Kapitel 25

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Ina starrte auf den Bildschirm vor sich. Linus hatte behauptet, dass die Kombination der Blutgruppen nicht zusammenpassten. Jedenfalls nicht, wenn man es nach der Mendelschen Vererbungslehre betrachtete. Sie war sich so sicher, dass er sich geirrt haben musste. Schließlich war sein Bio Leistungskurs ja schon so einige Jahre her und wie detailliert das Gelernte war, wusste ja auch jeder. Und trotzdem zeigte ihr das Bildschema vom Blutspendedienst an, dass Eltern mit den Blutgruppen AB und A kein Kind mit einer Blutgruppe 0 haben konnten. Das war aber unmöglich, schließlich war sie doch der beste Beweis, dass es möglich sein musste. Ina begann auf der Tastatur zu tippen und eine neue Informationsquelle zu dem Thema zu suchen. Vielleicht hatte dieses Tool vom Blutspendedienst ja einfach einen Bug. Eine Stunde später schob Ina sich eine Haarsträhne hinter das Ohr und schüttelte leicht ihren Kopf. Das konnte einfach nicht sein. Sie hatte bei mehreren wirklich vertrauenswürdigen Quellen recherchiert und ein größeres Wissen über Blutgruppen, Allelen, Rhesusfaktoren und Dominanzen gesammelt, als sie es je zu ihrer Schulzeit hatte. Trotzdem blieb das Ergebnis das gleiche. Egal, wie man es drehte und wendete, ihre Blutgruppe passte absolut nicht zu den Blutgruppen ihrer Eltern. „Zeit für Feierabend!" Linus hatte an den Türpfosten geklopft und seinen Kopf in ihr Büro gesteckt. „Was ist?" Er schaute sie besorgt an und sein sonniges Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden. „Ach nichts!" Ina schüttelte schnell den Kopf und klappte ihr Laptop zu. Linus kam mit großen Schritten auf sie zu. „So wie du schaust, ist ganz sicher nicht nichts." Ja, er kannte sie schon viel zu gut. So schaute Ina nicht, weil ein paar Wolken aufgezogen waren, sondern weil es wenn ein ganzer Hurrikan war. „Also, was ist los?" Wenn es sich um irgendeine dämliche Baustelle handelte, würde er das sofort an sich ziehen, damit Ina nicht noch mehr Streß hatte.  „Es ist wirklich nichts", versuchte Ina ihn zu beruhigen. Nee, das würde er ihr so nicht abnehmen. „Was ist es?", setzte er also nach. Ina gab ein leises Stöhnen von sich. „Du gibst keine Ruhe, oder?" Er schüttelte seinen Kopf. „Ganz sicher nicht!" Wenn sie das erwartet hätte, kannte sie ihn aber schlecht. Wenn er sich Sorgen um eine Person machte, die er liebte, konnte er zum Metzgerhund werden, der seinen Knochen verteidigte. „Ich habe wegen der Blutgruppen gegoogelt. Du hast recht, da passt etwas nicht. Aber das kann doch gar nicht sein." Er spürte wie sich seine Nackenhaare aufstellten. So verwirrt und mitgenommen, wie Ina wirkte, gefiel es ihm gar nicht. Sie konnte garantiert keinen weiteren Streß gebrauchen. „Bestimmt liegt da ein Irrtum vor", versuchte er sie zu beruhigen. „Aber wo?" Ina schüttelte ihren Kopf. „Ich bin alles dreimal mindestens durchgegangen. Meine Blutgruppe ist definitiv Null. Das weiß ich. Und Papas ist A. Sonst hätte er ja die Bluttransfusion nicht vertragen. Bleibt noch Mama. Und die passt absolut nicht zu meiner." „Was ist, wenn sich euer Doktor bei der deiner Mutter geirrt hat? Immerhin ist sie doch schon lange nicht mehr seine Patientin.", gab Linus zu bedenken. Inas Mutter war seines Wissens nach vor sieben Jahren gestorben. Wieso sollte der Arzt da also noch die Blutgruppe im Kopf haben? Auch, wenn sie selten war, war das doch eher unwahrscheinlich, schließlich hatte er ja wohl ein paar Patienten mehr. „Das stimmt, aber Doktor Spengler war mit ihr befreundet. Sie kannten sich aus der Grundschule und dann ist da ja auch noch Natascha. Und ihre Blutgruppe passt definitiv zu der von Mama." Linus zog seine Augenbrauen hoch. „Wenn denn bei der Ermittlung kein Fehler unterlaufen ist." Ina schaute ihn nachdenklich an. „Das wäre doch aber schon ein riesiger Zufall, dass sich Doktor Spengler bei Mama irrt und dann noch ein Fehler bei der Ermittlung von Nataschas Blutgruppe unterläuft, der dazu passt." Okay, das musste er auch zugeben, aber er wusste auch, dass manchmal viel möglich war, was man nicht erwartete. Ihm schoss ein Gedanke durch den Kopf. Vielleicht war ja Inas Mutter fremd gegangen und Constantin gar nicht der Vater seiner jüngsten Tochter. Obwohl, nee....das war ja Quatsch, denn laut Mendel passte ja nur Inas Blutgruppe nicht in die Familie. „Vielleicht solltest du noch einmal bei eurem Doktor vorbeischauen und ihn auf das ganze ansprechen. Bestimmt hat er eine total rationale Erklärung dafür." Ina nickte. „Du hast recht. Das werde ich machen. Doktor Spengler weiß bestimmt, wo der Fehler liegt und wird ihn korrigieren." Ina atmete erleichtert auf. Linus hatte recht. Irgendwo war da bestimmt ein Fehler. Sie musste ihn nur finden. „Am besten fahre ich gleich noch bei ihm vorbei." Linus tippte auf das Zifferblatt seiner Uhr am Handgelenk. „Meinst du wirklich, dass er jetzt noch Sprechstunde hat?" Sie wusste zwar, dass er für ihre Familie immer Zeit hatte und sie sich nicht an irgendwelche Sprechzeiten halten musste, aber trotzdem wollte sie ihn jetzt nicht aus seinem Feierabend reißen. „Du hast recht. Das hat auch bis morgen Zeit." Ina griff ihre Sachen zusammen und folgte Linus aus dem Büro. „Wir müssen ja auch noch ein paar Sachen für Paris vorbereiten", zwinkerte er ihr zu. Ja, Paris....ihr Herz fing sofort wieder aufgeregt an in ihrer Brust zu hämmern. Sie musste unbedingt gleich noch zu Hause ihren Kleiderschrank durchforsten. Schließlich musste sie ja gut überlegen, was sie zu der Modenschau anziehen sollte. Auf alle Fälle etwas von Dior. Das stand fest, Aber was? Und was noch viel mehr feststand, war die Tatsache, dass sie in ihrem Koffer genug Platz für den Rückflug lassen sollte, denn sie würde in Paris garantiert ein paar Sachen in den entsprechenden Boutiquen shoppen. Nachher würde sie schon einmal googlen und abspeichern, wo die entsprechenden Boutiquen lagen, schließlich hatte sie nicht ewig Zeit durch Paris zu laufen. Das musste schon logistisch vorher geplant sein. „Ja, lass uns schnell nach Hause. Es gibt noch genug zu tun." Ina griff sich Linus Hand und zog ihn aus dem Büro.

Schuss und Treffer -  in der zweiten Mannschaft   ✔️    Teil 13Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt