglieder wachsam und suchen sie. Im Grunde ist damit unsere Aufgabe erledigt."

Am Ende war es vermutlich egal, was mit seinem Vater passierte. Wobei er auch Recht hatte. Viel konnten wir nicht tun, da war es besser, wenn wir das Anwesen verließen.

Wir lösten uns voneinander und ich hob meinen Kopf, um in diese wunderschönen dunkelgrünen Augen zu blicken. "Sei morgen bitte vorsichtig, wenn du deine Mutter besuchst. Du hast selbst Bedenken, ob sie einen Plan hat."

"Keine Sorge, am Ende wird alles gut werden." Ausgerechnet dieser Mann wollte optimistisch sein, aber das würde ich unkommentiert lassen. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, legte meine Arme um seinen Hals und gab ihm einen kurzen Kuss. Danach sagte ich: "Ich freu mich schon auf zu Hause."

Obwohl wir in dem anderen Haus erst seit kurzem lebten, fühlte es sich nach dieser Zeitspanne schon mehr danach an, als es das Anwesen je hatte.

"Ich mich auch, deshalb die baldige Heimreise. Wobei deine Sicherheit ein großer Punkt ist. Egal wie viele Rudelkämpfer in diesem Haus und der Umgebung sind, das beruhigt mich lediglich ein bisschen."

Nach einem weiteren Kuss, antwortete ich: "Du bist süß, wenn du dir Sorgen machst." Und es war ein Beweis von Liebe, ansonsten wäre ich ihm vollkommen egal.

Er hob skeptisch eine Augenbraue und musterte mich. Seine Miene wurde ernster, da konnte ich mir denken was in seinem Kopf vorsich ging.

"Aurela, du bist die einzige Person, die mich süß nennt." Nun musterte ich ihn und legte meinen Kopf schräg. "Flynn würde es genauso tun, allerdings um dich zu ärgern. Ansonsten vermutlich wirklich niemand."

Diesmal gab er mir den Kuss und diesen zogen wir in die Länge. Nach dem heutigen Stress war dieser Moment der Zweisamkeit eine Wohltat.

Leider hielt der Kuss kürzer an als gedacht, denn Tyrone löste sich plötzlich von mir. Diesmal ganz und er wirkte verwirrt. Mein fragender Blick wurde ignoriert, stattdessen nahm er meine Hand und zog mich mit sich.

Die Tür hatten wir bald erreicht und diese riss er schwungvoll auf. Erst als wir auf dem Gang waren, erklärte mein Mate: "Yasmina stand eben vor der Haustür und hat nach mir gefragt." Wenn er mich nicht mitsich ziehen würde, wäre ich entsetzt stehen geblieben.

Bei ihrem Untertauchen und den Morden, hätte ich eher erwartet, dass wir sie finden mussten. Aber nein, sie stand plötzlich vor der Tür. Dann bat Yasmina auch noch um Tyrone.

Wir eilten den Gang entlang und ich konnte es selbst kaum erwarten sie zu sehen. Vor allem, weil ich nicht daran glaubte. Wieso sollte sie sich wie aus dem Nichts vor der Haustür stehen?

Er wusste scheinbar was in mir vorging, denn Tyrone meinte: "Ich zweifle gerade selbst an ihrem Besuch. Ausnahmsweise hat man mich überrascht, denn damit habe ich als Letztes gerechnet."

"Ja, ich auch."

Die Treppe hinunter musste Tyrone selbstverständlich zwei Stufen aufeinmal nehmen, damit hatte ich noch mehr zu kämpfen, um mit ihm mitzuhalten. Allerdings sei ihm das verziehen, ich wollte selbst so schnell wie möglich unten sein.

Kaum hatten wir das Ende der Treppe erreicht, kam schon Yasmina auf uns zu. Sie war es wirklich und hatte die übliche kalte Miene. Auf den ersten Blick hatte sie keinen Schaden genommen, egal was sie in den letzten Tagen veranstaltet hatte. Wobei ich mich aktuell an die naive Hoffnung hing, dass sie niemanden umgebracht hätte. Vielleicht war doch jemand anderes der Täter.

Yasmina sah von einem zum anderen und sagte: "Hi Leute." Für die Tatsache was alles passiert war, klang das viel zu beiläufig.

Tyrone machte sich nichts aus Begrüßungen und fragte gleich: "Wo bitte warst du? Ist dir bewusst wie viele Sorgen wir uns gemacht haben? Du hättest dich wenigstens melden können."

Mit einem Seufzen blieb sie stehen und nickte. "Ja, tut mir leid. Aber ich hatte Abstand nötig. Du weißt, dass ich psychisch nicht immer die stabilste Person bin. Da braucht man manchmal Zeit für sich alleine, aber mittlerweile geht es mir wieder besser." Mein Mate musterte sie von unten bis oben, als er fragte: "Bist du verletzt oder hat man dir sonst etwas angetan, während du unterwegs warst?" Sie schüttelte mit Kopf, was eine kleine Erleichterung war. Yasmina antwortete noch in einem gelassenen Ton: "Es ist alles bestens und wie es sein soll." Wer weiß, ob das wirklich der Wahrheit entsprach. Das mussten wir wohl erst herausfinden.

In einem Befehlston sagte Tyrone: "Wir gehen jetzt in mein Büro und dort erzählst du mir ganz genau, was du in den letzten Tagen getan hast."

"Gerne, Alpha."

My heartless Mate | ✔️ Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt