Ina saß immer noch wie benommen auf dem Bett ihres Vaters und starrte Doktor Spengler an. Die Augen ihres Vaters funkelten den Arzt sauer an. Das schien den aber nicht weiter zu tangieren, als er nach Inas Arm griff und ihr aufhalf. „Komm Mädchen, ich fahre dich jetzt nach Hause und dort erzähle ich dir alles und beantworte dir alle Fragen, so gut ich das kann." Linus stand am Rand des Zimmers und fühlte sich wie der stille Beobachter als der Doktor Ina an ihm vorbei aus dem Zimmer führte. „Ina!", erklang laut und deutlich die Stimme ihres Vaters, aber sie drehte sich nicht einmal mehr um. Linus hatte das Gefühl, dass sie ihn nicht einmal mehr wahrgenommen hatte. Seinem Impuls ihr hinterher zu laufen, gab er nicht nach, da der Doktor bei ihr war. Er würde dafür sorgen, dass sie gesund und heil nach Hause kam. Er würde ihnen ja auch gleich folgen.....aber vorher musste er noch etwas erledigen, dass ihm auf der Seele drückte. Er lief zu dem Bett von Inas Vater, der ihr immer noch wütend hinterher starrte. „Was sind Sie eigentlich für ein Mensch?", schoss es Linus aus dem Mund. „Sie verheimlichen ihrer Tochter so etwas wichtiges und selbst wenn Sie sie darauf anspricht, haben Sie nicht einmal den Anstand, ihr die Wahrheit zu sagen. Sie sollten sich was schämen. Wissen Sie überhaupt, was das mit Ina macht?" Wenn Linus ehrlich zu sich war, wusste er das ja selbst auch nicht. Aber er war sich sicher, dass Ina das Ganze nicht so einfach wegstecken würde. Denn das es eine Adoption gab, stand mittlerweile ja außer Frage. „Ina hat sich für Ihre Firma abgerackert und alles gemacht, um es Ihnen recht zu machen. Sie hat ihr eigenes Leben dafür fast aufgegeben. Und Sie, Sie haben nicht einmal den Anstand sie über ihre Herkunft aufzuklären. Was sind Sie überhaupt für ein Vater?" Linus spürte, wie er sich immer mehr in Rage redete. Ihm fielen wieder die Worte des Arztes ein. Aber ehrlich gesagt war es ihm gerade absolut schnurzpiepegal, ob Inas Vater gesundheitlich angeschlagen war. Er hatte diesem Mann genug um die Ohren zu schlagen. „Wissen Sie eigentlich, dass Ina kurz vor einem Burnout steht, weil Sie Ihnen beweisen will, dass Sie es auch alleine schafft, die Firma zu führen? Sie haben Ina mit Ihrem Scheiß Ehrgeiz so infiltriert, dass sie jetzt auch denkt, sie muss die Firma noch größer und erfolgreicher machen als zu ihren Zeiten." Er spürte wie immer mehr seines Frustes an die Oberfläche drang. „Sie rackert von morgens bis abends, gibt noch dazu die Erziehungsberechtigte für ihre Schwester und knapst sich Zeit ab, um hier bei Ihnen anzutraben. Und als Dank haben Sie nicht einmal jetzt den Anstand ehrlich zu ihr zu sein. Ina ist gerade einmal Zweiundzwanzig. In dem Alter sollte sie eigentlich studieren und ihr Leben und ihre Freiheit genießen. Aber das haben Sie ja noch nie wirklich zugelassen." Linus konnte sich noch gut an die Zeit in Barcelona erinnern. Inas Vater hatte damals nicht nur seine Tochter, sondern auch Luca, der in seiner Firma gearbeitet hatte, bis zum letzten getrietzt. Sie waren sich dort nur einmal bei einem Besuch von ihm begegnet und hatten nur ein paar Worte gewechselt. Das hatte aber schon ausgereicht, um eine gegenseitige Abneigung zu begründen. Linus war völlig klar, dass Inas Vater ihn genauso wenig mochte, wie er ihn. Im Normalfall hätte Constantin garantiert alle Hebel in Bewegung gesetzt, um ihm den Zugang zur Firma zu verweigern. Und ehrlich gesagt hätte Linus auch nicht den geringsten Drang verspürt in dem Betrieb tätig zu werden. Das machte er alles nur Ina zu liebe. Eigentlich wollte er nie wieder in so einer Tretmühle landen. Das wurde ihm gerade wieder klar. Nicht nur Ina hatte ihr Leben für die Firma fast aufgegeben, sondern er auch. Was war aus seinen Plänen geworden? „Ra...us!" Inas Vater hatte seine Hand gehoben und deutete damit zur Tür, während seine Augen wütend funkelten. Ja, mit so einer Ansprache hatte der ignorante Knilch wohl nicht gerechnet. Wenn Ina sie mitbekommen hätte, wäre sie wahrscheinlich sauer auf Linus. Sein Blick ging zu dem alten gebrechlichen Mann. Von ihm würde sie es mit Sicherheit nicht erfahren. Andererseits war sich Linus nicht einmal sicher, ob Ina ihrem Vater überhaupt noch zuhören würde, wenn er denn überhaupt sprechen würde. So wie sie reagiert hatte, war er sich da nicht sicher. Außerdem hatte er ja nichts gesagt, was er nicht auch so meinte und zu dem er nicht stand, denn Linus war nicht so ein Mistkerl wie der bemitleidenswerte Typ vor ihm. Er stand zu dem Mist, den er fabrizierte. Und die Ansprache war kein Mist, sondern die Wahrheit. „Raus!", wiederholte Inas Vater entschieden. Linus schüttelte nur seinen Kopf. „Sie sind wirklich das Letzte. Ich werde mich jetzt um Ina kümmern und versuchen ihr wie immer zur Seite zu stehen, damit sie den Mist verkraftet, den Sie verzapft haben. Ist Ihnen eigentlich nie die Idee gekommen, dass es für Ina wichtig wäre zu wissen, wo sie herkommt." Linus zuckte mit den Schultern. „Wahrscheinlich dachten Sie, Sie kommen wie immer mit Ihren Manipulationen durch. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend und vielleicht denken Sie ja mal darüber nach, wie Sie sich am besten bei Ina entschuldigen. So viel Denkvermögen ist Ihnen ja hoffentlich noch geblieben." Mit diesen Worten drehte Linus sich um und verließ das Zimmer. Noch immer spürte er eine gewisse Wut in sich, auch wenn es gut getan hatte, diesem Idioten mal ordentlich die Meinung zu sagen. Ihm war plötzlich auch klar, woher die Wut stammte, die sich Bahn gebrochen hatte. Es lag an der Unzufriedenheit, die er spürte, weil er sich irgendwie gefesselt fühlte....nicht von Ina, nein, das auf keinen Fall. Mit ihr war er glücklich. Das stand außer Frage. Aber von den Umständen, unter denen sie lebten und die ihnen kaum Freiheit ließen, das zu machen, was sie wollten. Ab sofort würde er dafür sorgen, dass Ina und er im Vordergrund standen und nicht diese dämliche Firma um die sie die ganze Zeit wie ein goldenes Kalb getanzt waren. Nein, es war an der Zeit, dass sie ihr Leben in die Hand nahmen und es wie andere in ihrem Alter genossen. Klar gab es die Firma, um die sie sich auch weiter kümmern mussten, aber nicht mehr bis zur Selbstaufgabe. Es musste auch einen gesunden Mittelweg geben. Dafür würde er sorgen....und dafür, dass Ina in nächster Zeit den Raum bekam, den sie brauchte, um mit den neuen Gegebenheiten klar zu kommen.
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Schuss und Treffer - in der zweiten Mannschaft ✔️ Teil 13
RomanceLinus und Ina sind schon seit zwei Jahren ein Paar. Gemeinsam führen sie das Bauunternehmen von Inas Vater, der seit seinem Herzinfarkt ein Pflegefall ist. Für Ina war der Weg in die Firma schon von kleinauf vorgezeichnet. Linus hatte sich sein Lebe...