„Ein Gespräch für Herrn Hansen. Nehmen Sie es an?", scholl die Stimme ihrer Sekretärin aus dem Hörer. Ina schaute auf die Uhr im Computer Display. Es war schon nach Mittag und Linus war noch immer nicht im Büro aufgetaucht. Wahrscheinlich hatte er ein paar Außentermine. In seinem Kalender war zwar nur einer für 10 Uhr eingetragen, aber manchmal ergaben sich ja dann doch noch weitere, wenn man unterwegs war. Trotzdem war es blöd, denn eigentlich hätte sie schon längst ein klärendes Gespräch mit ihm führen wollen. Der Streit von gestern lag ihr immer noch schwer im Magen. Linus musste wirklich mächtig sauer auf sie sein, wenn er sogar lieber auf diesem unbequemen Sofa übernachtete als neben ihr im bequemen Bett. Das war in der ganzen Zeit, die sie sich kannten, noch nie passiert. Nein, Linus war eigentlich der Mensch, der nie lange böse auf jemanden war. Er war sogar eher der, der versuchte eine gangbare Lösung zu finden, damit keiner von beiden Streitparteien sich als Verlierer fühlte. Er war sozusagen der König der Kompromisse. Wenn Ina ehrlich war konnte sie sich noch nicht einmal daran erinnern, dass sie überhaupt jemals wirklich richtig gestritten hatten. Soweit hatte es Linus nie kommen lassen. Nein, vorher hatte er immer einen Ausweg gefunden. „Ja, natürlich. Stellen Sie das Gespräch durch." Ina hörte ein Knacken in der Leitung. „König hier", bellte eine tiefe Männerstimme, die alleine schon durch ihren Klang deutlich machte, dass sie es gewohnt war, dass man ihr ungeteilte Aufmerksamkeit schenkte und der Inhaber der Stimme sich seiner Wichtigkeit bewusst war. „Preetz", meldete sich Ina und versuchte ihrer Stimme einen ähnlich selbstbewussten Klang zu verpassen. „Was kann ich für Sie tun, Herr König." Sie kannte den Kerl genau. Er war einer der Immobilienplatzhirsche hier in Nordrhein Westfalen. Seine Firma gehörte zu einer der größten und finanzstärksten hier in der Gegend. Wie oft hatte ihr Vater ihr von dem Kerl erzählt. Schon ewig versuchte die Firma Preetz ihn als Kunden an Land zu ziehen. Man, wie stolz waren Linus und sie gewesen, als ihnen das endlich gelungen war.....momentmal, wo lag das Bauobjekt von diesem Krüger. Witten! Nein, das konnte doch nicht wahr sein. Wieso war ihr das nicht eingefallen, als sie die ganzen Handwerker dort abgezogen hatte? „Sie können dafür sorgen, dass sich sofort wieder ein ganzes Rudel von Ihren Arbeitern auf meiner Baustelle tummelt. Das habe ich aber gestern auch schon Herrn Hansen gesagt. Trotzdem musste ich heute feststellen, dass da immer noch keine einzige Hand am Arbeiten ist." Okay, die Empörung war nicht zu überhören. „Wenn bis morgen dort nicht wenigstens die doppelte Anzahl an Handwerkern herumturnt, die vorher dort tätig war, dann beginnen Sie schon einmal das Wort Konventionalstrafe zu buchstabieren." Sein Ton war so laut und bestimmend, dass Ina ein Zusammenzucken unterdrücken musste. „In drei Tagen ist Weihnachten. Und bis dahin will ich, dass alles fertig ist, so wie mir Herr Hansen das versprochen hat." Mist, Ina wusste nicht einmal, wie der stand auf der Baustelle war. Sie hatte die Firma viel zu lange vernachlässigt. Aber wenn Linus das Versprechen gegeben hatte, dann war er sich sicher gewesen, dass das funktionieren konnte. Die Baustelle ruhte ja nur ein paar Tage. Also war das mit Sicherheit wieder aufzuholen. „Das ist kein Problem, Herr König. Wir werden den Termin halten", versicherte sie, auch wenn ihr das nötige Hintergrundwissen fehlte, mit etwas Bauchschmerzen. „Und wegen der anderen Aufträge müssen wir unter diesen Bedingungen auch noch einmal nachverhandeln. Momentan bin ich mir nämlich nicht so sicher, ob ihre Wurstbude überhaupt in der Lage ist, dem ganzen Auftragsvolumen gerecht zu werden." Welche anderen Aufträge. Ina wusste nur von dem in Witten. Wie lange hatte sie sich bitte aus der Firma zurückgezogen? So lange war das doch gar nicht. „Welche Aufträge?", schlug ihr die empörte Stimme entgegen. Mist, war ihr die Frage unbewusst herausgerutscht? „Wer sind Sie bitte? Ich dachte Sie wären die Inhaberin der Firma und nicht die Kantinenkraft. Richten Sie bitte Herrn Hansen aus, dass er mich noch heute anruft, sonst hat sich das endgültig erledigt. Ich brauche Profis, mit denen ich zusammenarbeite und keine kleinen Mädchen, die denken sie sind dazu befähigt eine Baufirma zu leiten, weil sie früher mal mit Legosteinen ein Haus gebaut haben." Ehe Ina überhaupt antworten konnte, war das Gespräch beendet. Sie musste schlucken. Die letzten Worte hatten sie getroffen, denn es waren genau die, die auch von ihrem Vater hätten kommen können. Ina spürte den Frust in sich aufsteigen. Was bildeten sich diese alten Scheißkerle eigentlich ein? Nur weil sie keinen Schwanz hatte, war sie nicht weniger fähig, ein Bauunternehmen zu leiten. Okay, das mit dem Abzug der Leute war blöd gelaufen und dass sie nichts von irgendwelchen anderen Aufträgen wusste, auch. Aber das war noch lange kein Grund sie so zu behandeln und als Kantinenkraft zu beschimpfen. Ina begann auf ihrem PC zu tippen. Obwohl, das stimmte nicht ganz. Wenn man ehrlich war, verprügelte sie eher die Tastatur. Auf dem Bildschirm tauchte die Akte von diesem Macho-Arsch auf. Ina begann sich einzulesen. Ach du lieber Dachziegel. Linus hatte da ein echt fettes Angebot ausgearbeitet. Das Auftragsvolumen war.....wow! Okay, dann musste Ina jetzt sofort die Kuh vom Eis holen. Sie hatte sie ja auch da hinmanövriert. Entschlossen wählte sie die Nummer eines ihrer Bauleiter. Er sollte sofort dafür sorgen, dass jeder Mann und jede Maus ab morgen in Witten aufschlugen. Wenn nötig mussten am Samstag vor Heiligabend auch noch Überstunden gemacht werden. Da half alles nichts. Die Mailbox sprang sofort an. Was sollte denn das? Ihre Leute hatten während der Arbeitszeit immer erreichbar zu sein. Ina wählte die Nummer des Vorarbeiters. „Ist Herr Kehrer bei Ihnen. Warum geht er nicht an sein Handy?", machte sie ihrem Unmut Luft. „Der ist doch nach dem Unfall im Krankenhaus", kam es ruhig zurück. Welcher Unfall? Was lief hier eigentlich in der Firma ab? Und wieso war sie scheinbar immer die Letzte, die alles erfuhr?
DU LIEST GERADE
Schuss und Treffer - in der zweiten Mannschaft ✔️ Teil 13
RomanceLinus und Ina sind schon seit zwei Jahren ein Paar. Gemeinsam führen sie das Bauunternehmen von Inas Vater, der seit seinem Herzinfarkt ein Pflegefall ist. Für Ina war der Weg in die Firma schon von kleinauf vorgezeichnet. Linus hatte sich sein Lebe...