Kapitel 87

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Die Beerdigung hatte Ina so mehr oder weniger gut überstanden. Sie war zusammen mit Schischi und Linus hinter dem Sarg hergelaufen. Alles war so irreal gewesen. Das war aber jetzt auch schon wieder fast eine Woche her. Trotzdem war ja mit der Beerdigung nicht alles erledigt. Nein, sie saß vor einem riesigen Karton mit Beileidsbekundungen, die alle mehr oder weniger beantwortet werden mussten. Sie griff sich einen Umschlag heraus und starrte auf die Zeilen, die dort geschrieben waren. Okay, das war ein Kunde. Normalerweise würde da die gedruckte Standardkarte ausreichen. Da Ina aber von den sehr persönlich gewählten Worten beeindruckt war, entschied sie sich dafür auch eine persönliche Antwort zu schicken. Ein Klopfen an der Bürotür riss sie aus ihrer Suche nach den passenden Worten. „Ja bitte!", rief sie laut genug, dass sich die Tür im nächsten Moment öffnete. „Ich wollte Sie eigentlich nicht stören, aber...." Einer ihrer Bauleiter trat an ihren Schreibtisch und knetet seine Hände. „Also, Sie hatten ja gesagt, dass das Haus in Bochum wichtig wäre. Ich habe da jetzt alles so weit fertig und das Material für den Umbau ist auch schon geliefert. Wir könnten da theoretisch sofort loslegen." „Wieso nur theoretisch?" Ina schaute ihn fragend an. Er fuhr sich mit seiner Hand durch den Nacken. „Na ja, wir haben so viele Aufträge, dass wir keine Leute haben, die wir dort hinschicken können." Wie bitte? Das konnte ja wohl nicht sein. Ina hatte Genia versprochen, dass sie ihr Haus so schnell wie möglich umbauen würden. Sie besaß eine Baufirma. Da konnte es ja wohl nicht sein, dass ihre eigene Familie warten sollte. Nee, das ging überhaupt nicht. Schon alleine wegen des Babys. Außerdem war sie Genia das auch schuld, so sehr wie sie sich um sie und Natascha in dieser beschissenen Zeit gekümmert hatte. „Dann müssen wir einen anderen Auftrag zurückstellen. Der in Bochum hat höchste Priorität."  „Wir haben aber schon bei den meisten Verzögerungen, die wir wieder aufholen müssen. Durch diese verdammte Grippewelle haben wir so einen hohen Krankenstand und das Wetter spuckt uns auch ins Essen." Ja okay, das Wetter war wirklich schon sehr winterlich für Anfang Dezember. In den letzten Jahren hatte der Winter mehr oder weniger für keine Einschränkungen gesorgt. Das sah dieses Jahr etwas anders aus mit dem Dauerfrost, der gerade herrschte. Trotzdem! „Ich könnte vielleicht einen Mann in Ratingen abziehen." Inas gegenüber zuckte mit den Schultern. „Aber....." „Aber einer alleine reicht nicht aus", unterbrach ihn Ina. „Bei welchem Auftrag stehen wir denn am besten da?" Früher hätte sie das aus dem Kopf gewusst, aber seitdem das mit der Adoption herausgekommen war, hatte sie sich ziemlich aus der Firma zurückgezogen. Und in der Zeit vom Tod ihres Vaters bis zur Beerdigung war sie nicht ein einziges Mal im Büro gewesen. In ihr breitete sich ein riesiges schlechtes Gewissen aus. Sie hatte alles auf Linus abgewälzt und er hatte ohne Protest auch noch ihre Arbeit übernommen, obwohl er selbst schon genug hatte. Kein Wunder, dass er ständig so geschafft aussah. Ina musste sich unbedingt etwas einfallen lassen, womit sie sich bei ihm dafür bedankte, dass er ihr so den Rücken freigehalten hatte......und für seine Unterstützung. Ina dachte an die Beerdigung und wie er für sie die Trauerrede gehalten hatte. Er war nicht einmal ins Stocken geraten, während bei ihr die Tränen in Strömen gelaufen waren. Natascha hatte sie sogar tröstend in den Arm genommen, genau wie Genia, die die ganze Zeit ihre Hand gedrückt und ein Taschentuch bereit gehalten hatte. Deshalb war es auch keine Frage, dass das Haus noch vor Weihnachten fertig werden musste. Das wäre doch das schönste Geschenk, dass sie ihr und Luca machen konnte. „In Witten sieht es ganz gut aus. Da ist schon alles zu und der Innenausbau ist schon am Laufen." Ina nickte. „Na das ist doch perfekt. Dann können sie eine Kolonne für eine Woche abziehen, damit sie in Bochum alles fertig machen." Ja, sie würde dafür sorgen, dass das Haus ihrer Mutter komplett bezugsfertig ist, denn sie hatte ja schon die Fliesen und Sanitäreinrichtung mit ihr ausgesucht. „Dann kommt aber in Witten alles zum Erliegen." Ihr Gegenüber schaute sie irritiert an. „Ich kann doch nicht eine ganze Kolonne in dieses kleine Haus da schicken. Die stehen sich da ja auf den Füßen." „So klein ist es auch nicht. Und je mehr da sind, desto schneller ist es fertig und wir können in Witten weitermachen. Ich will, dass die Wände herausgenommen werden, alles neu verputzt wird, die Bäder und die Küche gefliest werden und alle Wände frisch gestrichen sind. Das Haus hat noch vor Weihnachten schlüsselfertig zu sein." „Aber..." „Kein aber. Ich erwarte, dass sie meine Anweisung umsetzen." Der Bauleiter nickte nur und verließ ihr Büro. An der Tür brummte er sich nur etwas in den Bart und schüttelte leicht den Kopf. Das interessierte Ina aber nicht. Sie hatte mit ihm nur so gesprochen, wie sie es bei ihrem Vater mehr als einmal erlebt hatte. Also sollte er sich nicht so haben. Sie widmete sich wieder den Beileidsschreiben vor ihr. Es war fast so, als nahmen sie überhaupt kein Ende. Ina stellte sich die Frage, wie viele davon wirklich so gemeint waren und wie viele davon einfach nur geschrieben wurden, weil es sich so gehörte. Ihr Telefon begann zu klingeln. „Preetz", meldete sie sich. „Frau Preetz, ich wollte Sie nur an Ihren Termin bei Doktor Schreiber erinnern", ertönte die Stimme ihrer Empfangsdame. Ina schaute erschrocken auf die Uhr. War es schon so spät. „Danke!" Sie legte den Hörer wieder auf und lief zum Garderobenschrank, um ihren Mantel herauszuholen. Sie hätte fast die Testamentsverlesung verschlafen. Okay, all zu viel überraschendes würde es da mit Sicherheit nicht geben. Ihr Vater hatte ja nur seine beiden Töchter. Trotzdem war es ein wichtiger Termin. „Du, wir müssen uns da mal kurz über einen Auftrag unterhalten. Ich habe da...." Linus war in ihr Büro gekommen. „Nicht jetzt. Ich muss los. Die Testamentsverkündung." Linus nickte. „Ist ja auch egal, ich wollte dir nur erzählen, dass ich da gerade ein echt guten Folgeauftrag angeboten bekommen habe. Und wenn alles gut läuft, sind wir da richtig dicke drin." Ina lief zu ihm und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. „Das klingt super. Dann nimm ihn an." Damit war sie auch schon aus der Tür verschwunden und Linus schaute ihr hinterher. „Okay, dann nahm er ihn halt an, ohne mit ihr weiter darüber zu sprechen. Was sollte da schon schief gehen?

Schuss und Treffer -  in der zweiten Mannschaft   ✔️    Teil 13Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt