„Adiós y muchissimas gracias." Linus verabschiedete sich mit einem kumpelhaften Schulterklopfer bei Cristian. „Ich habe zu danken für die nette Begleitung. War schön dich kennenzulernen. Warte, ich gebe dir noch schnell meine Nummer." Er zwinkerte ihm grinsend zu. „Vielleicht treffen wir uns noch einmal irgendwo in einer Bar auf ein Bier." Die Idee gefiel Linus, denn die Fahrt in dem LKW war wirklich ziemlich unterhaltsam gewesen. Er musste daran denken, wie Cristian sich auf dem Parkplatz in Frankreich mit ihm die leckere Gazpacho seiner Frau und auch seine anderen Essensvorräte geteilt hatte. Ja, dafür hatte er sich mit Sicherheit nicht nur ein Bier verdient, sondern auch noch ein paar ordentliche Tapas. Linus griff sich seinen Rucksack, den er zu seinen Füßen abgestellt hatte, nachdem er aus dem LKW geklettert war. Er begann zu wühlen. „Verflucht, wo ist das Handy?" Er war sich ganz sicher, dass er es eingepackt hatte. Im Kopf ließ er noch einmal alles Revue passieren. Er war von der Baustelle abgehauen und nach Hause gefahren. Dort hatte er Natascha und Frau Senger getroffen. Dann war er die Treppen hinauf in das Schlafzimmer gestürmt.....und hatte sein Handy auf das Bett geworfen, bevor er aus seinen Klamotten gesprungen war und sich umgezogen hatte. Dann hatte er seine alten Klamotten auf das Bett gefeuert, sein Wasch- und Rasierzeug aus dem Bad geholt und alles in seinen Rucksack gestopft. Wieso war da also jetzt nicht sein Handy? Linus begann erneut alles durchzuwühlen. „Lo siento, compañero. Aber meine Arbeit ruft. Hier hast du meine Nummer." Cristian drückte Linus einen kleinen Papierzettel in die Hand. „Ruf mich an, wenn du Zeit hast. Oder, wenn du wieder nach Deutschland willst. Ich fahre die Tour alle zwei Wochen." Cristian klopfte ihm noch einmal auf die Schulter und verschwand dann wieder im Führerhaus seines LKWs. Der Dieselmotor brummte laut neben Linus und der LKW setzte sich langsam in Bewegung. Die laute Fanfare ließ ihn erschrocken zusammenzucken und er schaute kopfschüttelnd hinterher. Cristian war schon irgendwie cool und auch un poco loco. Ja, ein bisschen verrückt war Cristian auf jeden Fall. Linus musste schmunzeln. Auch über sich selbst. Scheinbar war er wirklich schon in Spanien angekommen, wenn sich schon die ersten spanischen Wörter in seine Gedanken schlichen. Das änderte aber nichts an der Tatsache, dass er sein Handy nicht fand. Und das war ziemlich unerfreulich. Wie sollte er jetzt Ina sagen, dass es ihm gut ging und sie sich keine Sorgen um ihn machen musste. Ja, Cristian hatte ihn während den Stunden im LKW immer wieder ins Gewissen geredet und ihn mehr oder weniger so weich gekocht, dass er Ina wenigstens persönlich anrufen und nicht nur mit seinem Zettel für sie abspeisen wollte. Cristian hatte schon recht. Das hatte sie nicht verdient, denn sie hatte nichts falsch gemacht, sondern ganz alleine er. Er hätte schon viel früher die Notbremse ziehen müssen. Im Grunde schon nach Hamburg. Aber auch dazu war er - wenn er ehrlich zu sich selbst war - zu feige gewesen. Er hatte doch gewusst, wo das alles hinführte. Okay, das war aber jetzt auch egal. Er hatte kein Handy und dementsprechend auch keine Telefonnummern. Er konnte also weder Ina noch Luca anrufen, damit er mal nach ihr schaute. Er war ja nicht völlig von der Rolle und ihm war durchaus schon klar, dass sein Verschwinden nicht einfach so an Ina vorbeigehen würde. Aber momentan musste er einfach an sich selbst denken und da gab es keinen anderen Weg. Vielleicht war das vergessene oder verlorene Handy auch einfach ein Wink des Schicksals. Ja, vielleicht hatte es beschlossen, dass er sich bei niemanden melden und sich einfach nur um sich selbst kümmern sollte. Linus schulterte seinen Rucksack und lief los. Die Frage war nur, wo er jetzt als erstes hin sollte? Er blickte sich kurz um und entdeckte eine Bushaltestelle nur circa hundert Meter von ihm entfernt. Cristian hatte ihn ja am Rande eines Industriegebiets abgesetzt. Gemütlich lief er zu der Haltestelle. Mist, dort war kein Fahrplan angebracht. Wer weiß, wie lange er hier auf einen Bus warten musste. Na wenigstens war es hier in Barcelona nicht so kalt wie in Deutschland. Nein, es war milder, so schätzungsweise um die 15 bis 18 Grad. Das war auch gut so. Er liebte dieses mediterrane Klima. Trotzdem hatte er keine Lust hier völlig planlos herumzustehen. Dann musste er halt Google bemühen, um das herauszufinden. Sein Griff ging zum Rucksack. Ja, genau, der war gut, lachte er über sich selbst. Okay, dann half nur Plan B und der ließ sich schon einmal gut an, denn es bog gerade ein Auto um die Ecke. Linus hielt sofort seinen Daumen hoch. Und ja, Plan B funktionierte wirklich ausgezeichnet, denn der Fahrer hielt neben ihm an und ließ die Scheibe herunter. „Wo willst du hin?" Die Spanier waren weit unkomplizierter als die Deutschen. Sie hielten sich nicht lange mit dieser förmlichen Anrede auf, sondern duzten einen sofort. „In die City." So genau hatte sich Linus noch gar nicht überlegt, wo er in Barcelona genau hinwollte. Es gab da so einige Anlaufstationen für ihn. „Das ist ein dehnbarer Begriff. Ich fahre nach Barceloneta. Also falls du mitkommen willst, steige ein." Und ob das passte. Das passte sogar ziemlich perfekt, denn einer von Linus wichtigsten Anlaufpunkten lag genau dort. Er öffnete die Beifahrertür und ließ sich auf den Sitz gleiten. Seinen Rucksack behielt er auf dem Schoß. „Dieser Bus hier fährt wirklich nur, wie es ihm gefällt. Da kannst du stundenlang warten. Und manchmal auch tagelang." Der Fahrer warf ihm einen kurzen Blick zu. „Ich bin übrigens Fernando. Ich arbeite da hinten in der Autofabrik. Und wer bist du?" „Ich bin Linus." „Okay, du sprichst zwar gut Spanisch, aber dein Name verrät mir, dass du nicht von hier bist. Also Linus, was machst du hier in Barcelona?" Die ehrliche Antwort wäre, mich selbst wiederfinden. „Ich suche einen Job", hörte sich Linus aber stattdessen sagen. „Und wenn es gut läuft, werde ich den auch in Barceloneta finden." Sein Fahrer schmunzelte nur. „Na dann werden wir uns mal beeilen." Ja, das war ein guter Ansatz, auch wenn er für seinen Geschmack etwas zu viel Gas gab, so wie Linus in den Sitz gepresst wurde.
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Schuss und Treffer - in der zweiten Mannschaft ✔️ Teil 13
RomanceLinus und Ina sind schon seit zwei Jahren ein Paar. Gemeinsam führen sie das Bauunternehmen von Inas Vater, der seit seinem Herzinfarkt ein Pflegefall ist. Für Ina war der Weg in die Firma schon von kleinauf vorgezeichnet. Linus hatte sich sein Lebe...