Kapitel 7

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Ina kuschelte sich in den flauschigen weißen Frotee-Bademantel und genoß die Ruhe auf diesem bequemen Relax-Sessel. Sie hatte gerade eine wirklich entspannende Ganzkörpermassage bekommen. Ja, die hatte richtig gutgetan, schließlich hatte sie den ganzen Tag heute fleißig ihre To-Do-Liste abgearbeitet. Sie war so effizient gewesen, dass sie jetzt ohne schlechtes Gewissen hier sitzen konnte und auch morgen bei der Hochzeit kein schlechtes Gewissen haben musste, dass ihre Arbeit liegen blieb. „Ich habe dir einen Almost Paradise mitgebracht." Paula reichte Ina einen hübschen bunten Cocktail. Sie trug den gleichen hoteleigenen Bademantel wie Ina und ließ sich in den Relax-Sessel neben ihr gleiten. „Du kennst hier auch nicht so viele, oder?" Ihr Blick ging zu der gackernden Meute, die sich um Genia versammelt hatte. „Ich habe sie alle irgendwie mal gesehen, aber eigentlich kenne ich nur Lucas Mutter und Schwester." Und wenn sie ganz ehrlich war, kannte sie auch die nur am Rande. So eng war Lucas und ihre Partnerschaft nie gewesen. Sie hatten sich damals durch Zufall im Winterurlaub in Österreich getroffen und Lucas Mutter und seine Schwester hatten dafür gesorgt, dass ihr Vater mit knirschenden Zähnen einem Studienauslandsjahr in Barcelona zugestimmt hatte. Ja, ihr Vater hatte auch nur sich nicht quergestellt, weil sie mit Luca hatte zusammen wohnen sollen. In seinem Kopf war Luca schon der perfekte Schwiegersohn gewesen. Damals war es nicht darum gegangen, dass seine Tochter dadurch eine höhere Qualifikation erhielt, sondern dass sie die Zeit nutzte den perfekten Schwiegersohn an Land zu ziehen. Erst heute war ihr klar, wie lächerlich das gewesen war. Klar, hatte sie Luca auch gemocht. Ja, man könnte sogar sagen, sie war in ihn verschossen gewesen. Aber wenn sie ehrlich war, hatte sie eigentlich nur versucht ihren Vater damit glücklich zu machen. Das hatte ja auch einige Zeit funktioniert und sie hatte sich eingeredet mit Luca glücklich zu sein. Aus heutiger Sicht konnte sie sagen, dass es ein Glück war, dass Luca damals rechtzeitig die Reißleine gezogen hatte. Er hatte viel früher als sie gemerkt, dass man sich nicht nur arrangieren konnte, weil es wirtschaftlich gut passte. Nein, da sollte viel mehr Gefühl hinter sein. Ihre Gedanken wanderten zu Linus, der sie anfänglich mit seiner totale lockeren Art fast zur Weißglut gebracht hatte. Sie musste schmunzeln. Wie oft hatte er sie damals in der WG geärgert und ihre gutdurchdachten, akurat gefertigten Pläne torpediert. Wie oft hatten sie sich um die Fernbedienung oder den Abwasch gezofft. Und trotzdem hatte ihr Herz bei ihm von Anfang an immer ein bisschen schneller geschlagen. Und nicht nur, weil sie in Rage über ihn war, so wie sie sich das anfänglich immer eingeredet hatte. Nein, eigentlich war das vom ersten Moment an so, als sie ihn im Bad unter der Dusche entdeckt hatte.....nackt! Man, das war ein Anblick gewesen! Noch nie hatte sie auf gut definierte Muskeln gestanden. Noch nie bis zu diesem Moment. Und trotzdem hatte sie dann diese Beziehung mit Luca vorangetrieben, weil sie ja wusste, was ihr Vater von ihr erwartete. Und das war mit Sicherheit nicht Linus. Aber genau dieser Linus war für sie da gewesen, nachdem Luca sich von ihr getrennt hatte und ihr Vater im Koma lag. Ja, er hatte sofort seinen Plan nach Portugal zu gehen begraben und war mit ihr nach Deutschland geflogen und nicht mehr von ihrer Seite gewichen. Und das war doch das, was eigentlich wirklich zählte, nicht der Nutzen für die Firma. Okay, bei Linus passte sogar der. Das war sozusagen der Bonus. Manchmal fragte sie sich, was ihr Vater wohl dazu sagen würde, wenn er noch wirklich fit wäre. Linus lockere Art würde ihm mit Sicherheit nicht zusagen. Egal, ob er damit Erfolg hatte. Aber wenn sie ganz ehrlich war, war diese Art genau die, die sie so an ihm liebte. Sie gab ihr immer die Sicherheit, dass egal was passierte, es kein Problem war. Ja, Linus war dieser typische Null-Problemo-Typ wie dieses komische außerirdische  Plüschtier von Alf, das er sogar auf einem T-Shirt hatte. Mit ihm schaffte sie einfach alles. Egal, was kam. Er hatte immer eine Lösung parat und beruhigte sie sofort, wenn sie total gestreßt den Tränen nahe war, weil alles nicht nach Plan lief. Ja, sie hatte ihr Leben lang immer genaue Pläne und Listen gemacht, die ihr halfen ihre Ziele effizient zu verfolgen. Linus kümmerten diese Pläne aber nicht. Er war das perfekte Chaos in ihrem geplanten und durchgetakteten Leben. Ja heute wusste sie, dass es mit Luca und ihr niemals wirklich funktioniert hätte. „Ich kenne eigentlich nur Genia und wir hatten auch lange keinen Kontakt mehr." Paula zuckte kurz mit den Schultern. „Wir kennen uns eigentlich seit der Grundschule und haben uns dann vor ein paar Jahren aus den Augen verloren." Paula schüttelte kurz ungläubig den Kopf. „Und dann hat uns das Schicksal hier wieder zusammengeführt.....und tada jetzt bin ich Trauzeugin." Ihr Blick wanderte weiter. „Das dort ist meine Tochter Julia." Sie deutete auf ein dunkelhaariges Mädchen, dass ihren Kopf gerade mit Natascha und Carmen zusammensteckte. Ja, Lucas Nichte und Lucys Tochter kannte sie noch aus dem Urlaub in Österreich als Luca versucht hatte ihn dreien das Skifahren beizubringen. Man, hatte sie sich damals immer in den Schnee fallen lassen und dumm angestellt, nur damit Luca ihr hoch half. Das war echt so blöd gewesen, sich unter Wert zu verkaufen. Ein Glück hatte sie das heute nicht mehr nötig. Die drei Mädels kicherten ganz aufgeregt und sogen immer abwechselnd an einem Strohhalm, der in einem bunten Cocktailglas steckte. „Wir müssen es ihnen wegnehmen. Sie sind doch noch viel zu jung für Alkohol." Das passte ja zu dieser verantwortungslosen Genia, dass hier sogar Kinder Alkohol bekamen. Ina war dabei aufzuspringen als Paula sie am Arm festhielt. „Lass ihnen ruhig den Spaß und den Glauben. Dann fühlen sie sich erwachsen. Es gibt hier auf Wunsch der Braut sowieso nur alkoholfrei Cocktails." Sie zwinkerte ihr zu. „Die drei Mäuse können hier also im Höchstfall einen Vitaminschock von den ganzen Obstsäften bekommen." Ina ließ sich erleichtert wieder in ihren Sessel zurück gleiten. Sie hatte nämlich gerade wirklich nicht die geringste Lust auf eine Diskussion mit ihrer Schwester. Stattdessen freute sie sich über das angenehme Gespräch mit Paula, das sie zu führen begannen. Irgendwie war sie ihr richtig sympathisch.

Schuss und Treffer -  in der zweiten Mannschaft   ✔️    Teil 13Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt