„Sag mal, wieso hat dieser Notar, den du Onkel Robert nennst eigentlich noch mit deinem Vater zusammen gearbeitet, wenn er doch eigentlich der Freund von deiner Mutter war, der sie sogar bei ihrer Scheidung von Conny vertreten wollte? Das passt doch irgendwie überhaupt nicht zusammen." Ina schaute kurz zu Genia, die neben ihr auf dem Beifahrersitz saß. Sie setzte den Blinker, um in das Parkhaus zu fahren. „Das ist eine von den Fragen, die ich ihm gleich stellen werde. Ich weiß es echt auch nicht. Du hast recht, das ist irgendwie komisch." Fünf Minuten später setzte Ina ihren Fuß auf den Zebrastreifen vor dem Parkhaus, um die Straße zur Kanzlei zu überqueren. Ein fester Ruck am Arm riss sie zurück. „So ein Idiot! Hat der seinen Führerschein bei Amazon bestellt!" Ihre Mutter schimpfte hinter dem Auto hinterher, das einfach über den Zebrastreifen gefahren war, ohne anzuhalten. In Ina krampfte sich alles zusammen und sie hatte das Gefühl sich nicht mehr bewegen zu können. „Komm!" Ihre Mutter hakte sich unter und zog sie über die Straße. „Also bei dem Deppen fällt mir sofort wieder das Lied ein, das Espie im Kindergarten gelernt hat. Kennst du das auch? Zebrastreifen, Zebrastreifen, mancher wird ihn nie begreifen..." Genia hatte die letzten Worte gesungen und normalerweise hätte Ina wenigstens darüber geschmunzelt. Aber sie hatte das Gefühl ihre Gesichtsmuskeln würden sich nicht einmal bewegen, selbst wenn sie es wollte. Das Auto hätte sie fast umgefahren, wenn Genia nicht eingegriffen hätte. Ihre Mutter hatte damals nicht das Glück, dass jemand da gewesen war, der sie zurückgerissen hatte. „Alles okay bei dir?" Genia schaute ihre Tochter besorgt an, nachdem sie die Straße überquert hatten. Ina war leichenblass und bewegte sich nur wie ein Roboter. Stand sie wegen dieses Verkehrsrowdys so unter Schock? Okay, ihr eigenes Herz schlug auch etwas schneller, musste sich Genia eingestehen. Sie hatte in dem Moment auch Angst um ihre Tochter gehabt und einfach schnell reagiert. Ina schien das Auto gar nicht bemerkt zu haben. „Mama", stammele Ina. Plötzlich fiel es Genia wie Schuppen von den Augen. Scheiße, Inas Mutter war doch auf einem Zebrastreifen angefahren worden, ehe sie starb. Hatte Ina nicht gesagt, sie war auf dem Weg zu diesem Robert? „War es hier?" Ihre Tochter nickte nur ganz zaghaft und in ihren Augen waren Tränen zu sehen. Genia legte ihren Arm um Ina und zog sie fest an sich. In Inas Kopf tauchten Bilder auf.....
Sie hatte ihre Mappe in der Eingangshalle abgeworfen und den Ordner mit der Mathearbeit herausgezogen. Stolz hielt sie ihn in der Hand und folgte den Stimmen, die aus dem Wohnzimmer drangen. Scheinbar hatte Mama Besuch. Egal. Sie würde sich garantiert über ihre eins freuen. Schließlich hatten sie beide zusammen gelernt. Also war es ja auch der Verdienst ihrer Mama. Und Mama freute sich sowieso immer über jede gute Note oder jeden Erfolg, den Ina hatte. Ja, Mama war ihr größter Fan. Und das sagte sie nicht nur so, nein Ina war sich sicher, dass es niemanden auf der ganzen Welt gab, der so viel Vertrauen in sie hatte und sie so liebte und so stolz auf sie war wie ihre Mama. Klar, Papa mochte sie auch, aber für ihn war es ganz normal, dass man Leistung zu bringen hatte. Für Mama war es aber immer ein Grund zu feiern. Bestimmt gingen sie deshalb auch gleich noch zur Feier des Tages ein Eis essen. „Mama, schau mal..." Ina war ins Wohnzimmer gestürmt. Dort saßen aber nur Onkel Robert und ihr Vater. Was machte Papa denn hier? Um die Zeit war er doch immer im Büro? So verdrießlich wie er schaute, war bestimmt irgendein Geschäft schief gelaufen. Genau, das musste es sein. Deshalb war auch bestimmt Onkel Robert hier, um mit ihm zu besprechen, wie sie das doch noch retten konnten. „Ist Mama in der Küche?" Bestimmt sorgte sie gerade dafür, dass die beiden auch ordentlich versorgt waren. Sie schlug gleich den Weg Richtung Küche ein. Papa würde garantiert nicht begeistert sein, wenn sie die geschäftliche Besprechung weiter störte. Er schaute jetzt schon grummelig genug. Schade, eigentlich hätte sie Onkel Robert noch gerne richtig begrüßt. Er war immer wie ein großer Teddybär, wenn er sie umarmte und dann kitzelte. Da musste sie jedesmal kichern. Aber vielleicht konnte sie das ja später noch nachholen.„Ina, warte!" Es war Onkel Roberts Stimme, die sie stoppen ließ. Ihr Blick wanderte zu ihm. Wieso sah er denn so.......so zerwühlt um die Haare aus, als hätte er sie sich nicht nur einmal gerauft? War es so schlimm mit Papas Geschäft? Sein Gesicht sah auch ganz fahl aus und seine Augen rot als hätte er geweint. Ihr Blick wanderte weiter. Sein Hemdkragen stand weit auf und die Krawatte fehlte, genau wie das Sakko, das er sonst immer trug. Und was waren das da für Flecken auf seinem Hemd? Das sah ja aus wie Blut. In Ina breitete sich ein ungutes Gefühl aus, das sie nicht wirklich benennen konnte, aber ihr war schlagartig übel und ihr Magen hatte sich zusammengezogen. Irgendetwas stimmte hier nicht. Sie schaute zu ihrem Vater, der nur stumm auf dem Sofa saß und auf seine Hände starrte. Was war hier los? Ina lief zu Onkel Robert, der mit seiner Hand neben sich auf das Sofa klopfte. Ihr Blick fiel wieder zu ihrem Vater, der sich scheinbar keinen Millimeter bewegt hatte. Das ungute Gefühl in ihr wurde immer stärker. Es schien fast so, als würde ihr Vater mit seinen Gedanken ganz woanders sein und sie nicht einmal wahrnehmen. Sie ließ sich auf das Sofa gleiten und sofort legte Onkel Robert seinen Arm um ihre Schulter. Sie spürte die eiskalte und zittrige Hand von ihm durch ihr Shirt hindurch. „I.....Ina dei...deine Mutter...." Onkel Robert stockte kurz. „Deine Mutter ist tot", kam es mit kalter Stimme von ihrem Vater. Ina konnte sich noch an ihren Aufschrei erinnern und dann war alles wie ausgelöscht.....
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Schuss und Treffer - in der zweiten Mannschaft ✔️ Teil 13
RomanceLinus und Ina sind schon seit zwei Jahren ein Paar. Gemeinsam führen sie das Bauunternehmen von Inas Vater, der seit seinem Herzinfarkt ein Pflegefall ist. Für Ina war der Weg in die Firma schon von kleinauf vorgezeichnet. Linus hatte sich sein Lebe...