Kapitel 108

176 35 10
                                    


Ina legte ihre Tasche auf der Kommode ab und schlüpfte aus ihrer Jacke. Puh, das war heute ein echt anstrengender Tag gewesen. Alleine schon dieses Gespräch mit diesem König, der scheinbar der Meinung war, sein Name war auch gleichzeitig sein aristokratischer Titel. Egal, sie hatte es jedenfalls geschafft, dass alle ihre verfügbaren Handwerker ab morgen früh auf seiner Baustelle standen. Damit sollte eigentlich seine Forderung erfüllt sein. Ina schlüpfte auch aus ihren Schuhen und bewegte mit einem leichten Stöhnen ihre Zehen. Das war schon komisch, dass ihr heute die Füße weh taten, obwohl sie es eigentlich gewöhnt waren, in diesen Absatzschuhen zu stecken. Ja, ihre Füße waren es absolut gewöhnt, schließlich hatte ihr Vater nichts mehr gehasst als Frauen, die in Sportschuhen oder so flachen Tretern wie Männer herumliefen. Ballerinas waren nur so geduldet, wenn sie ihn auf eine Baustelle begleitet hatte. Wusste der Idiot eigentlich wie schmerzhaft und unpraktisch seine Einstellung war? In Ina kam wieder Frust auf. Dafür reichte schon der Gedanke an ihren Vater. Nee, ab morgen würde sie genau wie Genia mit Sportschuhen herumlaufen und damit auch in die Firma gehen, wenn es ihr Spaß machte. Schließlich waren es ihre Füße und nicht seine. Außerdem bezweifelte Ina ganz stark, dass sie wegen ihres Schuhwerks einen Auftrag bekam. Ja klar, der Bauherr würde ihr gegenüber stehen und sagen: „Sie haben ja Sportschuh an. Also nein, da kann ich ihrer Firma nicht den Auftrag geben. Wenn Sie High Heels anhätten, wäre das natürlich etwas ganz anderes." Pah, das glaubte ihr Vater doch im Leben nicht. Nein, das war nur wieder so eine Masche von ihm gewesen, den Frauen seinen Willen zu diktieren und sie zu unterdrücken. Tja, jetzt konnte er das aber aus dem Grab heraus nicht mehr. Pech gehabt! Das Haustelefon läutete. Frau Senger hatte scheinbar schon Feierabend gemacht. Okay, ein kurzer Blick auf die Uhr sagte Ina, dass es ja auch schon nach 19 Uhr war. Da war sie doch länger in der Firma geblieben als sie es eigentlich vorgehabt hatte. Kein Wunder, dass Frau Senger schon weg war. Schnell lief Ina zum Telefon und nahm das Gespräch an. „Hallo Ina, hier ist Alex", schlug ihr die Stimme ihrer Stiefoma entgegen, nachdem sie sich gemeldet hatte. „Ich wollte..." „Hallo Inibini, darf ich bitte hier bei Oma und Opa und Ben schlafen?" Scheinbar hatte Natascha Alex wohl das Telefon abgenommen. „Biiiittttteee! Das ist doch viel praktischer. Ihr spart die Zeit, weil ihr mich jetzt nicht abholen müsst und morgen muss mich auch keiner mehr herfahren. Was das schon alleine an Energie spart. Und für die Umwelt ist es auch viel besser. Bittebiiitttee!" Wie könnte sich Ina diesen logischen Argumenten ihrer Schwester widersetzen? Außerdem passte es im Grunde auch gut in ihren Plan. Schließlich wollte sie ja noch ein Gespräch mit Linus wegen gestern führen und sich angemessen entschuldigen. Da war es vielleicht gar nicht so schlecht, wenn sie sozusagen sturmfrei hatten. So sagte man doch immer. Ina war sich nämlich nicht so sicher, ob es mit einer Entschuldigung abgetan war. Wahrscheinlich nicht, denn wenn sie es sich richtig überlegte, war ein ausgiebiges Gespräch über die momentane Situation und eventuelle Lösungsansätze wie man sie verbessern konnte, mit Sicherheit unerlässlich. Ja, Linus und sie mussten einen ausgeklügelten Plan aufstellen, wie sie sich die ganze Arbeit wieder gerecht aufteilten. Außerdem musste er sie auf den aktuellen Stand bringen, damit sie nicht wieder wie blöd dastand, so wie heute bei dem gekrönten Haupt. Das nahm mit Sicherheit ziemlich Zeit in Anspruch. Da würde Natascha nur stören. Nein stören war das falsche Wort. Ihre Schwester störte nie. Dafür hatte sie sie viel zu lieb. Es stören einen nur Menschen, die einem lästig waren. Sowie ihrem Vater seine Kinder. Wieder spürte Ina de Frust in sich aufsteigen. Ja, seine Kinder waren für ihn auch nur ein Accessoire und genauso drückend und unangenehm wie ihre Absatzschuhe. „Klar kannst du dort übernachten, wenn Alex nichts dagegen hat." „Nein, ich habe nichts dagegen. Ich freue mich doch, wenn ich noch jemand mehr habe, um den ich mich kümmern kann. Und Jo ist auch ganz begeistert." In Ina breitet sich ein warmes Gefühl aus. Ja, ihr Opa war ..... so...so....ach, er war einfach ein toller Opa. „Liebe Grüße auch an Linus. Dann macht euch noch einen schönen Abend und genießt die Zweisamkeit." Damit war das Telefonat auch schon beendet. Ina war nicht der neckende Klang in Alex Stimme entgangen. Vielleicht hatte sie aber recht. Wahrscheinlich konnte es nichts schaden, wenn sie es ihnen beiden gemütlich machte. Das entspannte so ein Gespräch doch immer. Ein Grinsen schlich sich in ihr Gesicht, denn im Geiste hörte sie die Stimme von ihrer Mutter. „Zu einer entspannten Stimmung gehört ein gutes Essen." Wie oft hatte ihre Mutter wohl so ein Essen für ihren Vater gezaubert? Wahrscheinlich ziemlich oft, so streitbar wie er war. Egal! Ina lief Richtung Küche, wo Frau Senger bestimmt etwas vorbereitet hatte. Ja, mit dem Gedanken hatte sie richtig gelegen. Das bedeutet, dass sie ihr ganzes Kochkönnen entfalten konnte, in dem sie die Schale in die Mikrowelle beförderte und den Zeitschalter drehte. Dann hatte sie jetzt noch zehn Minuten, um im Esszimmer den Tisch schön einzudecken. Das war wenigstens etwas, das ihr lag. Ja, Deko konnte sie. Als sie zufrieden in die Küche zurückkehrte, verkündete ein lautes Bing, dass auch das Essen fertig war. Perfekt! Dann musste sie nur noch Linus auftreiben. Wahrscheinlich saß er mal wieder mit dem Laptop im Bett und arbeitete noch. Sein Auto hatte ja schon in der Einfahrt gestanden. Das dumme Gefühl, dass sie die ganze Zeit heute wegen ihres dummen Streits im Bauch gehabt hatte, verzog sich schlagartig. Wenn er schon wieder auf seinem Lieblingsplatz war, dann trug er ihr vielleicht gar nichts mehr nach. Egal! Entschuldigen und das Gespräch suchen würde sie aber so oder so. Mit jedem Schritt auf der Treppe fühlte sie sich etwas positiver und gleichzeitig auch aufgeregter. Ja, sie hatte ihn heute den ganzen Tag im Büro vermisst.  „Linus! Essen ist fertig!"

Schuss und Treffer -  in der zweiten Mannschaft   ✔️    Teil 13Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt