Kapitel 127

173 36 10
                                    


In Inas Kopf ploppten immer mehr Erinnerungen an lauter kleine Momente mit Linus auf. Ja, es gab davon so viele. Und nicht nur kleine, sondern auch so einige ziemlich große. Einer dieser großen Momente war..... war ihr erstes Mal gewesen. Ja, sie hatte sich bis zur Ehe aufsparen wollen. Obwohl wollen traf es nicht ganz. Ihr Vater hatte ihr schon von kleinauf den Gedanken eingepflanzt, dass nur Schlampen vor der Ehe Sex hatten und dass nur starke Frauen sich dem widersetzten und warteten. Er hatte allen ernstes behauptet, dass es genug Mistkerle gab, die die geschwängerten unverheirateten Frauen dann sitzen ließen. Aus heutige Sicht ergab das natürlich Sinn. Schließlich wusste er ja, wovon er sprach. Er war ja selbst so ein Scheißkerl gewesen. Sogar einer der schlimmsten Sorte, der auch noch Geld daraus geschlagen hatte, dass er die naiv verliebte Genia geschwängert hatte. Wahrscheinlich hätte sie die Enthaltsamkeit auch wirklich durchgezogen, wenn ihr Vater nicht zum Pflegefall geworden wäre, weil sie immer Angst gehabt hätte, dass er etwas mitbekam und von ihr enttäuscht gewesen wäre. Sie hätte sich wahrscheinlich sogar von ihm den entsprechenden Mann aussuchen lassen. Fast unmerklich schüttelte sie den Kopf. Das war so abartig. Wie gut, dass ihr Linus über den Weg gelaufen war. Und noch viel besser, dass er sie davon überzeugt hatte, dass es keinem half, wenn sie wie eine Klosterschwester leben würde.....und dann.....dann hatte er sie ganz vorsichtig und liebevoll schrittweise in die körperliche Liebe eingeführt. Wie in allem war sie auch in diesem Bereich lernbegierig und ehrgeizig. Ja, es gab da eine ziemlich wilde Zeit. Erstaunlich, dass Natascha nie etwas mitbekommen hatte. Jedenfalls hoffte sie das. Ina spürte wie ihr bei dem Gedanken die Wärme in die Wangen schoss. „Alles gut mit dir?" Genia beugte sich zu ihr herüber und schlüpfte mit ihrer Hand aus dem Handschuh, ehe sie ihr ihre Hand auf die Stirn drückte.  „Du siehst so rot im Gesicht aus. Nicht, dass du Fieber bekommst."    Okay, so langsam wurde es noch peinlicher. Trotzdem konnte sich Ina ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen. Was ihre Mutter wohl sagen würde, wenn sie wüsste, warum ihre Tochter gerade so ein rotes Gesicht hatte? Genia würde wahrscheinlich einfach nur lachen. Sie war die Lockerheit in Person. Und es tat gut sie in ihrem Leben zu haben. Ja, Ina mochte diesen Umstand nie wieder missen. Klar, war Mona als Mutter auch toll gewesen und würde immer einen festen Platz in ihrem Herzen behalten, aber Genia war einfach noch cooler. Vielleicht auch, weil sie vom Alter einfach dichter an Ina dran war. Aber mit Sicherheit hatte sie einfach auch einen ganz besonderen Platz in ihrem Herz, weil sie ihre leibliche Mutter war. Wie sagte man immer so schön? Blut war dicker als Wasser. Und Ina war außerdem extrem stolz auf Genia und was sie alles geschafft hatte, obwohl das Leben ihr so mies mitgespielt hatte. Ihre Zweifel an ihr waren total verflogen. Sie wusste, dass egal was kam, es da immer einen gab, der immer für sie da war. Nicht umsonst hatte sie sie immer gesucht. „Also Fieber hast du nicht. Aber wenn es dir nicht gut geht, sagst du mir sofort Bescheid." Der besorgte Blick ihrer Mutter war auch wieder so ein kleines Zeichen ihrer Liebe. Und Ina spürte, wie ihr Herz ihr bei dem Gedanken auch fast überquoll. Für Genia würde sie auch alles machen. Sie war der wichtigste Mensch in ihrem Leben geworden....und das in der kurzen Zeit....Nein, der wichtigste Mensch stimmte nicht......einer der wichtigsten Menschen. Es gab ja auch noch Espie und Natascha und Linus......ja, Linus. Manno, wie sie ihn vermisste. Wenn alles anders gelaufen wäre, würde sie jetzt nicht neben seinen Eltern, sondern neben ihm in diesem blöden Fiaker sitzen. Sie musste an den wunderschönen Ring denken, der ihr beim Packen in die Finger gefallen war. Er hatte ihren Geschmack zu 1000 Prozent getroffen. Das kleine Schmuckkästchen lag jetzt im Chalet in ihrer Nachttischschublade. Ja, sie hatte es mit eingepackt. Warum? Das konnte sie nicht wirklich sagen. Vielleicht weil sie dann das Gefühl hatte, wenigstens etwas von ihm bei sich zu haben. Gestern Abend hatte sie den Ring sogar aus der Schachtel genommen und ihm einen Kuss gegeben. Manno, war sie verzweifelt. Jedenfalls kam ihr das jetzt so bei Tageslicht vor. Gestern Abend hatte es sich dagegen ganz normal und vernünftig angefühlt. Der Ring war schließlich irgendwie eine Verbindung zu Linus. Die momentan einzige, die sie hatte. Ina hoffte nur, dass es ihm gut ging. Diese Angst um ihn konnte sie einfach nicht abschütteln. Egal, was Thomas und Luca sagten. Sie hoffte nur, dass er keinen Mist baute. Wieso war ihr nicht aufgefallen, in welcher psychischen Notlage er war. Und wieso hatte er ihr nie von seinem Kollegen erzählt? Wieso hatte er sie für zu schwach gehalten, damit umgehen zu können? Ihr Vater war ja nun wahrlich nicht der erste und einzige Mensch mit einem Herzinfarkt gewesen. Das war ihr schon klar gewesen. Aber das war halt Linus empathische Art. Ina musste schlucken. Ja, und wo war ihre gewesen als er sie gebraucht hätte? Sie hatte nichts außer ihren eigenen Problemen mitbekommen. Was sie als erstes machen würde, wenn sie ihn wiedersah, war schon vollkommen klar - sich entschuldigen und ihn für ihre Ignoranz um Verzeihung bitten. „Bitte, bitte schicke ihn mir einfach wieder so schnell es geht", schickte sie ein kleines Stoßgebet gen Himmel. Für sie war dort oben Mona, die ihr garantiert helfen würde. Etwas Hoffnung keimte in ihr auf. Ja, Mona würde alles Engelmögliche in Bewegung setzen, um ihr zu helfen. Vielleicht schickte sie ihr Linus ja sogar hier vorbei. Dann hatte sie den Ring nicht umsonst mitgenommen. Ja, warum eigentlich nicht? Schließlich hatte er das Chalet doch gebucht und wusste, wo sie sich aufhielt. Das war ja auch Genias Argument gewesen, dass letztendlich am meisten gezogen hatte, um sie von dem Urlaub zu überzeugen. Ja, Linus wusste, wo sie war. Er musste nur einfach zu ihr kommen. Alleine der Gedanke bereitete ihr sofort wieder Herzklopfen.

Schuss und Treffer -  in der zweiten Mannschaft   ✔️    Teil 13Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt