„Ja hallo, ihr Beiden!" Doktor Spengler begrüßte Ina und Natascha mit Handschlag. Er war schon seit Ina denken konnte ihr Familienarzt und immer zur Stelle, wenn es einem von ihnen an etwas fehlte. Selbst heute besuchte er ihren Vater noch ab und zu in der Seniorenresidenz und übernahm einen Teil der ärztlichen Versorgung. „Wo drückt denn der Schuh?" „Der drückt überhaupt nicht", maulte Natascha. „Ina dreht nur an der Uhr, weil ich mich ein bisschen geschnitten habe." Sie machte eine kurze Pause. „Obwohl eigentlich hat sie mich geschnitten. Und jetzt hat sie ein schlechtes Gewissen und will unbedingt noch mehr Blut sehen und meine Blutgruppe wissen." Der ältere Herr in seinem weißen Polohemd fing an zu schmunzeln, während er zu Ina schaute. „Na da werden wir wohl schon einen erhöhten Hormonstatus feststellen", zwinkerte er ihr zu. Oh ja, die Pubertät schlug bei Natascha wohl schon sehr früh zu, wie Ina immer häufiger feststellen musste und stärker als bei ihr selbst. „Aber deine Schwester hat recht", wandte er sich wieder an ihre jüngere Schwester. „Man sollte immer einen Notfallpass mit seiner Blutgruppe haben." Er erntete einen Flunsch. „Ich will aber nicht blutleer sein. Dann hilft der Notfallpass auch nichts mehr." „Schischi, jetzt stell dich nicht so an!" Ina reichte diese Debatte, die sie am heutigen Tag bestimmt schon dreimal hinter sich gebracht hatte. Ihre Schwester war doch kein kleines Kind mehr. Wie schlimm war es schon mit einer kleinen Nadel in den Arm gestochen zu werden? „Du siehst auch ziemlich blass aus." Doktor Spengler schaute Ina nachdenklich an. „Bei dir sollten wir auch gleich mal Blut abnehmen, wenn du schon einmal hier bist." Okay, das hatte sie zwar nicht eingeplant, aber im Grunde sprach ja nichts dagegen. Sie fühlte sich zwar total fit und eigentlich war es unnötig, aber...ach egal. „Inibini muss aber zu erst gepiekt werden." Natascha grinste sie breit an. Okay, dann ging sie halt mit guten Beispiel voran.....
Eine Viertelstunde später saß Ina immer noch leicht benommen auf der Pritsche beim Arzt. So etwas war ihr ja noch nie passiert. Alleine bei dem Gedanken, dass sie umgekippt war als eine kleine Nadel in ihren Arm gestochen wurde, brannten ihr ihre Wangen vor Scham. „Inibini, geht es dir wieder gut?" Ihre kleine Schwester schaute sie besorgt an. „Ja, alles bestens", versuchte sie sie schnell zu beruhigen......und irgendwie auch sich selbst. „Hier, das soll ich dir vom Doktor geben." Natascha reichte ihr ein Stück Traubenzucker. In dem Augenblick, in dem sie es sich in den Mund schob, öffnete sich die Tür und Doktor Spengler kam wieder in den Raum. „Du hast uns eben einen ganz schönen Schreck eingejagt." Wieder spürte Ina Wärme in ihren Wangen. „Deine Schwester hat sich aber tapfer geschlagen." Er wuschelte Natascha über den Kopf und erntete dafür ein leicht empörtes Schnauben, dem ein Zurechtzuppeln der Haare folgte. „Hier als Belohnung für dich. Oder bist du dafür schon zu alt?" Er reichte Natascha einen Lolli. Die Kleine schaute ihn nachdenklich an und schüttelte dann grinsend ihren Kopf. „Dafür ist man niemals zu alt." Sie zuppelte das Papier ab und schob sich das Teil in den Mund. „Wir beide sollten aber auch mal ein ernstes Wort miteinander reden." Doktor Spengler wandte sich Ina zu. „Auch wenn ich dein Blutergebnisse noch nicht habe, kann ich dir jetzt schon sagen, dass du dich mal etwas schonen musst. Du brauchst mal etwas Urlaub, sonst steuerst du direkt auf ein Burnout zu." Ina wich seinem besorgten Blick aus. So ein Blödsinn, sie war doch gerade erst im Urlaub und das hatte für mehr Streß gesorgt als wäre sie einfach zu Hause geblieben und hätte weiter gearbeitet. „Ich hatte erst Urlaub. In den letzten Tagen war es nur etwas streßig. Ich musste mich um ein dringendes Genehmigungsverfahren kümmern und Nataschas Geburtstag musste ja auch vorbereitet werden. Aber das ist ja jetzt vorbei. Ab jetzt ist es wieder ruhiger." Doktor Spengler schüttelte seinen Kopf und verzog das Gesicht. „Weißt du, wie oft ich genau diese Worte von deinem Vater gehört habe? Und dann kommt die nächste Baustelle und die nächste Abnahme oder die nächste Ausschreibung. Und anstelle des Geburtstags kommt dann Weihnachten, Ostern oder der nächste Geburtstag. Wenn du denkst, dass ich da noch einmal still zuschaue, hast du dich geirrt, mein Kind. Dazu kenne ich dich schon viel zu lange. Und ich habe mich damals immer von deinem Vater und seinen Ausreden wieder ruhig stellen lassen. Das passiert mir nicht noch einmal. Oder möchtest du, dass ich dir genau wie deinem Vater irgendwann in einem Pflegeheim gegenüberstehe." Ina war dieses Gespräch gerade vor den Augen ihrer Schwester alles andere als angenehm. „Hat Papa denn schon die Bluttransfusion bekommen?", versuchte sie das Thema unauffällig von sich abzulenken. „Oder muss er da erst auf eine Blutspende warten?" Der Doktor schnaubte einmal. „Nein, er hat ja Glück, dass er wenigstens Blutgruppe A hat, da ist das kein Problem. Die haben ja die meisten. Trotzdem sind wir mit dem Thema noch nicht durch. Ich bin zwar nicht mehr der jüngste, aber trotzdem merke ich noch, wenn mich jemand galant ausschalten will." Ina sah nur einen Weg das Thema zu beenden. „Ich werde mir eine kleine Auszeit nehmen", warf sie ihm also den Knochen hin. Der Doktor nickte. „Und du passt auf, dass sie das auch wirklich macht", zwinkerte er Natascha zu. „Disneyland in Paris soll wirklich schön sein jetzt im Herbst." „Au ja, Inibini, lass uns da hinfahren." Natascha klatschte begeistert in die Hände, während Ina den Doktor innerlich verfluchte. Ahnte er überhaupt, was er damit losgetreten hatte? Wahrscheinlich nicht einmal im Ansatz. Natascha würde sie garantiert damit nicht mehr in Ruhe lassen bis sie Pariser Boden unter den Füßen hatte. „Doktor, hier ist der Notfall-Ausweis." Eine Arzthelferin kam ins Zimmer und reichte dem Doktor ein Papierdokument. „Sie müssen es nur noch unterschreiben." Der ältere Herr griff zu und schaute darauf, ehe er zu einem Stift griff und unterschrieb. „Ach, du hast die gleiche seltene Blutgruppe, wie deine Mutter. AB positiv haben in Deutschland nur rund vier Prozent der Bevölkerung. So, und den Ausweis solltest du ab jetzt immer bei dir haben." Er reichte Natascha das Papierstück und die Kleine schaute es sich an, ehe sie es in ihrer kleinen Umhängetasche verschwinden ließ. „Das muss ich dann doch auch mit nach Paris nehmen, damit ich es im Notfall Mickey Maus zeigen kann, oder?" Doktor Spengler grinste zufrieden. „Auf alle Fälle und auch nach Rom, falls es der Papst sehen möchte." „Rom", quietschte Natascha begeistert und Ina gab ein leises Stöhnen von sich. „Wir müssen jetzt los!" Sie schob ihre kleine Schwester zur Tür, ehe der Doktor auch noch erzählte, dass Schneewitchen in Florida den Notfall-Ausweis sehen wollte. Da hatte er ihr echt etwas eingebrockt. Da musste Ina sich etwas einfallen lassen, um das wieder aus Nataschas Gehirn zu löschen.
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Schuss und Treffer - in der zweiten Mannschaft ✔️ Teil 13
RomanceLinus und Ina sind schon seit zwei Jahren ein Paar. Gemeinsam führen sie das Bauunternehmen von Inas Vater, der seit seinem Herzinfarkt ein Pflegefall ist. Für Ina war der Weg in die Firma schon von kleinauf vorgezeichnet. Linus hatte sich sein Lebe...