Kapitel 33

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Ina starrte immer noch fassungslos auf die Unterlagen vor ihr. Was hieß hier Antrag auf Adoption? Und wieso stand dort ihr Name und der Name ihrer Mutter? Obwohl genaugenommen war es ja nicht ihr wirklicher Name, denn dort stand Ina Lochow. Und sie hieß ja Ina Preetz. Andererseits war Lochow der Geburtsname ihres Vaters. Das wusste sie. Er hatte damals bei der Hochzeit ihrer Eltern den Namen ihrer Mutter angenommen, weil das leichter war, da die Firma ja früher dem Vater ihrer Mutter gehört hatte. Sie wusste, dass gerade das Traditionsargument immer bei ihrem Vater ganz oben in den Verhandlungen mit potentiellen Auftraggebern stand, auf das er sich berief. Und Ina wusste, dass ihr Vater besonders stolz darauf war, dass er die Firma so vergrößert hatte, seit er sie bei der Hochzeit übernommen hatte. Trotzdem... das, was da stand, musste eine Lüge sein. Nein, da konnte es sich auf keinen Fall um sie handeln. Sie war doch das Kind ihrer Mutter. So lange sie denken konnte, war immer ihre Mutter da gewesen und hatte sich liebevoll um sie gekümmert. Das wäre doch nicht der Fall gewesen, wenn sie adoptiert worden wäre. Dann hätte sie sich doch an den Moment erinnern müssen, in dem sie zu ihren Eltern gekommen wäre. Außerdem, warum stand da in dem Adoptionsantrag nur der Name ihrer Mutter und nicht ihres Vaters als Antragsteller? Das war doch alles.....keine Ahnung....unlogisch, traf es wohl am besten. „Pepincito, was ist denn?" Linus schielte über ihre Schulter auf das Papier in ihren Händen. „Das...ich..." Ina stotterte und brachte keinen Satz heraus, während sie wie paralysiert auf das Blatt in ihren Händen starrte. Der Blick über ihre Schulter hatte ausgereicht, um das Wort Adoptionsantrag zu lesen. Und Inas Anblick ließ ihn schlimmes ahnen. Sie schien total unter Schock zu stehen. Okay, das konnte er verstehen. Wahrscheinlich würde ihm das auch nicht anders gehen, wenn er plötzlich erfahren würde, dass seine Eltern gar nicht seine leiblichen Eltern waren. Das brachte wahrscheinlich jeden erst einmal durcheinander. Linus legte seinen Arm tröstend um ihre Schulter und zog sie an sich. Ina schob seinen Arm weg und schüttelte kurz ihren Kopf. „Das kann gar nicht sein!" Ihre Stimme hatte einen kämpferischen Ton angenommen. „Frau Senger!" Ina sprintete Richtung Küche los und Linus folgte ihr schnell. Was hatte sie denn jetzt geplant? Die Haushälterin stand am Herd und rührte in einem Topf als sie beide in die Küche kamen. „Frau Senger! Ich habe da eine dringende Frage an Sie." Die Haushälterin schaute von ihrer Arbeit auf. „Mein Kind, was ist denn?" Sie legte schnell den Kochlöffel beiseite und wandte sich Ina komplett zu. „Du bist ja ganz aufgeregt. Ist wieder etwas mit deinem Vater passiert?" Ihr sorgenvoller Blick lag auf Ina. Die schüttelte aber den Kopf. „Mit Papa ist alles beim Alten. Ich möchte von Ihnen wissen, wie lange sie mich schon kennen?" Der Blick der Haushälterin wechselte von besorgt auf irritiert. „Ich verstehe jetzt deine Frage nicht. Du weißt doch, dass ich dich seit kleinauf kenne." „Also haben sie zu meiner Geburt auch schon hier gearbeitet?" Ina schaute sie hoffnungsvoll an. Wenn das nämlich so war, dann konnte sie ihr doch gleich bestätigen, dass an diesem ganzen Adoptionsquatsch nichts dran war. „Ich habe schon für deinen Großvater gearbeitet, Ich führe diesen Haushalt jetzt seit fast 40 Jahren." In ihren Worten schwang ein gewisser Stolz mit. „Also kennen Sie mich von Geburt an?", hakte Ina nach. Gleich würde sie die Antwort bekommen, die so wichtig für sie war.  „Ich kenne dich seit dem Tag, an dem dein Vater und deine Mutter hier mit dir aufgetaucht sind." Wieso hatte Ina das Gefühl, dass die Haushälterin mit ihrer Aussage ausweichend war. Quatsch, das war nur ein blödes Gefühl. Wahrscheinlich war es nur eine Umschreibung. Nach der Geburt tauchten doch die stolzen Eltern auch immer mit dem Kind zu Hause auf. „Dann sind die Unterlagen doch absoluter Blödsinn." Ina wendete sich zu Linus um. „Hast du gehört, ich bin nicht adoptiert. Da muss sich jemand nur einen ganz bösen Scherz erlaubt haben und Mama diese Papiere untergeschoben haben." Wieso schaute ihr Freund so....so...keine Ahnung....so als hätte er die Worte der Haushälterin eben nicht gehört oder ihre Tragweite nicht verstanden. „Frau Senger, sagen sie ihm noch einmal, dass ich nicht adoptiert bin", forderte sie ihre Angestellte auf. Der Blick von Frau Senger wanderte auf ihre Hände und sie räusperte sich. „Ina... also ich...." Sie brach ab und schaute hilfesuchend zu Linus. Scheinbar war auch Ina jetzt diese Verlegenheit aufgefallen. „Frau Senger, bin ich adoptiert?", stellte Ina die Frage jetzt noch einmal ganz präzise. Die Haushälterin schloss kurz ihre Augen und kaute auf ihrer Unterlippe. „Ina, ich mag dich wirklich, aber es gehört nicht in meinen Aufgabenbereich dir diese Frage zu beantworten. Stelle diese Frage bitte deinem Vater", platzte es dann doch noch aus ihr heraus, ehe sie wieder nach dem Kochlöffel griff und sich dem Topf zuwandte. Ina riss ihre Augen geschockt auf. Keine Antwort war manchmal auch eine Antwort. Sie drehte sich um und lief aus der Küche. An der Garderobe schlüpfte sie in die nächstbesten Schuhe und griff sich ihre Autoschlüssel von der Kommode. Linus war ihr wieder gefolgt und hielt ihre Hand fest. „Wo willst du hin?" In diesem aufgewühlten Zustand würde er sie auf keinen Fall alleine aus dem Haus gehen lassen. Und noch viel weniger würde er sie mit dem Auto fahren lassen. „Ich fahre jetzt ins Pflegeheim und glaube mir, er wird mir antworten und wenn ich die Worte aus ihm herauspresse." So sauer und gleichzeitig entschlossen hatte Linus Ina noch nie erlebt, wenn es um ihren Vater ging. Normalerweise war sie da immer eher besorgt und unterwürfig. Es war auch das erste Mal, dass sie Pflegeheim und nicht Seniorenresidenz gesagt hatte. Linus schnappte sich die Schlüssel aus ihrer Hand. „Heh, was soll das?", kam der prompte Protest. „Ich begleite dich, falls du Unterstützung beim Herauspressen brauchst und ich fahre das Auto." Ina schaute ihn überrascht an, ehe ein fast lautloses „Danke" über ihre Lippen kam. „Nicht dafür." Linus zwinkerte ihr zu und schob sie zum Auto.

Schuss und Treffer -  in der zweiten Mannschaft   ✔️    Teil 13Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt