„Madre mia! Was machst du denn heute für ein Gesicht?" Pedro schaute Linus kopfschüttelnd an. „Heute ist Silvester und nicht Allerheiligen. Heute wird gefeiert und nicht getrauert. Mit dem Gesicht vertreibst du mir ja alle Gäste. Was ist denn los mit dir?" „Also das Surfboard wurde ihm nicht geklaut", lachte Fernando von der anderen Seite der Theke. Ja, für ihn war alles im Leben immer nur Frohsinn. Für ihn gab es nur immer weiß und nie schwarz. Aber auch wenn Linus sich bemühte gute Laune auszustrahlen, fiel ihm das heute besonders schwer. Heute war Silvester, der letzte Tag im Jahr. Der Tag, an dem er Ina eigentlich einen Heiratsantrag hatte machen wollen. Stattdessen stand er aber hier in Barcelona hinter der Bar und schenkte Getränke ein. Auch wenn es ihm hier eigentlich besser ging und seine Albträume total verschwunden waren, ging es ihm trotzdem nicht wirklich besser, denn Ina fehlte ihm von Tag zu Tag mehr. Sein Blick wanderte zu Pablo, der seinen Arm um seine Frau Marisol gelegt hatte und ihr gerade einen Kuss auf die Wange hauchte. Ja, genau so sollte er auch gerade irgendwo mit Ina sitzen. Nicht er hier in Barcelona und sie alleine in Düsseldorf. Das war doch absoluter Bockmist! „Also ich als eigentlich Ahnungsloser, weil ich so etwas noch nie hatte, würde sagen, da hat jemand Liebeskummer", schmunzelte César. „Das ist klar, dass du noch nie Liebeskummer hattest. Dazu müsste es eine Frau ja erst einmal lange genug mit dir aushalten", gackerte Fernando. „Wer sagt denn, dass ich darauf Wert legen würde? Ich stehe mehr auf Vielfalt", zwinkerte César zurück. „Du bist schwul?" Fernandos Augen kullerten fast über den Tresen, so hatte er überrascht die Augen aufgerissen. „Nein, Vielfalt wie große Auswahl von Frauen. Nicht jeden Tag die gleiche, sondern heute blond, morgen rothaarig und übermorgen dunkelgelockt." Er gab Fernando eine leichte Kopfnuss „Jetzt verstanden?" Fernando nickte nur wortlos und grinste breit. „Und du hast Liebeskummer?" Marisol schaute ihn fragend an. Linus glaubte einen Hauch von Mitleid neben dem Interesse in ihrem Blick wahrzunehmen. „Wie heißt sie und was ist passiert?" Ehe sich Linus bremsen konnte, sprudelte auch schon alles aus ihm heraus. Er kam sich vor wie eine Sektflasche, die ungekühlt geschüttelt und deren Korken entfernt worden war. Ja, die Worte schäumten nur so aus seinem Mund. Und mit jedem Wort fühlte er sich ein kleines Wenig leichter......und leerer. Verflucht, Ina fehlte ihm so! „Das hast du nicht wirklich gemacht?" Marisol schaute ihn schockiert an. „Du hast ihr nicht nur einen Zettel da gelassen und dich nicht mehr bei ihr gemeldet." „Ich hatte doch mein Telefon nicht und meine Eltern habe ich nicht erreicht!" Selbst in seinen Ohren hörte sich die Entschuldigung ziemlich schwach an. „Und du bist nicht auf die Idee gekommen, dass es so etwas wie die Auskunft gibt oder eine Mailadresse, über die du ihr alles schildern und deine neue Telefonnummer mitteilen könntest? Ihr Kerle seid so dumm und einfältig", schimpfte die Spanierin nicht nur in seine Richtung. „Vielen Dank auch", brummte Pablo und schaute ihn augenrollend an. „Jetzt hat meine Frau wegen dir schlechte Laune." Linus hob entschuldigend seine Schultern. „Das wollte ich nicht." „Das ist mir egal, jetzt lass uns lieber nachdenken, wie wir das ganz schnell wieder ändern können. Meine Schwägerin kann sonst eine echte Nervensäge sein." „Klappe, Fernando!" Oha, ja, Marisol schien wirklich sauer zu sein, so wie sie ihren Schwager anfunkelte. „Und jetzt zu dir." Sie wandte sich Linus zu, der sich nicht sicher war, dass das gut für ihn war. „Du vermisst deine Ina?" Da musste er nicht lange überlegen, also nickte er. „Und du willst sie zurück? So schnell wie möglich?" Wieder bewegte sich sein Kopf, ohne zu überlegen. „Was stehst du dann hier hinter der Bar?" Gute Frage! Was machte er hier? Wie auf Autopilot öffnete er dir Schleife seiner Schürze und legte sie auf den Tresen. „Was wird das?" Pedro schaute ihn überrascht an. „Ich muss nach Hause nach Düsseldorf zu meinem Mädchen." Die Worte waren von ganz alleine gekommen. „Aber...." „Klappe, Pedro. Wir schaffen das hier heute auch alleine", tauchte die Stimme von Pedros Frau hinter ihm auf. Scheinbar hatte sie wohl schon ein Weilchen dort gestanden und alles mitbekommen. Marisol klatschte in ihre Hände. „Na dann los auf zum Flughafen." Sie stupste ihren Schwager in die Seite. „Wo hast du deine aufgemotzte Karre geparkt? Du gibst doch immer damit an, wie schnell dein Auto ist." Bei dem Wort Karre war Fernando merklich zusammengezuckt und Linus musste schmunzeln. Ja, das Auto war sein Heiligtum. „Quatsch, ihr feiert hier. Ich nehme mir ein Taxi." Wie auf Bestellung fingen allesamt an zu lachen. „Ja klar, an Silvester ein Taxi in Barcelona. Der war gut! Los lasst uns starten und ich schaue auf der Fahrt schon einmal, was ich machen kann." César war von seinem Barhocker aufgesprungen. „Ich habe zwar heute nicht Dienst, aber ich bekomme dich schon noch auf eine Passagierliste nach Deutschland." Ja, César arbeitete ja am Flughafen El Prat. Und wenn es jemandem gelang, dass Linus heute an Silvester noch einen Flug bekam, dann war es César. „Dann redet hier nicht, vamos!" Marisol schob auch ihren Mann vom Barhocker. „Er muss noch vor Mitternacht zurück sein, damit das Jahr für die beiden glücklich beginnt." Marisol drehte sich noch einmal zu Pedro um. „Und pack ihm noch schnell zwölf Trauben ein." Pedros Frau reichte ihr ein kleines Tütchen. „Schon passiert. Und jetzt seht zu, dass ihr loskommt." Ja, die Trauben waren für die Spanier wichtig. Sie aßen sie um Mitternacht. Zu jedem Glockenschlag wurde eine verzehrt und wer das pünktlich schaffte, dem war ein glückliches neues Jahr im Wohlstand versprochen. Auf Wohlstand könnte Linus gut verzichten. Auf Ina und Glück nicht. Also griff er sich die Tüte. Er würde die Trauben garantiert pünktlich und im richtigen Rhythmus verzehren. Das war er Ina und auch sich schuldig.....„Door is open!", scholl es aus dem kleinen Lautsprecher und Linus erhob sich aus seinem Sitz. Schnellen Schrittes lief er den Gang entlang. Glücklicherweise war das Flugzeug fast leer und er musste nicht lange warten, ehe ihm die Stewardess ein freundliches Lächeln zum Abschied zuwarf. „Einen guten Rutsch", wünschte sie ihm in fast akzentfreiem Deutsch und dann setzte er seinen Fuß nach knapp zehn Tage zum ersten Mal wieder auf deutschen Boden. Das war.....das war irgendwie komisch und in seinem Bauch zog sich alles zusammen, schließlich wusste er ja nicht, was ihn in Düsseldorf erwarten würde. Und bis dahin war es auch noch ein langer Weg, denn es war nur noch ein Flug nach München gegangen. Jetzt musste er erst einmal noch wieder von hier weiterfliegen. Sein Blick fiel zu der großen Uhr. Es war gerade zweiundzwanzig Uhr. Ob er bis Mitternacht zu Hause war, war mehr als fraglich, aber wichtig war nur, dass er überhaupt möglichst bald wieder bei Ina war.
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Schuss und Treffer - in der zweiten Mannschaft ✔️ Teil 13
RomanceLinus und Ina sind schon seit zwei Jahren ein Paar. Gemeinsam führen sie das Bauunternehmen von Inas Vater, der seit seinem Herzinfarkt ein Pflegefall ist. Für Ina war der Weg in die Firma schon von kleinauf vorgezeichnet. Linus hatte sich sein Lebe...