Kapitel 65

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„Menschenskind, da wären wir aber mit dem Rad schneller gewesen." Thomas riss die Beifahrertür auf und sprang aus dem Auto, kaum dass Linus eingeparkt hatte. „Ja, Thomas, aber das wäre nicht so bequem gewesen." Auch seine Mutter war aus dem Fond ausgestiegen und strich ihr Kleid glatt.  „Na da seid ihr ja endlich. Ich dachte schon ich müsste mir einen Passanten als Taufpaten greifen, weil du es nicht pünktlich schaffst." Lea, Linus Zwillingsschwester umarmte ihn zur Begrüßung stürmisch und ließ ihn dann auch gleich wieder genauso abrupt stehen. „Du musst Ina sein." Okay, Lea hatte ihr nächstes Opfer gefunden. Linus hoffte, dass Ina mit dem Überschwang seiner Schwester keine Probleme hatte. Wieder erwarten, blieb sie aber auf Armlänge vor ihr stehen und musterte sie von oben bis unten. „Ich muss ja erst einmal gucken, ob ich die Wahl meiner anderen Hälfte akzeptieren kann." Lea nickte. „Ja, kann ich." Ina wurde auch in eine stürmische Umarmung gezogen und schaute ziemlich überrumpelt aus ihrem Designerkleid, das sie sich gestern noch am Jungfernstieg gekauft hatte. Linus musste schmunzeln. Ja, Lea war die temperamentvollere und durchgeknalltere von ihnen beiden. „Wieso seid ihr überhaupt so spät dran?" „Ach diese ganzen Benzinschleudern sind heute scheinbar alle zu einem Ausflug unterwegs", winkte ihr Vater ab. „Die halbe Stadt war verstopft. Mit dem Rad wären wir pünktlich gewesen" „Ohne Rad auch. Heute ist nämlich so eine dämliche Radveranstaltung, deshalb ist alles verstopft." Lydia, Linus ältere Schwester war auch zu ihnen getreten und begrüßte ihn auch mit einer Umarmung. Die fiel zwar nicht ganz so extrem wie bei Lea aus, aber das war ja auch kein Wunder. Sie beide waren eben nur Geschwister und keine Zwillinge. Dementsprechend hatten sie sich auch nie so verbunden gefühlt. „Schönes Auto", kam es mit einem Seitenblick von ihr auf den Porsche. Auch wenn er wusste, dass seine Schwester dem keine wirkliche Bedeutung beimaß, spürte Linus doch, dass es ihm irgendwie unangenehm war. Er wusste ja, dass es bei ihr gerade nicht ganz so rosig aussah, seit sie sich von ihrem Ehemann Marcello getrennt hatte und mit ihren beiden Mädels alleine dastand. Heute beim Frühstück erst hatte seine Mutter gesagt, dass sie hoffte, dass es sich bei den beiden wieder einrenkte. Das hoffte er auch, wenn er das eingefallene Gesicht seiner Schwester sah.
„Wo ist überhaupt mein Patenkind?" Linus schaute sich suchend um und entdeckte seinen Schwager mit dem Baby auf dem Arm am Kircheneingang. Dort stand eine ganze Menschentraube und schien auf den Einlass zu warten. „Na los, lasst uns gehen." Linus griff nach Inas Hand. „Oha!" Hinter ihm ertönte eine weibliche Stimme, die er sofort erkannt. Er drehte sich um. „Nele!" Das normalerweise an dieser Stelle folgende Schön-dich-mal-wieder-zu-sehen ließ er weg, denn ehrlich gesagt konnte er gut darauf verzichten seiner früheren Verlobten über den Weg zu laufen. Sie hatte damals einfach ihre Sachen gepackt und war aus ihrer gemeinsamen Wohnung verschwunden. Auf dem Küchentisch hatte er einen Zettel und den Verlobungsring gefunden. Das war kurz vor dem Vorfall im Büro gewesen. Damals hatte er nicht verstanden, warum sie abgehauen war. Besonders nicht, da er doch nur für sie beide so viele Stunden gearbeitet hatte, damit sie sich die Wohnung in Blankenese leisten konnten. Okay, damals hatte er es schnell verwunden, dass sie weg war und sich noch mehr in die Arbeit gestürzt. Erst als er sein Leben auf Reset gesetzt hatte, war ihm überhaupt klar geworden, was der wirklich Grund für sie gewesen war, mit ihm Schluß zu machen. Schließlich kannten sie sich ja schon seit sie 18 waren und waren während des Studiums durch dick und dünn gegangen. „Da hast du es dann ja nicht nur nach Blankenese gebracht, sondern gleich bis nach Düsseldorf." Ihr Blick fiel zu Ina und sie musterte sie. „Und die passende Barbie Puppe, die das alles mitmacht, solange das Monatsbudget für das Designertäschchen stimmt, hast du auch gleich noch gefunden. Na dann läuft dein Leben ja wie geplant." Nele lachte, aber Linus wusste sofort, dass es kein echtes Lachen war. Ina neben ihm spannte sich an. Eigentlich müsste er ihr eine ordentliche Antwort geben, die es in sich hatte. Aber irgendwie war sein Mund wie zugetackert. „So, bist du jetzt fertig, Nele? Du hast es von Wilhelmsburg ja immerhin auch nach Ottensen gebracht, ohne in St. Pauli halt zu machen. Ich glaube dein Mann und dein Kind warten dahinten." Lea stellte sich neben ihren Bruder und schaute die andere Frau kampflustig an. Linus Ex- Verlobte drehte sich um und marschierte davon. „Sorry. Ich habe erst heute hier erfahren, dass ihre Tochter auch getauft wird." Lea schaute Linus schuldbewusst an. „Ich wollte dir das gerade sagen." Ja, eine gewisse Vorwarnung wäre nicht schlecht gewesen. Linus Blick wanderte zu Ina, die ihn irritiert anstarrte. Er war ihr eine Erklärung schuldig. Das war ihm klar. Bisher hatte er nie über Nele gesprochen. Wozu auch? Sie spielte ja schon lange keine Rolle mehr in seinem Leben. „Die Nele hat sich nicht gerade zu ihrem Vorteil entwickelt." Linus Mutter schaute ihr hinterher und schüttelte ihren Kopf. Sie hakte sich bei Linus unter. „Na ein Glück, dass das mit euch beiden nichts geworden ist. Die Ina ist viel netter und passt viel besser zu dir." Ja, damit hatte seine Mutter wohl recht. Und rein intuitiv drückte er ganz sanft Inas Hand, die immer noch in seiner ruhte. Ina war ihm weitaus wichtiger als Nele es jemals war. Wieso hatte er ihr damals überhaupt einen Verlobungsring gekauft? Die Antwort war schlicht wie einfach. Er hatte ihn sich leisten können und im Geschäftsleben war eine stabile Partnerschaft gerne gesehen. Oh man, das war echt armselig. Das war ihm heute klar. Er spürte Inas prüfenden Blick auf sich und zwinkerte ihr schnell zu. Ihm wurde klar, dass das damals mit der Verlobung echt eine hirnrissige Idee gewesen war. Andererseits wurde ihm gerade klar, dass es noch viel hirnrissiger war, dass Ina noch nicht seinen Ring trug. Sie waren seid über zwei Jahren ein Paar und hatten schon eine Menge Klippen umschifft. Ihre Beziehung hatte nicht auf rosa Wolken begonnen, sondern war mitten im Gewitter gewachsen. In ihm reifte ein Entschluss. Ja, es war wirklich an der Zeit für sie beide das Ganze auf die nächste Stufe zu heben. Egal wie viel Zeit die Firma fraß. Dafür musste Zeit sein. Nein, er würde definitiv nicht noch einmal den Fehler machen und seine Beziehung hinter dem Job zurückstellen. „So und jetzt lasst uns in die Kirche gehen, damit der kleine Fiete endlich getauft werden kann." Linus Mutter marschierte entschieden los und er folgte ihr mit Ina an seiner Hand. Ja, es war an der Zeit, dass er nicht nur als Taufpate Verantwortung übernahm....

Schuss und Treffer -  in der zweiten Mannschaft   ✔️    Teil 13Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt