Linus ließ sein Handy in seine Hosentasche gleiten. Wieder hatte er seine Eltern nicht erreicht. War schon komisch, dass er sie nie erreichte. Scheinbar waren sie ständig unterwegs. In den letzten Tagen hatte er es täglich mehrmals versucht. Also wenn er Zeit gefunden hatte. Das hieß, wenn er nicht gerade beim Surfen oder oder in der Bar war. Die letzten Tage waren echt cool gewesen und Linus hatte viel Spaß mit seinen drei Kumpels auf dem Wasser gehabt. Ja, der Wettergott musste ein verkappter Surfer gewesen sein, denn er hatte ihnen nicht nur Sonne und angenehme Temperaturen geschickt. Nein, er hatte auch noch die perfekten Wellen für sie bereit gehalten. Linus schaute noch einmal zum Himmel, der sich in strahlendem Blau zeigte, bevor er die Tür zur Bar öffnete. Es würde nicht mehr lange dauern bis hier wieder alle Tische draußen standen und sich das Leben hier in Barcelona nur noch draußen abspielte. Ja, spätestens an Ostern hielt es keinen Spanier mehr im Haus. Jetzt war aber erst einmal Silvester und heute gab es hier in der Bar noch genug vorzubereiten. Pedro hatte ihn voll eingeplant. Ja, Linus hatte er zur Aufsicht über das andere Personal verdonnert. Glücklicherweise gab es mittlerweile drei seiner Kollegen, die er richtig eingearbeitet hatte und auf die er sich verlassen konnte. Ihm war immer noch nicht klar, warum das vorher nicht funktioniert hatte. Selbst die schaffende Kraft von seinem ersten Abend hatte den Dreh so langsam raus. Das hieß zwar nicht, dass man sie jetzt den Blitz nennen konnte, aber wenigstens erreichte das Essen nicht mehr das Verfallsdatum bevor sie es serviert hatte. Es wurde spannend, wie sie sich heute machte. Ja, heute war alles Personal vor Ort, das Pedro beschäftigte. „Hola Linus!" Einer der Stammgäste winkte ihm beim Betreten der Bar von seinem Tisch aus zu. Linus kannte ihn schon von damals, als er hier gearbeitet hatte. „Hola, Carlo!", grüßte er zurück. „Komm mal bitte her, Linus. Ich möchte dir jemanden vorstellen." Okay, so viel Zeit musste immer sein. Linus lief zum Tisch. „Das ist meine Verlobte Sofia. Und das ist Linus der beste Barkeeper Barcelonas", stellte Carlo die beiden einander vor. „Uih, da fühle ich mich aber geschmeichelt. Schön, dich kennenzulernen, Sofia." „Ja, ich freue mich auch, Linus." Sofia war eine zierliche Frau, die ihn freundlich anlächelte. „Ihr werdet euch jetzt öfter sehen", lächelte Carlo glücklich. „Sofia hat endlich ihr Studium in Madrid beendet und hier in Barcelona gleich einen Job gefunden." Der Stolz war in seiner Stimme kaum zu überhören. Das erklärte aber auch, warum Linus Sofia noch nie hier in der Bar gesehen hatte. „Na, dann gratuliere ich. So, ich muss jetzt aber ab hinter den Tresen, sonst verliere ich meinen Job. Pedro ist ein echter Sklaventreiber", zwinkerte er den beiden zu und alle drei mussten lachen, denn ihnen war allen klar, dass Pedro bestimmt vieles war, aber kein Sklaventreiber. Linus verschwand hinter der Bar und band sich seine Schürze um. „Das ist meine Verlobte", echote Carlos Stimme in seinem Kopf und sein Blick wanderte zu den beiden am Tisch, die dort ganz verliebt Händchen hielten. Alleine der Anblick verursachte bei ihm eine tief Sehnsucht nach Ina. Wie gerne würde er auch mit ihr hier an einem Tisch sitzen und ihre Hand halten. Damals als er hier gearbeitet hatte, hatte sie die Bar nie betreten. Nein, da war sie noch auf Edelrestaurants von ihrem Vater getrimmt gewesen. Keine zehn Pferde hätten sie hier wahrscheinlich hinein bekommen. Das hatte sich aber geändert. Ja, heute war sie nicht mehr nur eine verwöhnte Tochter, sondern eine Frau, die mitten im Leben stand. Er spürte den gleichen Stolz in sich aufsteigen, den er vorhin in Carlos Stimme gehört hatte. Ja, er war stolz auf seine Ina und wie sie sich entwickelt hatte. Schon damals am Strand bei der Noche de San Juan hatte Linus sich in sie verliebt, jedenfalls, wenn er es rückwirkend betrachtete. Erst war sie total spröde gewesen und dann als Luca spontan nach Deutschland aufgebrochen war, weil sein Neffe geboren war, hatte er die ganze Nacht dort am Strand mit ihr getanzt. Damals hatte er kurz hinter ihre Maske gesehen und eine fröhliche und liebenswerte Frau entdeckt. Nicht diese zwanghafte Geschäftsfrau, die sie immer versuchte darzustellen. Trotzdem hatte er keine Zukunft für sie gesehen und wäre auf seiner Weltreise weitergezogen. Und dann kam dieser eine Anruf, der alles verändert hatte. In diesem Moment damals, war ihm klar gewesen, dass es für ihn nur einen Weg gab und das war der mit Ina zurück nach Deutschland. Er hatte sofort gespürt, dass er sie unterstützen musste und hatte unterbewusst bereits auf mehr gehofft......und er war nicht enttäuscht worden. Das Schicksal schien seinen Plan gehabt zu haben. Aber warum war er dann hier? Ohne Ina? Wieder schoss das Wort Verlobte durch seinen Kopf und es schnitt ihm ins Herz. Eigentlich hatte er morgen Ina auch so nennen wollen. Ja, heute noch vor Mitternacht hatte der Ring an ihrem Finger landen sollen. Linus schüttelte leicht deprimiert seinen Kopf. Daraus würde nichts werden. Alleine wegen ihm. „Alles klar, Großer? Du siehst so nachdenklich aus." Pedro war neben ihm aufgetaucht und musterte ihn. „Heute wird ein anstrengender Tag, aber glaube mir, wir schaffen das alles." Pedro versuchte Zuversicht auszustrahlen. Das gelang ihm aber nur bedingt, denn er wusste genau, dass selbst mit allem Personal das an so einem Tag eine wahre Prüfung war. Die Bar würde mit Sicherheit schon weit vor Mitternacht aus allen Nähten platzen. „Meine Frau steht heute sogar zusammen mit meinen Töchtern in der Küche. Sie bereiten schon so viel wie möglich vor. Nur meine Schwiegersöhne, diese nutzlosen Kerle haben Dienst bei der Guardia civil." Pedro verzog sein Gesicht und schüttelte den Kopf. „Was habe ich nur in meiner Erziehung falsch gemacht. Warum konnten meine Töchter sich nicht Männer suchen, die man gebrauchen kann?" In seinem Gesicht tauchte ein breites Grinsen auf, das das Gesagte Lügen strafte und man sah sofort, dass er auch auf seine Schwiegersöhne stolz war. Das wäre Inas Vater nie auf Linus gewesen. Aber das war ja nun auch wirklich egal. Der Kerl spielte ja glücklicherweise keine Rolle mehr. Alleine bei dem Gedanken, dass er früher ihn erst einmal um die Hand seiner Tochter hätte bitten müssen, wurde Linus übel. Da war es bei Luca schon viel einfach als Stiefvater gewesen. Ein kurzes Lächeln schlüpfte in sein Gesicht. Luca! Hoffentlich kümmerte er sich gut um Ina, solange er weg war. Verflucht, Ina fehlte ihm so! „Alles okay? Du schaust schon wieder so verzweifelt. Fehlt noch irgendetwas? Noch kann ich es besorgen." Linus schüttelte den Kopf. Das was ihm wirklich fehlte konnte Pedro ihm nicht besorgen. Das konnte er nur ganz alleine!
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Schuss und Treffer - in der zweiten Mannschaft ✔️ Teil 13
RomanceLinus und Ina sind schon seit zwei Jahren ein Paar. Gemeinsam führen sie das Bauunternehmen von Inas Vater, der seit seinem Herzinfarkt ein Pflegefall ist. Für Ina war der Weg in die Firma schon von kleinauf vorgezeichnet. Linus hatte sich sein Lebe...