„Das ist so schön, dass wir jetzt hier zusammen sind." Genia hatte sich bei Ina untergehakt, nachdem sie ihre Jacken an der Garderobe abgegeben hatten. Ja, Genia konnte es kaum glauben und eine riesige Glückswelle durchspülte sie. Wie oft hatte sie in der Vergangenheit gehofft etwas mit ihrer Tochter zu unternehmen.....mit ihrer Carmen. Und die Oper Carmen hatte ganz oben auf ihrer Liste gestanden.....und dann hatte sie ihre Hoffnung gerade in dem Moment begraben, in dem ihre Tochter eigentlich schon genau vor ihrer Nase gewesen war. Nie im Leben wäre sie darauf gekommen, dass Ina ihre Tochter war. Nein, eigentlich hatte sie immer geglaubt, dass sie es spüren würde, wenn Carmen vor ihr stand.....dass sie dieses besondere Band spürte, das Mütter mit ihren Kindern verband. So wie sie es bei Espie sofort nach der Geburt gespürt hatte. Ja, das Band zwischen ihnen beiden war wohl erfolgreich zerstört worden, denn wenn sie ganz ehrlich war, hatte sie Ina anfänglich überhaupt nicht ausstehen können, als Linus mit ihr bei ihnen aufgetaucht war. Und jetzt....jetzt waren sie zusammen schwer damit beschäftigt sich besser kennenzulernen. Sie waren schon auf einem guten Weg das Band zwischen ihnen beiden neu zu weben. Diesmal aber so stabil, dass es nicht mehr beschädigt oder zerstört werden konnte. Nein, das würde Genia nicht noch einmal zulassen, jetzt wo sie ihr Mädchen wieder in ihrem Leben hatte. „Genauso habe ich mir das damals immer ausgemalt. Wir beide bei Carmen." Ina strahlte sie breit an. „Ich freue mich auch, dass wir beide jetzt hier sind." Genia musste innerlich schmunzeln. Ina hatte sich in der letzten Zeit ziemlich verändert. Früher hatte sie nie so gestrahlt, wenn sie sie gesehen hatte. Da war sie immer ernst und verbissen gewesen. Bemüht die strenge Geschäftsfrau zu geben. Genia gefiel diese Veränderung. In Inas Alter sollte man einfach noch sein Leben genießen können und nicht nur im Geschäft feststecken. Sie musste an ihre Mutter denken. Und wenn sie ehrlich war, hätte ihr bei Ina eigentlich schon viel eher ein Licht aufgehen können, denn sie hatte in vielen Sachen ihrer Großmutter geglichen......diese Verbissenheit im Geschäft. Der Kleidungsstil, dieser gerade gezirkelte Bob, bei dem jedes einzelne Haar akkurat saß. Innerlich schüttelte es Genia bei dem Gedanken. Nein ihre Tochter hatte nicht wirklich etwas gemein mit dieser Frau, die ihnen beiden so geschadet hatte. Das hatte Ina schon mehr als einmal bewiesen. Ina war liebevoll, wenn sie nicht gerade versuchte diesen Charakterzug hinter Ehrgeiz und Stärke zu verstecken. Okay, das ging erbtechnisch mit Sicherheit auch auf Connys Konto und nicht nur auf das ihrer Oma. Genia war sich sicher, dass Ina viel mehr Charakterzüge von ihr geerbt hatte als ihr bewusst war. Und sie würde dafür sorgen, dass die ihren Weg immer mehr an die Oberfläche fanden und nicht von anerzogenen Eigenschaften unterdrückt wurden. „Na dann lass uns mal unsere Plätze suchen gehen, nicht dass wir zu spät kommen." Sie liefen beide nebeneinander untergehakt durch das Foyer. „Ja hallo Ina." Eine Dame im mittleren Alter stellte sich ihnen in den Weg und lächelte sie freundlich an. Ina musste kurz überlegen, ehe sie wusste, wer das war. „Hallo, Frau Börner." Ein Glück war ihr der Name eingefallen. Sie hatte zusammen mit ihrer Mutter bei irgendeinem Verein ehrenamtlich gearbeitet. Damals war sie ständig bei ihnen zu Hause gewesen.„Es ist ja schon so lange her, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben." Ja, das war zur Beerdigung ihrer Mutter gewesen. Danach hatte sie nie wieder etwas von dieser sogenannten Freundin gehört. Dementsprechend hatte sie auch jetzt nicht den Drang sich hier noch lange mit ihr zu unterhalten. Sie wollte einfach weitergehen. „Schaust du mit deiner Freundin auch die Oper?" „Nee, wir sind hier um uns den neuen Actionfilm anzuschauen", hörte sie Genia ganz leise neben sich und musste ein Lachen unterdrücken. „Willst du uns nicht vorstellen! Luise Börner." Okay, das war wohl nichts mit weitergehen, so wie sie Genia gerade die Hand reichte. „Das ist Genia, meine...", übernahm Ina die Vorstellung. Meine was? Sollte sie sagen Mutter? Genau betrachtet wäre es richtig.....aber irgendwie wäre es auch falsch gegenüber ihrer anderen Mutter sie auf einmal so blöd vor ihrer früheren Freundin dastehen zulassen. Andererseits wollte sie auch Genia nicht verletzen. Das war.....das war gerade verflucht schwierig und sie wusste nicht, wie sie das am besten lösen sollte. „Genia Goretzka", unterbrach Genia sie und reichte der anderen Frau einfach die Hand. „Du hast dich wirklich zu einer hübschen Frau entwickelt. Deine Mutter wäre sehr stolz auf dich. Besonders auch, dass du weiterhin unseren Verein so tatkräftig mit Geld unterstützt. Wir haben da nächsten Monat eine Spendengala..." „Tut mir leid, da habe ich keine Zeit." Mit Sicherheit würde sie dort nicht einmal hingehen, wenn sie sich den ganzen Tag langweilen würde. „Aber du weißt doch noch gar nicht wann...." „Ina engagiert sich mit ihrer ganzen Zeit und Kraft in einer gerade gegründeten Stiftung. Carmen engagiert sich für minderjährige Mütter. Vielleicht möchten Sie der Stiftung ja auch eine großzügige Spende zukommen lassen", antwortete Genia für sie, während Ina nur nickte. „Deine Mutter wäre wirklich stolz auf dich, dass du auch caritativ tätig bist. Na dann wünsche ich noch einen schönen Abend und vergiss nicht, auch eine Spende ist gerne gesehen, wenn du nicht zur Gala kommen kannst." „Ebenfalls einen schönen Abend. Und Carmen freut sich auch auf Ihre Spende." „Komisch, wenn sie selbst spenden soll, hat sie es auf einmal eilig. Das sind immer die gleichen Weiber, den es nicht darum geht zu helfen, sondern nur darum irgendwo im Rampenlicht zu stehen." Genia schaute kopfschüttelnd der Frau hinterher, die eiligst davon stöckelte. „Ich...." Ina brach ab und schaute Genia schuldbewusst an. „Ich hätte dich eigentlich als meine Mutter vorstellen müssen, aber....." Manno, wie sollte sie das Genia erklären, ohne sie zu verletzen? Das hatte Genia schließlich nicht verdient. „Aber du wolltest deine andere Mama nicht blöd dastehen lassen. Das verstehe ich. Und glaube mir, ich bin ihr mehr als dankbar, dass sie sich so gut um dich gekümmert hat. Sie hat sich den Namen aus deinem Mund voll verdient und ich muss ihn mir erst noch erarbeiten. Außerdem ist es doch nur wichtig, dass wir beide wissen, wie wir zueinander stehen. Was interessieren uns die anderen." Genia zwinkerte ihr aufmunternd zu und zog sie einfach in ihre Arme. Das fühlte sich gerade so richtig gut an. Trotzdem war da ein kleiner Funke schlechtes Gewissen, der schnell zu wachsen schien. Seit sie erfahren hatte, dass sie adoptiert war, war sie nicht mehr auf dem Friedhof bei ihrer Mutter gewesen. Das war nicht okay!
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Schuss und Treffer - in der zweiten Mannschaft ✔️ Teil 13
RomanceLinus und Ina sind schon seit zwei Jahren ein Paar. Gemeinsam führen sie das Bauunternehmen von Inas Vater, der seit seinem Herzinfarkt ein Pflegefall ist. Für Ina war der Weg in die Firma schon von kleinauf vorgezeichnet. Linus hatte sich sein Lebe...