„So, Feierabend!" Linus wischte einmal mit dem Geschirrhandtuch den Tresen ab, ehe er seine Schürze abband und zusammenfaltete. „Linus, dich hat mir der liebe Gott geschickt." Pedro faltete seine Hände und schaute melodramatisch Richtung Himmel. „Morgen kannst du die Mittagsschicht übernehmen. Da läuft sonst immer alles drunter und drüber." „Geht klar, Chef!" Linus schnappte sich seinen Rucksack, den er nur in der Ecke abgestellt hatte und schulterte ihn. „Na dann lass uns gehen. Ich habe morgen auch erst die Spätschicht im Werk." Fernando schob sich von dem Barhocker, auf dem er den ganzen Abend gesessen hatte. Leider hatte Linus nicht viel Zeit gefunden sich zwischendurch mal mit ihm zu unterhalten, denn die Hütte hatte ganz schön gebrannt und er musste Pedro recht geben, dass das Mädel im Service in etwa so engagiert wie eine Flutlichtanlage auf Notstrom war. Sie hatte es kaum geschafft das Bier an die Tische zu bringen, ehe es schal wurde und bei den Tapasplatten hatte schon fast der Verwesungsprozess eingesetzt, ehe sie die Gäste erreichten. Linus hatte das gar nicht mit ansehen können und war zeitweise selbst zusätzlich in den Service gewechselt. Auch das hatte ihm ungeheueren Spaß gemacht. Das war irgendwie etwas ganz anderes als diese drögen Termine auf den Baustellen. Er hatte es genossen hier und da mal ein paar Worte zu wechseln. Ein paar von den Leuten hatte er sogar wiedererkannt. Ja, das hatte sich so ein bisschen wie nach Hause kommen angefühlt.
„So, hier das wäre dein Zimmer. Ist nicht besonders luxuriös, aber...." Linus schaute sich kurz um. An der Wand stand ein Bett gegenüber ein Schrank und an der anderen Wand eine Kommode. Das Zimmer war nicht groß, aber für ihn und seine Bedürfnisse würde es vollkommen ausreichen. Was brauchte er schon mehr als ein Bett? So wenig Klamotten wie er in seinem Rucksack hatte, bräuchte er nicht einmal den Schrank. Ja, er war mit leichtem Gepäck gereist. Und das fühlte sich verdammt gut an. So wie früher. „Aber ich will ja hier auch hauptsächlich nur schlafen", versicherte er Fernando, der ihn abwartend anschaute. Wahrscheinlich rechnete er noch mit einer Absage. „Genau" Ein zufriedenes Grinsen tauchte im Gesicht des Spaniers auf. „Und außerdem gibt es ja auch noch das Wohnzimmer. Komm mit!" Linus folgte ihm. „Schau, das ist unser gemeinsames Reich. Also genau genommen meins, aber du darfst mir hier durchaus Gesellschaft leisten." Fernando machte eine raumgreifende Bewegung und deutete dann zu einem riesigen Fernsehbildschirm, der an der Wand hing. „Das ist unser Heimkino." In seiner Stimme schwang sein ganzer Stolz mit. Er bückte sich und holte etwas aus der flachen Kommode unter dem Fernseher. „Hier, Fang!" Fernando warf etwas in seine Richtung. Linus schaute auf das unbekannte Flugobjekt, das in seiner Hand gelandet war. Ein Controller für eine Spielkonsole. Man, wie lange hatte er so ein Teil schon nicht mehr in der Hand gehalten. Da musste er nicht lange überlegen. Das war am Beginn seines Studiums gewesen. Danach hatte er nie Zeit dafür gefunden, weil er jobben oder pauken musste. „Na ich hoffe, du hast Lust noch eine Runde Fifa zu spielen?" Wie hätte er bei dem hoffnungsvollen Blick nein sagen sollen? Und ehrlich gesagt hatte er auch wirklich Lust. Er war noch viel zu aufgedreht von diesem Tag, um im Bett auch nur ein Auge zu zu bekommen. „Ich habe aber schon ewig nicht mehr gespielt", warnte er Fernando, als der sich neben ihm auf der Couch niedergelassen hatte und mit seinem Controller das Spiel startete. „Kein Problem. Ich gewinne sowieso viel lieber als das ich verliere." Linus musste lachen. Fernando war schon ein Witzbold. „Du hast die freie Wahl beim Team. Also außer Barcelona das ist natürlich mein Verein, aber du kannst gerne Madrid haben, die haben gegen mich sowieso keine Chance. Wir Katalanen sind einfach besser. Oder magst du lieber eine deutsche Mannschaft? Den FC Bayern vielleicht?" Linus schüttelte den Kopf. Auch wenn er kein wirklicher Fußballfan war, war das mit Sicherheit einer der Vereine, die er so überhaupt nicht mochte. „Von wo aus Deutschland kommst du überhaupt?" „Also eigentlich aus Hamburg, aber jetzt lebe ich in Düsseldorf." Fernando schüttelte seinen Kopf. „Nein falsch, du hast in Düsseldorf gelebt. Jetzt lebst du in Barcelona oder auch da, wo es am allerschönsten ist. Aber Hamburg und Düsseldorf, die haben doch gar keine richtigen Fußballmannschaften." Na das sollte er mal lieber nicht seinen Vater als Paulianer hören lassen, der wäre tödlich beleidigt. Sein Vater! Wahrscheinlich wäre er auch nicht gerade begeistert, wenn er erfuhr, dass Linus einfach das Weite gesucht hatte, ohne mit ihm wenigstens vorher darüber zu sprechen. Vielleicht sollte er wenigsten an Weihnachten seine Eltern anrufen und ihnen sagen, wo er steckte. Ihre alte Telefonnummer kannte er noch auswendig. Die hatte er ja schon als kleiner Stöpsel gelernt, damals als er noch kein Handy gehabt hatte. Ein Glück, sonst hätte er jetzt überhaupt keine Kontaktmöglichkeiten. Ja, die Idee mit dem Weihnachtsanruf gefiel ihm. Vielleicht konnten sie ihm ja auch Inas Nummer geben. Morgen würde er gleich früh losziehen und sich einen spanischen Telefonanbieter suchen, damit er nicht mehr von der Welt abgeschnitten war. Schließlich musste er sich ja auch noch einmal bei Cristian richtig bedanken. Er tastete kurz nach dem Zettel der in seiner Hosentasche steckte. „Weißt du was, du bekommst jetzt Borussia Dortmund. Ich war mal zu einem Champions League Spiel im Camp Nou. Die sind auch ganz cool. Natürlich nicht so wie Barça, aber besser als Madrid." Auf dem Bildschirm tauchten die Fußballmannschaften auf und ehe Linus sich versah, steckte er mitten im Spiel. Der Controller lag gut in seiner Hand. Es war schon wieder fast so wie früher. Okay ein paar Tastenkombis hakten noch, aber trotzdem lief es besser als er gedacht hatte. Gerade lief sein Spieler frei auf das Tor zu. Linus drückte die Schusstaste. „Tor!Tor!Tor!", brüllte er ausgelassen als einer seiner Spieler den Ball versenkt hatte. Man, das lief ja wirklich schon wieder hervorragend. „Ja, aber für mich", lachte Fernando und klopfte sich auf die Schenkel. „Du hast ein Eigentor geschossen." Ups, deshalb war er so einfach durchgekommen. Er warf einen Blick zu Fernando, der breit grinste. Egal! Wichtig war, dass es Spaß machte. Und das tat es definitiv. In nächster Zeit hatte er garantiert noch genug Möglichkeiten zu üben. Das sagte ihm jedenfalls sein Gefühl.
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Schuss und Treffer - in der zweiten Mannschaft ✔️ Teil 13
RomanceLinus und Ina sind schon seit zwei Jahren ein Paar. Gemeinsam führen sie das Bauunternehmen von Inas Vater, der seit seinem Herzinfarkt ein Pflegefall ist. Für Ina war der Weg in die Firma schon von kleinauf vorgezeichnet. Linus hatte sich sein Lebe...