Kapitel 126

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„Das ist so wunderschön hier. Ein echter Traum. Nicht wahr, Thomas?" Astrids leuchtenden Augen wanderten über die vorbeiziehenden verschneiten Tannenbäume. „So etwas habe ich mir schon immer gewünscht." Thomas leises Brummen konnte Ina nur hören, weil er neben ihr saß. Das Schnauben der Kutschpferde hätte es sonst übertönt. Ja, Linus Vater hatte sich genauso wie Ina gegen diese Reise in die österreichischen Berge mit Händen und Füßen gewehrt. Er hatte sogar das Argument angeführt, dass er die Feiertage dringend bräuchte, um sich schon einmal in die Firma und deren Aufträge etwas einzuarbeiten. Und Ina war ihm sofort zur Seite gesprungen, dass sie ihm dabei behilflich sein und die Unterlagen mit ihm gemeinsam durchgehen würde. Außerdem musste sie sich ja auch für das Studium bewerben. Das hatte ja auch nicht ewig Zeit, wenn sie im nächsten Semester durchstarten wollte. Selbst, wenn ihr Opa sich für sie einbrachte. Eigentlich würde sie es aber viel lieber selbst schaffen, ganz ohne irgendwelche Beziehungen, die jemand spielen ließ. Das erinnerte sie nämlich viel zu sehr an ihren Vater. Bei ihm war nie etwas einfach nur so gelaufen. Und bei ihm hatte sie auch gelernt, dass jeder Gefallen seinen Preis hatte, der irgendwann fällig wurde. Nein, sie wollte nicht so eine Hypothek mit sich herumschleppen. Sie wollte einfach neu starten, ohne irgendwem etwas zu schulden und wenn ihr Opa sich für sie einsetzte, schuldete sie ihm zumindest hervorragende Studienleistungen. Klar freute sie sich auf das Architekturstudium und war sich auch sicher, dass sie es unbedingt wollte, aber das bedeutete ja noch lange nicht, dass sie deshalb auch gut darin war. Ihre Gedanken wanderten wieder zu der Diskussion an Weihnachten, als Luca mit Linus Verlobungsplan herausgerückt war. Dieser Plan hatte auch eine Reise in die österreichischen Berge beinhaltet und das bereits gemietete Chalet. Und das war der Grund, warum sie jetzt hier neben Astrid und Thomas in einem Fiaker durch den Schnee glitt. Ihre Mutter saß ihr gegenüber, genau wie ihr Opa und Alex, die sie anlächelten. „Ja, es war wirklich eine gute Entscheidung, dass wir alle zusammen hierher nach Seefeld gefahren sind und den Jahreswechsel zusammen verbringen." Alex war ihre Begeisterung auch anzusehen. Und so wie Genia strahlte brauchte man gar nicht weiter darüber nachdenken, wie sie das Ganze fand.  Sie war auch die treibende Kraft gewesen, die mehr oder weniger darauf bestanden hatte, dass alle zusammen in den Urlaub fuhren, weil man das ja sowieso nicht mehr stornieren konnte. Ina hatte sich zu erst gesträubt, dann aber schnell gemerkt, dass sie ihrer Mutter nicht viel entgegenzusetzen hatte, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Und dass sie beide ihr erstes Silvester zusammenverbrachten, stand für Genia außer Frage. Und wenn Ina ehrlich war, hätte sie auch nicht ohne Genia alleine in Düsseldorf Silvester feiern wollen. Als Genia dann darauf bestanden hatte auch auf die Reise mit Luca und seiner Familie zu verzichten, hatte Ina lieber schnell eingelenkt und Thomas hatte auch seinen Widerstand aufgegeben. Irgendwie hatten sich dann Alex und ihr Opa zusammen mit Ben auch noch angeschlossen. Natascha war total aus dem Häuschen gewesen. Ina konnte nicht mehr sagen, wie oft sie seit Heiligabend die Wörter cool und abgefahren aus dem Mund ihrer Schwester gehört hatte. Trotzdem war es irgendwie komisch hier zu sein. Also nicht nur, weil Linus das alles eigentlich geplant und bereits bezahlt hatte. Nein, irgendwie war es auch komisch, weil hier genau der letzte Urlaub mit ihrem Vater stattgefunden hatte, bevor sie zusammen mit Luca nach Barcelona gegangen war......bevor ihr Vater zum Pflegefall geworden war......und bevor sie Linus kennengelernt hatte. Manno, hatte er sie damals am Anfang in der WG mit Luca genervt.....und auch wieder nicht. Ihr schoss eine Erinnerung durch den Kopf. Linus und sie auf dem Sofa in der Wohnung in Castelldefels. Sie hatten beide eine Folge von Biene Maja geschaut und eine Menge Spaß dabei gehabt. Auch wenn es ihr damals nicht wirklich klar war, aber wahrscheinlich hatte sie sich damals schon irgendwie in ihn verguckt. Natürlich war es ihr damals nicht klar gewesen.....und selbst wenn. Es war noch die Zeit gewesen, wo sie ein ganz klares Bild von ihrem zukünftigen Partner vor Augen gehabt hatte. Dem Bild, das ihr ihr Vater von kleinauf in den Kopf gepflanzt hatte und dem Linus nicht einmal ansatzweise entsprochen hätte. Eine weitere Erinnerung blitzte in ihrem Kopf auf. Es war der Tag an dem das große Feuerwerk stattgefunden hatte. Johannistag oder so. Auf jeden Fall war es im Juni gewesen. Das wusste sie noch. Damals hatten sich Luca, Linus , Leonie und sie am Strand getroffen, um zu feiern. Okay, es war nicht wirklich nach ihrem Geschmack gewesen, dort zwischen den ganzen Leuten zu picknicken, anstatt lieber in einem der guten Restaurants zu sitzen, aber Luca zu liebe hatte sie sich darauf eingelassen, wenn auch murrend. Und dann hatte seine Familie angerufen, weil seine Schwester ihr Kind bekommen hatte. Er war Hals über Kopf mit dieser Leonie abgehauen und nach Deutschland geflogen. Man, war sie damals sauer gewesen. Und dann hatte Linus sie einfach von der Decke hochgezogen und mit ihr am Strand getanzt....die halbe Nacht. Wahrscheinlich hatte er sich damals auch noch etwas mehr in ihr Herz geschlichen, ohne dass sie es gemerkt hatte. Aber als er ihr dann zur Seite gestanden hatte, in der Zeit nach dem Herzinfarkt ihres Vaters, konnte selbst sie nicht mehr leugnen, dass da mehr zwischen ihnen war und dass sie seine lustige, immer fröhliche und unbeschwerte Art liebte. Ohne ihn hätte sie es niemals alles geschafft. Weder damals noch jetzt. Ina musste schlucken.

Schuss und Treffer -  in der zweiten Mannschaft   ✔️    Teil 13Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt